Umgestaltung der Waldstätterstrasse

Was die Stadt Luzern von «Pokémon Go» lernen kann

Die Waldstätterstrasse in Luzern wird in den nächsten Jahren weiter umgebaut. (Bild: Franca Pedrazzetti)

Ein Team der Hochschule Luzern erforscht, wie die Stadt Menschen in die Planung von Pärken und Gebäuden einbinden kann. Dabei setzen sie auf eine neue Technologie.

«Sammelt ihr Pokémons?», will man die Menschen fragen, die in der Waldstätterstrasse in Luzern die Handys nach vorne strecken. In dem 2016 veröffentlichten Spiel «Pokémon Go» müssen Spieler virtuelle Figuren sammeln, die mittels Augmented Reality (AR) in der echten Welt erscheinen – beziehungsweise auf den Bildschirmen.

In der Waldstätterstrasse kann man am Donnerstag keine Pokémons jagen. Stattdessen zeigen die Handys Bäume, Bänke und Brunnen, die es noch nicht gibt. Denn der kurze Abschnitt der Strasse vor der Migros soll grüner werden. Wie genau, zeigt ein neues Werkzeug der Hochschule Luzern (HSLU), das in einem Workshop vorgestellt wird.

Tobias Matter ist an der HSLU für das Projekt verantwortlich. Er sagt: «Wir untersuchen, wie wir AR für partizipative Stadtplanungsprozesse einsetzen können.» Das dreijährige Projekt «Augmented Planning» wird von Innosuisse, der Bundesbehörde für Innovationsförderung, mit einer halben Million Franken unterstützt. Praxispartner sind die Stadt Luzern, Planteam und die Sinus AG.

Stadt Luzern will einen Teil der Waldstätterstrasse zum Park machen

Am Donnerstag vor Ort ist auch Stefan Naef. Er arbeitet bei der Stadt und ist für den Umbau an der Waldstätterstrasse verantwortlich. Seit 2021 ist der Abschnitt zwischen Winkelriedstrasse und Kauffmannweg autofrei. So hatte es das Stadtparlament gefordert. Bis 2025 will die Stadt den Ort entsiegeln, mit Bäumen bepflanzen und mit neuen Bänken ausstatten.

Beim Workshop erfuhren die Teilnehmer, was die Stadt geplant hat. (Bild: kok)

Doch einen kleinen Park zu bauen ist leichter gesagt als getan. «Wir mussten sehr viele Abklärungen treffen», erzählt Stefan Naef. Zum Beispiel mit der Feuerwehr und den Fasnächtlern, die den Ort für ihren Umzug nutzen. Oder wie sich die Velostellplätze verschieben lassen. In den nächsten Tagen wird die Stadt die Vorstudie fertigstellen. In einem Jahr soll gebaut werden.

«Nicht alle können Planunterlagen verstehen.»

Stefan Naef, Projektleiter Stadt Luzern

Wichtig dabei sei es, auch die Bevölkerung einzubinden, erklärt der Projektleiter. «Wir wollten wissen: Entspricht das euren Vorstellungen, was wir planen?» Doch Entwürfe in der Raumplanung den Menschen zu erklären, sei teilweise sehr schwer. «Nicht alle können Planunterlagen verstehen.» An dieser Stelle kommt die Technologie der Hochschule zum Einsatz.

Drei verschiedene Versionen des Programms

Augmented Reality soll die Menschen dort abholen, wo sie sind – und ihnen das Geplante anschaulich zeigen. Einfach nach dem Einkauf in der Migros kurz am Handy den Ort entdecken. Das ist die Idee. Besonders Jüngere, die sich bei üblichen Mitwirkungen selten beteiligen, will das Team damit ansprechen. Noch steckt die Technik allerdings in den Kinderschuhen.

In der öffentlichen Version mit QR-Codes lässt sich der Raum zwar bei unterschiedlichem Wetter in drei Dimensionen erkunden. Allerdings nur von einem Standort aus und ohne Einsatz der Kamera. Beim Workshop hat das Team der Hochschule aber auch zwei weitere Prototypen dabei.

In einer Version des Programms lässt sich der geplante Park aus der Vogelperspektive entdecken. In einer anderen Version kann man mit eingeschalteter Kamera durch die Strasse laufen und die künftigen Bäume und Bänke erscheinen im Raum. Dazu kann man zum Beispiel Bäume verschieben, also quasi mitplanen. Ohne App, einfach im Browser des Handys.

Diese Version des Programms war im März öffentlich verfügbar.
In dieser Version kann man den Park aus der Luft betrachten. (Bild: kok)
Das ist die technisch komplexeste Version. Der digitale Baum sitzt im live gefilmten Raum. (Bild: kok)

«Co-Design mittels WebAR», so heisst die letzte Variante, sei aber noch zu fehleranfällig, um sie öffentlich zur Verfügung zu stellen, sagt Tobias Matter von der Hochschule. Immer wieder erscheinen Bänke und Bäume auf den Bildschirmen, wo sie nicht hingehören. Die Teilnehmer des Workshops sind trotzdem begeistert.

«Nur mit Bildern ist die Planung für viele schwer vorstellbar. Ich finde, die Technik ist sicher eine Chance», findet der 25-jährige Nicolas Loretz. Der Landschaftsarchitektin Tamara Eiermann gefällt, dass man den Ort auf eigene Faust virtuell entdecken kann. Sie kannte solche Instrumente bisher nur von Führungen.

Den ganzen März standen die Plakate und QR-Codes in der Waldstätterstrasse zur Verfügung. Wer Analoges bevorzugt, fand auf den Plakaten auch Bilder vom geplanten Pärkli. Ausserdem konnte man mitentscheiden, welche Art Brunnen gebaut werden soll. Von der AR-Anwendung gab es einen direkten Link zu einer Umfrage.

Partizipation fördert Demokratie

Rund 230 Rückmeldungen sind dabei eingegangen. Das freut das Team. «Darum geht es bei Partizipation: Menschen zu befähigen, Projekte mitzugestalten», sagt Stefanie Müller vom Projektteam, die zu dem Thema forscht. «Partizipation reduziert Konflikte, fördert die Demokratie und kann helfen, Projekte mehrheitsfähig zu machen.»

Noch rund eineinhalb Jahre Zeit haben die Forscher, um im Rahmen des Innosuisse-Projekts an «Augmented Planning» als Werkzeug für Partizipation zu arbeiten. «Wir wollen zukünftig auch die akustische Ebene weiterentwickeln», kündigt Tobias Matter an. Ausserdem soll die Technik bei der Planung der neuen Reussquerung in Luzern Nord zum Einsatz kommen. Wann genau, sei aber noch unklar.

Auch an der Luzerner Bahnhofstrasse haben die Stadt Luzern und das Team der Hochschule bereits mit Augmented Reality gearbeitet. Wie das aussah, zeigt das folgende Video.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Hochschule Luzern
  • Teilnahme am Workshop
  • Website der Stadt Luzern zur Entwicklung der Bahnhofstrasse
  • Website der Hochschule Luzern zu Augmented Planning
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Kevin Klak
    Kevin Klak, 30.03.2024, 14:07 Uhr

    Die Kommentare erstaunen mich. Beinahe dauernd macht die Behörde irgendwas im stillen Kämmerlein (vgl. Stadt-Theater) … jetzt geht sie mal raus und redet mit den Anwohnern. Auch das findet man doof? Schade.

    Ich finde das ein tolles Projekt. Es zeigt das Potenzial einer Technologie. Zudem ermöglicht es Studierenden aus ihrem Hörsaal zu kommen und es gibt den Anwohnern die Möglichkeit mitzubestimen. Der Behörde gibt es zudem die Chance sich einer breiten Öffentlichkeit zu erklären und Erfahrungen mit einer modernen Technologie zu machen.

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      Hanswurst, 30.03.2024, 14:48 Uhr

      Cc Kevin Klark: Ihre fast schon selbstbemitleidende Kritik zielt im ersten Teil ziemlich daneben – ich erkenne keinen Kommentar, der den offenen Austausch der sonst eher in einer Bubble agierenden Behörde kritisieren würde. Und diese Technologie gibts spätestens seit Ende der 1990er Jahre, wird laufend weiterentwickelt, Vorreiter sind Computergames – scheint trotzdem für einige neu zu sein oder wird für Banausen als neu verkauft.

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    Simone, 30.03.2024, 11:47 Uhr

    Was da investiert wird für einen Minipark nur ein paar Meter vom nächsten Park entfernt, ist schon fragwürdig. Mehrere Varianten werden da ausgearbeitet? Hätte doch einfach so bleiben können wie es jetzt ist. Muss denn ständig das Rad neu erfunden werden?

    Während auf der Winkelriedstrasse und Habsburgerstrasse Reisecars durchbrettern und LKWs und Coop-Besucher auf dem Trottoir parkieren, 2 Fahrschulen im Quartier in 2ter Reihe parkieren mit 7+ Autos und das Viertel als Park&Ride nutzen… Zebrastreifen vor dem Kinski entfernt werden … darum kümmert sich niemand…

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    Hanswurst, 29.03.2024, 19:53 Uhr

    Wieso wir mit Steuergeldern derartig unnötige Visualisierungen finanzieren, ist mir schleierhaft – den Leuten scheint das Vorstellungsvermögen definitiv abhanden gekommen zu sein, so dass brotlose Kreative der HSLU ein Einkommen finden. Wetten, dass diese im Vergleich zu Computergames eher rückständigen Spielereien nach der Umsetzung kaum mehr was mit diesen künstlichen „Realitäten“ zu tun haben werden? Wir kennen dieses Phänomen ja zur Genüge von architektonischen Visualisierungen. Und übrigens: Wieso gestaltet man nicht zuerst die tollen Innenhöfe der Neustadt um, entrümpelt diese, so dass sie den ihnen ursprünglich angedachten Zweck erfüllen können?

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    Hegard, 29.03.2024, 12:45 Uhr

    find ich wirklich eine gute Idee! Mann könnte zB auch in Palettgrösse ,in der länge,links und rechts Sitzplätze und in der Mitte ein Pflanzkasten bauen! Die man zB mit einem Stapler überaĺl hin und her bewegen kann! Auch an Trottoir Kante Pflanzenkisten stellen zum Schutz der Fussgänger!
    Übrigens am Theaterplatz würde sich das Grün auch gut machen!

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    • Profilfoto von Simone
      Simone, 30.03.2024, 11:33 Uhr

      Pflanzkisten und Poller werden vom Tiefbau-und Gartenamt sukzessive abgeleht, das könnte ja dann jeder wollen, und wenn dann Autos und LKWs auf dem Trottoir parken kann man dann ja die Polizei rufen!

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