Neues Luzerner Theater und die Angst vor dem Scherbenhaufen
Die Verantwortlichen des Prestigeprojekts in der Stadt Luzern sind über die Bücher gegangen. Die heftige Kritik zwingt die Stadt dazu, das neue Theater umfassend zu überarbeiten. Die Sorge vor einem Scheitern ist gross.
Das Siegerprojekt für das neue Luzerner Theater sorgte in der Stadt wochenlang für Diskussionen. Der Entwurf «überall» des Zürcher Architekturbüros Ilg/Santer löste teils vernichtende Kritik aus. In manchen Kommentarspalten meinten Leserinnen, dass der Bau an der Urne nie eine Chance haben wird (zentralplus berichtete). Es wäre das nächste kulturpolitische und städtebauliche Fiasko nach der leidigen Geschichte um die Salle modulable.
Ein Szenario, das die Stadt auf alle Fälle verhindern will. An einem Mediengespräch am Montagvormittag orientierten die Verantwortlichen über das weitere Vorgehen. Stadtpräsident Beat Züsli gab bekannt, dass das Projekt überarbeitet wird. «Es ist völlig normal, dass das Siegerprojekt nach einem Wettbewerb noch angepasst wird», erklärte der Stadtpräsident. Dennoch überrascht, in welchem Umfang das neue Theater überarbeitet werden soll.
Grosser Saal soll verkleinert werden
Es handelt sich vorerst nur um Ideen zur Prüfung. Diese Liste ist lang. Unter anderem soll der grosse Saal verkleinert werden. Ob es im Dachstock des alten Theaters ein Restaurant braucht, stellt die Stadt infrage. Auch die Fassade aus Metallschindeln, ein wesentliches Element des neuen Theaters, steht auf der Kippe. Zudem wird die Lage des mittleren Saals und des Studios, das im heutigen Theatergebäude vorgesehen war, überprüft.
Zusammengefasst stehen die Projektverantwortlichen – dazu zählen die Stadt, die Stiftung Luzerner Theater, die Projektierungsgesellschaft für das neue Theater und die Architekten – vor der ebenso schwierigen wie heiklen Frage: Wie lässt sich das Theater überarbeiten, sodass es auch einer breiteren Öffentlichkeit gefällt, ohne dass die Qualitäten des Siegerprojekts geschwächt werden?
Rosie Bitterli Mucha, Projektleiterin bei der Stadt für ein neues Luzerner Theater, hebt zwei «Dosenöffner» hervor. Der grosse Saal und das geplante Restaurant im Dachstock des Theaters. Dort bestehe der grösste Hebel, um das Projekt zu überarbeiten und kleiner zu dimensionieren.
«Das Wesen und die Seele des neuen Gebäudes werden wir nicht verändern.»
Pascal Hunkeler, Stadtarchitekt
Wird beispielsweise der grosse Saal verkleinert, ist eine Reduktion des gesamten Gebäudevolumens möglich. So entsteht mehr Raum zwischen dem Theater und der Jesuitenkirche, was einer der meistgenannten Kritikpunkte der Öffentlichkeit am ersten Projektentwurf war.
Die Stadt hält am Projekt fest
Doch der grosse Saal ist gleichzeitig das Herzstück eines jeden Theatergebäudes. Eine Verkleinerung muss hier darum besonders vorsichtig erfolgen. Zumal der Spielraum für Veränderungen begrenzt ist. Im ersten Entwurf war ein Saal mit 600 Plätzen geplant. Der heutige Saal hat rund 480 Plätze. Zudem wirkt sich jede noch so kleine Anpassung direkt auf das Gesamtprojekt aus. Stadtarchitekt Pascal Hunkeler stellt in diesem Zusammenhang darum klar: «Das Wesen und die Seele des neuen Gebäudes werden wir nicht verändern.» Er sagt aber auch: «Wir werden nicht nur im Feinbereich Anpassungen vornehmen.»
«Es muss möglich sein, die Stadt weiterzuentwickeln. Ohne Entwicklung ist die Innenstadt irgendwann tot.»
Beat Züsli, Stadtpräsident
Auffallend ist, dass die Stadt wesentlich grössere Änderungen am Projekt empfiehlt als die Wettbewerbs-Jury. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Verantwortlichen die Kritik ernst nehmen und darauf eingehen wollen. Das betonte Stadtpräsident Beat Züsli am Mediengespräch mehrmals. «Die heftigen Diskussionen zeigen, dass die Luzerner ihre Stadt lieben.» Das sei erfreulich und biete für die Überarbeitung des Projekts eine grosse Chance.
Gleichzeitig hob Züsli die Qualitäten des Projekts «überall» hervor. Die Stadt sei nach wie vor davon überzeugt und halte daran fest – auch wenn es den Theaterplatz in seiner heutigen Form dann nicht mehr geben wird. «Es muss möglich sein, die Stadt weiterzuentwickeln. Ohne Entwicklung ist die Innenstadt irgendwann tot.» Gerade im Hinblick auf den heutigen Theaterplatz betonte er, dass im Foyer des neuen Theaters einen neuer, öffentlicher Begegnungsort geschaffen wird. Eine Qualität, welche die Stadt bis jetzt aber noch kaum hervorgehoben hat. So räumt auch Züsli ein, dass die Stadt den öffentlichen Nutzen des Neubaus noch mehr betonen muss, sodass das neue Theater nicht nur eingefleischte Theaterfans überzeugt.
Beschwerden verzögern das Projekt
Unglücklich ist aus Sicht der Stadt, dass das Projekt aufgrund der eingegangenen Beschwerden nach wie vor blockiert ist (zentralplus berichtete). Die geplante Überarbeitung ist aber erst möglich, wenn die Beschwerden abgeschlossen sind. Darum kommt es im Zeitplan zu einer Verzögerung.
Ursprünglich hat der Stadtrat vorgesehen, beim Parlament noch in diesem Sommer einen neuen Projektierungskredit in der Höhe von acht bis zehn Millionen Franken zu beantragen. Daraus wird nun nichts. Frühstens kann das Parlament Ende dieses Jahres oder Anfang 2024 über diesen nächsten Projektschritt beraten. Dieser Zeitplan hängt davon ab, ob die Beschwerden womöglich bis ans Bundesgericht weitergezogen werden.
Ein weiterer Grund für Verzögerungen liegt beim Parlament selbst. Der Stadtrat hält es für wahrscheinlich, dass im Grossen Stadtrat das fakultative Referendum gegen den Projektkredit ergriffen wird. Somit würde die Stimmbevölkerung schon ein erstes Mal über das neue Theater abstimmen, bevor auch nur ein einzelner Bauplan gezeichnet ist.
Eine solche Abstimmung wäre die nächste Bewährungsprobe für das neue Luzerner Theater. Wird der Projektkredit angenommen, folgt die grösste Hürde dann einige Jahre später, wenn die Stadt über den Baukredit von rund 120 Millionen Franken abstimmt. Die Stadt hofft, mit den Überarbeitungen ein mehrheitsfähiges Projekt zu planen – doch dafür braucht es noch jede Menge Überzeugungsarbeit. Gelingt das nicht, stehen die Verantwortlichen vor einem Scherbenhaufen.
- Teilnahme am Mediengespräch
- Website Projekt neues Luzerner Theater