Bunker, Festungen und Industrie erobern die Stadt

So sehr verschandelt die Photoshop-KI Luzern

Geht es nach der Photoshop-KI, fällt der Wasserturm weg – dafür gibts einen Berg Fuji. (Bild: Ursprungsbild von Emanuel Ammon/AURA)

Programme, die auf Künstliche Intelligenz setzen, erleben derzeit einen enormen Aufschwung. Besonders grafische Software lädt zum Herumspielen ein. zentralplus hat die Stadt Luzern durch die KI-Mühle gejagt – mit fragwürdigen Resultaten.

Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit in aller Munde. Darunter etwa Bard von Google oder das Online-Tool ChatGPT der Firma OpenAI, das mittels kurzen Textbefehlen ganze Textblöcke eigenständig schreibt – teils mit fragwürdigem Inhalt und Wahrheitsgehalt (zentralplus berichtete).

Auch im grafischen Bereich sind KI-Programme auf dem Vormarsch. Software wie Mindjourney oder Dall-E helfen dabei, Bilder zu verändern oder von Grund auf neu zu gestalten (zentralplus berichtete). Unumstritten sind diese Programme nicht. Damit KI Bilder generieren können, greifen sie teils auf Referenzmaterial zurück – also bereits existierende Bilder. Das ist besonders im Hinblick auf das Urheberrecht ein heikles Thema, das in der Branche für einigen Unmut sorgt.

Luzern per Mausklick in die Endzeit katapultieren

Neu mischt auch der Klassenprimus der digitalen Bildbearbeitung im KI-Markt mit: Adobe Photoshop. Seit Juni hat Adobe eine neue Betaversion lanciert, welche die Bildbearbeitung revolutionieren soll. Ähnlich wie bei den anderen Plattformen können Benutzerinnen mit einzelnen Texteingaben das Bild völlig umkrempeln. Eine störende Person im Panoramabild löschen? Kein Problem. Einen Drachen auf den Pilatus setzen? Nur ein paar Klicks entfernt. Spielereien wie diese waren zwar schon zuvor möglich – und für Profis ein Kinderspiel –, mit der neuen Betaversion können nun auch ungeübte Benutzer ihre Bilder mit Leichtigkeit umgestalten.

Bei diesem Bild haben wir den Befehl gegeben, Luzern in eine Seestadt umzuwandeln. Das Ergebnis sieht aus wie eine drastische Folge des Klimawandels. Das Hotel Gütsch wurde dafür in eine Festung umgebaut. (Bild: Ursprungsbild: SGV)

Nutzerinnen wählen die Stelle aus, die sie bearbeiten möchten und geben dann in einem Textfeld die gewünschte Änderung auf Englisch ein und drücken Enter. Den Rest übernimmt das Adobe-Programm innert wenigen Sekunden. Die wohl spannendste Funktion: Photoshop Beta erweitert oder ersetzt ganze Bildausschnitte. zentralplus hat mit der neuen Software herumgespielt und bekannte Luzerner Gebäude und Sehenswürdigkeiten durch die Funktion «Generative Füllung» ohne zusätzliche Inputs ergänzen lassen. Die Ergebnisse? Im besten Fall glaubwürdig. Im schlimmsten Fall: völlig absurd. Aber seht am besten selbst.

Der mysteriöse Löwenbunker

Wenn es um Luzerner Wahrzeichen geht, steht das Löwendenkmal auf der Bekanntsheitsskala sehr weit oben. Logisch also, dass ein entsprechendes Foto gleich als Erstes durch den Rechner gejagt wird. Das Resultat sieht zumindest optisch sehr glaubwürdig aus – sieht man von den eigenartigen Touristen in der rechten Bildhälfte einmal ab. Was aber stellt es dar? Führt der neugenerierte Tunnel, den sich Photoshop da «ausgedacht» hat, zu einem neuen Bereich des Felsenwegs, den das Museum Gletschergarten 2021 eröffnet hat (zentralplus berichtete)? Oder ist es doch ein freigelegter Zugang zu einem geheimen Militärbunker aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges?

Ob die Tür in eine Gletschergarten-Sonderausstellung führt oder doch in einen geheimen Militärbunker, weiss wohl nur Photoshop selbst. (Bild: Ursprungsbild: asc)

Die neue «alte» Hofkirche

Auch beim zweiten Bild erzeugt Photoshop Beta ziemlich glaubwürdige Ergebnisse. Auf den ersten Blick zumindest. Die wohl offensichtlichste Änderung sind die neuen Turmspitzen der Hofkirche. Sieht man allerdings genauer hin, hat die Software auch die Dächer und Fassaden der umliegenden Häuser verändert. Das Hotel-Restaurant Rebstock beispielsweise hat einen zusätzlichen Erker spendiert bekommen, der allerdings etwas gar eigenwillig daherkommt.

Die Hofkirche mit neuen Türmen. Die «Umgestaltung» der umliegenden Häuser lässt hingegen zu wünschen übrig. (Bild: Ursprungsbild: mik)

Photoshop löst die Stadttheater-Debatte

Das neue Luzerner Theater sorgt für hitzige Gespräche. Einigen gefällt das geplante Design gar nicht, anderen geht die grundsätzliche Diskussion auf den Keks (zentralplus berichtete). Photoshop Beta macht mit der gesamten Debatte kurzen Prozess und verwandelt so ziemlich alles, was links von der Jesuitenkirche steht, in eine grüne Parkanlage.

Weg ist die Bahnhofsstrasse mit den meisten Gebäuden. Stattdessen gibts mehr Pflanzen. Die Grünen dürfte das freuen. (Bild: Ursprungsbild: zvg)

Das KKL Luzern 2.0

Jean Nouvels imposanter Prachtsbau feiert heuer sein 25-Jahr-Jubiläum (zentralplus berichtete). Ursprünglich von verschiedenen Seiten her kritisiert, ist das moderne Gebäude mit dem markanten Dach heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Das findet auch Photoshop und platziert einen Zwillingsbau direkt gegenüber.

Aus dem freistehenden Dach des KKL Luzern wird jetzt eine überdachte Passage. (Bild: Ursprungsbild: Emanuel Ammon/AURA)

Der Wasserturm von Sauron?

Man muss schon genau hinschauen, um zu erkennen, dass dieses Bild ursprünglich in Luzern aufgenommen wurde. Es zeigt nämlich eine freie Interpretation des Wasserturms. Photoshop hat dem historischen Gebäude nicht nur eine neue Spitze spendiert, sondern auch das Bergpanorama im Hintergrund ins Unendliche vergrössert. An fotografischer Attraktivität hat der Turm aber selbst nach der Photoshop-Behandlung nicht verloren.

Lässt man die Software den Wasserturm umgestalten, kommt das dabei raus. Fast, als wäre ein verloren geglaubter Museggturm aufgetaucht. (Bild: Ursprungsbild: zvg)

Das Flaggschiff wird zum Wrack-Kandidat

Sie ist eines der schönsten Schiffe auf dem Vierwaldstättersee: die «Stadt Luzern». Lässt man ein KI-Tool den Bug des SGV-Flaggschiffs ergänzen, kommt ein Gefährt heraus, das wohl zeitnah den zahlreichen anderen Wracks auf dem Grund des Vierwaldstättersees Gesellschaft leisten würde (zentralplus berichtete). Dass die Wimpel im Himmel verschwinden, der Pilatus neue Geschwister und das Ufer eine Überbauung bekommen hat, verkommt im Angesicht dieser nautischen Monstrosität fast zur Nebensache.

Flacher Bug, fehlende Masten. So wäre die «Stadt Luzern» wohl kaum das Flaggschiff der SGV. (Bild: Ursprungsbild SGV)

Luzern der Zukunft?

Die Berge sind verschwunden, die Stadt Luzern erstreckt sich bis zum Horizont. Kein besonders schöner Anblick. Ob sich die Stadt Luzern jemals in einen ähnlichen Moloch verwandelt wird, den Photoshop Beta da prophezeit, bleibt abzuwarten. Hoffen wir's nicht.

Industrie, so weit das Auge reicht. Photoshop gönnt den Luzernerinnen weder die Berge noch die Grünflächen. (Bild: Ursprungsbild: SGV)
Verwendete Quellen
  • Bilder aus dem zentralplus-Archiv
  • Photoshop Beta
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 25.07.2023, 17:03 Uhr

    Man kann das KI zum guten vorteil Nutzen,aber leider auch für die Kriminalität,die Schlafen auch nicht!
    Einstein wollte seine Erfindung für gute Friedliche Zwecke Nutzen,aber nicht das daraus eine Atombombe gebaut wird!

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  • Profilfoto von Georges
    Georges, 24.07.2023, 21:28 Uhr

    Der Artikel zeigt auf, dass wir keinem Bild trauen können und konnten.
    Danke!

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  • Profilfoto von Else
    Else, 24.07.2023, 18:31 Uhr

    aufpassen ,wer weiss wie es in den nächsten 100 Jahren aussieht,, wenn die schöne Stadt weiter so verschandelt wird ,,

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  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 24.07.2023, 09:21 Uhr

    Cool, diese Spielereien. Besonders gefällt der neue Ausgang des sinnlosen 20-Millionenlochs des Gletschergartens neben dem Löwendenkmal 😂

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 24.07.2023, 08:28 Uhr

    „Seestadt Luzern“: „Sieht aus wie eine drastische Folge des Klimawandels.“ Wieso? Haben die bösen CO2-Dämonen den Abfluss der Reuss verstopft?

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