Sommerserie «Aus der Kälte»

Polizeitaucher: Heikle Missionen unter Wasser

Polizeitaucher Daniel Zemp im Einsatz auf dem Vierwaldstättersee. (Bild: Flavia Rivola)

Wir porträtieren in unserer Sommerserie «Aus der Kälte» jeden Dienstag eine Zentralschweizerin oder einen Zentralschweizer mit einem aussergewöhnlichen Beruf. Heute stellen wir einen Polizeitaucher vor, der in den kühlen Tiefen der Luzerner Gewässer alles findet – von Regenschirmen bis zu Wasserleichen.

Eigentlich fährt Daniel Zemp aus Ruswil Polizeipatrouille auf den Luzerner Strassen. Doch während seines Strasseneinsatzes darf sich der 47-Jährige nicht zu weit von den Luzerner Gewässern entfernen. Er befindet sich ständig auf Abruf, denn was er kann, können nur noch sieben weitere Polizisten im 800-köpfigen Luzerner Polizeikorps: Zemp ist Polizeitaucher.
 
Hinzugerufen werden die Taucher, wenn es um Polizeieinsätze unter Wasser geht. Im letzten Jahr war dies über 10 Mal der Fall. «Im Grunde genommen sind wir nichts anderes als Polizisten, die ihre Arbeit unter Wasser erledigen», sagt Zemp. So etwa bei Boots-, Badi- und Tauchunfällen sowie bei Suiziden. Aber auch das Sicherstellen einer Tatwaffe oder die Untersuchung von Delikten gegen den Gewässerschutz, gehören dazu. Auch Verkehrsunfälle, wo ganze Autos geborgen werden müssen, kommen vor. «Leider geht es bei uns meistens nicht mehr ums Retten, sondern nur noch ums Suchen und Bergen», sagt er.
 
Der gelernte Carrosseriespengler ist als Nichtschwimmer in den 80er-Jahren der Polizei beigetreten und hat in den 90er-Jahren die Ausbildung zum Polizeitaucher und Tauchlehrer absolviert. Mittlerweile ist er Leiter der Einsatzgruppe bei der Wasserpolizei Luzern. Zu seinem Einsatzgebiet gehören nebst dem Vierwaldstättersee auch der Sempachersee, die Reuss sowie alle weiteren Flüsse, kleinen Seen und Teiche im Kanton. Bereitschaftsdienst hat der Familienvater das ganze Jahr über. Sommer wie Winter, ob bei Tag oder Nacht. Wenn etwas passiert, gibt es kein Zögern für ihn.

Ausrüstung hält die Kälte fern

Beim Boothaus der Wasserpolizei am Luzerner Alpenquai lagert sie, die Ausrüstung. Bei einem Einsatz heisst die Entscheidung zuerst: Nass- oder Trockenanzug? Der Nassanzug entspricht dem klassischen Neoprenanzug und eignet sich eher für kurze Aufenthalte und wärmere Temperaturen. Zum Trockenanzug gehören ein Overall, über den ein wasserdichter Tauchanzug getragen wird. Damit hält Daniel Zemp die Kälte im Winter und in tiefen Gefilden länger aus. Zu beiden Anzügen gehören jeweils noch Bleigurt, Tauchweste, Pressluftflasche, Schwimmflossen, Brille und Handschuhe.
 
«Tauchen hat sehr viel mit Physik zu tun», erklärt Zemp. Durch den Druck haben in einer Tiefe von 40 Metern alle Hohlräume ein zirka fünfmal kleineres Volumen als oben. Auch seine Lunge und die Tauchweste. Das gilt es bei der Ausrüstung zu berücksichtigen. Das Material des Tauchanzugs muss dick genug sein, damit der Taucher auch auf 40 Metern unter dem Wasser noch gegen Kälte geschützt ist. Genug Luft muss mitgenommen werden, denn in dieser Tiefe verbraucht der Mensch pro Atemzug 30 Liter Luft.

«Leider geht es meistens nicht mehr ums Retten, sondern nur noch ums Suchen und Bergen.»
Daniel Zemp, Polizeitaucher

Im Boothaus lagern auch die Hilfsmittel, die für die Taucheinsätze benötigt werden. So gibt es hier nebst Seilen, Bojen und Plachen für die Bergung von grossen und schweren Gegenständen auch jede Menge Lampen, Unterwassergehäuse für Kameras und sogar Motorsägen für das Eis.
 
Bei einem Einsatz geht es schnell und jeder Handgriff muss sitzen. Überlegen, wo sich was befindet, liegt da nicht mehr drin. In einer Viertelstunde ist Zemp fertig angezogen und handlungsfähig. Mit dem Boot lässt er sich auf den See fahren. Die Tauchfahne wird gehisst, das Zeichen, dass hier getaucht wird. Ein Schritt vom Bootsrand und Zemp ist im Wasser.
 
Jetzt im Sommer wird das Wasser kälter, je tiefer er taucht. Ab 40 Metern Tiefe ist das Wasser permanent 4 Grad kühl. «Im Winter ist es im Wasser meist wärmer als an der Luft», sagt Zemp.
 
Die Taucher werden bis zu einer Tiefe von 20 Metern (1-Stern-Polizeitaucher) und bis 40 Metern (2-Stern-Polizeitaucher) eingesetzt. Muss tiefer als 40 Meter getaucht werden, kommt eine Unterwasserkamera zum Einsatz. Dazu arbeitet die Wasserpolizei mit der Seepolizei der Kapo Zürich oder dem Tauchsportverein Poseidon zusammen, welche die technischen Gerätschaften zur Verfügung haben.

Im Sommer die meisten Einsätze

Die meisten Unfälle finden in der Saison zwischen April und Oktober statt. Daher ist auch die Wasserpolizei in dieser Zeit vor Ort am Vierwaldstättersee stationiert. Das macht Sinn, ist er doch das Gewässer, an und auf dem sich im Sommer die meisten Personen aufhalten.
 
Ab und zu hilft Daniel Zemp ungeschickten Böötlern, die sich selber in Seenot bringen, weil sie sich selber mit dem Tau ihres Bootes manövrierunfähig gemacht haben. «Wir tauchen unter das Boot und lösen das Seil aus der Schiffsschraube. Wenn sich Gewitterwolken nähern oder ein Sturm aufzieht, geraten die Leute in Panik. Beim Versuch rasch an Land zu gelangen, ist die Trosse dann schnell ins Wasser gefallen.»
 
Vielfach gehen auch falsche Alarme ein. Im Rotsee fanden Badegäste einen angeblichen Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg, der sich aber als Blumenvase herausstellte. Aber auch schon echte Handgranaten sind zum Vorschein gekommen. «Von Regenschirmen über Velos finden wir in den Seen praktisch alles», sagt Zemp.
 
Andererseits kann Zemp auch von gruseligen Erlebnissen erzählen: Bei der erfolglosen Suche nach einer Leiche, war das Team schon bereit für die Rückfahrt, als sich der Anker verfing. Zemp musst nochmals in die Tiefe, um den Anker zu lösen. Während dieser Aktion berührte ihn aus dem Nichts plötzlich eine Menschenhand im Gesicht. Es war die Hand der Leiche.

Bei ungünstigen Verhältnissen kann eine Suche bis zu einer Woche dauern. Obwohl er seine Arbeit gerne macht, räumt Zemp ein, dass manche Einsätze körperlich und psychisch belastend sind. «Am Schlimmsten ist es nicht bei Kälte, sondern wenn die Sichtverhältnisse eingeschränkt sind. Dazu kommt die Ungewissheit, was einen unten erwartet.»

NÄCHSTEN DIENSTAG: Ein Arbeitstag in den 3 Grad kalten Migros-Lagerhallen.

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