Schiffsunglücke in der Zentralschweiz

Diese Wracks liegen auf dem Grund des Vierwaldstättersee

Der Sensationsfund von Roger Eichenberger: Das Wrack eines Frachtseglers aus dem 19. Jahrhundert, beladen mit 15 Kisten Glas. (Bild: Roger Eichenberger)

Ein missglückter Tauchgang zum Wrack der «Titanic» sorgte jüngst für grosses Aufsehen. Nebst Autos, Munitionsdepots und Flugzeugen liegen auch zahlreiche Schiffswracks auf dem Grund des Vierwaldstättersees. zentralplus hat sie beleuchtet. Vom sicheren Land aus.

Sind es die menschlichen Tragödien? Die Legenden und Mythen? Oder die unbekannte, nicht selten gar unheimliche Welt in den Tiefen der Ozeane? Untergegangene Schiffswracks üben seit jeher eine Faszination bei den Menschen aus.

Das wohl bekannteste Schiffswrack der Welt ist die «Titanic». Die Anziehung für den 1912 gesunkenen Luxusliner ist bis heute ungebrochen, Tauchgänge zum Wrack werden heutzutage nicht nur zu Forschungszwecken, sondern auch für gutbetuchte Abenteurer angeboten – sind aber keineswegs ungefährlich, wie das jüngste Unglück des Tauchboots «Titan» zeigt, das während eines Tauchgangs implodierte und fünf Menschenleben kostete.

Schiffswracks gibt es allerdings nicht nur in den Weltmeeren, auch in den Tiefen des Vierwaldstättersees ruhen so einige «Schätze». Darunter versunkene Autos, Munitionslager und Schiffswracks. Die Aussicht, in den trüben Wassern des Sees etwas zu entdecken, beflügelt auch die Fantasie zahlreicher Abenteurer.

Berufstaucher findet historischen Segler

Einer von ihnen ist Roger Eichenberger. Der Berufstaucher aus Gersau hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Vierwaldstättersee systematisch nach versunkenen Objekten abzusuchen. Den Fund seines Lebens machte er 2012. Vor Hergiswil entdeckte er das Wrack eines 13 Meter langen Frachtenseglers aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der mit 15 Kisten Glas beladen war. Das Unglück war bis dahin nirgends dokumentiert. Zuvor waren im Vierwaldstättersee nur zwei Wracks solcher vorindustrieller Lastensegler bekannt.«Meine Lieblingsfunde sind jene, die mit einer tragischen Geschichte zusammenhängen – oder besonders interessantes Material geladen haben», sagte Eichenberger damals gegenüber zentralplus.

Im Juni 2016 gelang Eichenberger der nächste Sensationsfund. Nach drei Jahren Suche fand er in rund 200 Metern Tiefe das Wrack eines Armeeflugzeugs, das 1941 in der Nähe von Gersau in den See gestürzt ist.

Wrack «MS Flora»

Ebenfalls als Sensation galt die Entdeckung des Frachtschiffs «Flora», ein mit einem seltenen Petrolmotor angetriebener Nauen aus Holz. Taucher stiessen im Jahr 2000 in einer Tiefe von 66 Metern auf das Wrack. Das Schiff wurde 1810 gebaut und sank 1899 aus nicht gänzlich geklärten Gründen im Küssnachter Arm des Sees. Vermutet wird, dass das Petrol an Bord explodierte. Beim Untergang kamen fünf Menschen ums Leben. 2015 hat das Verkehrshaus Luzern den seltenen Zwei-Zylinder-Motor geborgen und später ausgestellt (zentralplus berichtete).

Links Berufstaucher Roger Eichenberger 2015 bei der Bergung des Motors MS Flora durch das Verkehrshaus der Schweiz in Weggis. (Bild: Pius Koller)

Wrack «Portland»

Ein weiteres Wrack liegt bei Fürigen in Stansstad auf dem Grund des Vierwaldstättersees. Die «Portland» war ein 47 Meter langes Frachtschiff, das 1955 während eines Sturms gesunken ist. Zum Zeitpunkt des Untergangs befanden sich zwei Personen an Bord, der Kapitän und ein Matrose. Während der Matrose gerettet werden konnte, ging der Kapitän mit seinem Schiff unter. Heute liegt die Motornaue auf knapp 80 Metern Tiefe und ist grösstenteils gut erhalten. Weite Teile der Holz-Stahl-Konstruktion, als auch Details wie etwa das Holzsteuerrad sind bis heute gut erkennbar.

Das zeigen Tauchgänge des Engelberger Unternehmens Subspirit. Dieses bietet mit dem einzigen U-Boot der Schweiz regelmässig Tauchgänge zum Wrack an.

Wrack «Vitzenova»

Am 26. Dezember 1999 sorgte der Orkan «Lothar» für weitreichende Verwüstungen in der ganzen Schweiz. Der Sturm forderte in der Schweiz 14 Menschenleben, 15 weitere kamen bei den Aufräumarbeiten ums Leben. Er richtete Schäden in der Höhe von rund 1,8 Milliarden Franken an.

Beschädigt wurden zahlreiche Waldstücke, Häuser, Autos – und Schiffe. Eines von ihnen war das Passagierschiff «Vitzenova». Der Sturm beschädigte das Schiff, das Platz für rund 60 Fahrgäste bot, derart schwer, dass es rund 180 Meter vor der Küste von Vitznau auf den Grund sank. Und da liegt es, in einer Tiefe von über 100 Metern, in immerwährender Dunkelheit noch heute.

Ums Leben kam beim Untergang niemand. Die zwei Männer an Bord, darunter der Besitzer, konnten sich ans Ufer retten. In den Jahren nach der Katastrophe gab es hitzige Diskussionen darüber, ob das Wrack geborgen werden sollte. Befürchtet wurden etwa Umweltschäden durch das Diesel- und Motorenöl. Auch stand die Idee im Raum, das Schiff nach der Bergung wieder seetüchtig zu machen.

Die Regierung, gestützt auf Abklärungen des Amts für Umweltschutz, entschied, dass die Bergung und Entsorgung des Wracks mindestens 190'000 Franken gekostet hätten und damit «nicht verhältnismässig und aus Gründen des Gewässerschutzes nicht geboten» war, wie es in einer Antwort auf ein Postulat von Toni Zimmermann im Juli 2003 hiess.

In den Folgejahren versuchte ein privater Verein, die «Vitzenova» doch noch zurück an die Oberfläche zu holen, bekam die finanziellen Mittel allerdings nicht zusammen und gab das Vorhaben schliesslich 2013 auf. Seither liegt das Passagierschiff auf dem Seegrund. Das Wrack der «originalen» Vitzenova kann ebenfalls mit dem U-Boot der Schweizer Firma Subspirit besucht werden.

Heute ist auf dem Vierwaldstättersee eine «Vitzenova 2.0» unterwegs. Das Luxushotel Vitznauerhof bietet seinen Gästen Ausflüge mit dem Elektroboot an, das Platz für neun Personen bietet (zentralplus berichtete).

Auf der «Vitzenova» können die Gäste auch ohne Bootsschein herumtuckern.
Auf der neuen «Vitzenova» können die Gäste auch ohne Bootsschein herumtuckern. (Bild: zvg / Vitznauerhof)

In den hiesigen Archiven sind noch zahlreiche Schiffsunglücke auf dem Vierwaldstättersee erwähnt, deren Wracks bis heute unentdeckt blieben. Diese reichen von römischen Galeeren bis zu einem Nauen, der am Palmsonntag 1766 sank und 48 Personen in den Tod riss.

Das Unglück auf der «Schwalbe»

Eine der grössten Schiffskatastrophen in der Schweiz ereignete sich in der Nacht am 12. Oktober 1944. Eine Hochzeitsgesellschaft befindet sich auf dem rund 13 Meter langen Motorboot «Schwalbe» auf dem Rückweg von Hotel St. Niklausen zum Bahnhofquai in Luzern. Auf der Höhe Haslihorn kollidiert das Schiff mit dem Nauen «Schwalmis», das Schiff der Hochzeitsgesellschaft sinkt innert kürzester Zeit. 20 Menschen, darunter auch die Braut, kommen bei der Tragödie ums Leben (zentralplus berichtete).

Im Gegensatz zu anderen Wracks ruht die «Schwalbe» nicht auf dem Grund des Vierwaldstättersees. Das Wrack wurde noch am selben Morgen gehoben, der Fall eingehend untersucht. Sämi Studer, Enkel des überlebenden Bräutigams, hat die Ereignisse akribisch recherchiert und 2019 im Sachbuch «Die Braut fiel mir aber ins Wasser» publiziert. Zudem hat das «SRF» die Ereignisse 2020 im Rahmen ihrer Dok-Filmreihe «Es geschah am …» unter dem Titel «Bis dass der Tod euch scheidet» verfilmt.

Verwendete Quellen
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rentner Baldi
    Rentner Baldi, 27.06.2023, 19:13 Uhr

    ja ein sehr trauriger Film, viele kleine Kinder wurden Waisen, Toller Dok, Film,

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