Ukraine-Flüchtlinge müssen in den Bunker

So viele Wohnangebote hat der Kanton Luzern ausgeschlagen

Die Wohnbaugenossenschaft Luzern hat dem Kanton Luzern 80 Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt – gemäss Präsident Andy Bucher dürfen sie sicher bis Ende Jahr bleiben. (Bild: PLU)

Der Krieg in der Ukraine hört nicht auf. Der Kanton Luzern bringt jetzt wieder Flüchtlinge in unterirdischen Asylunterkünften unter – dabei hat er diverse Angebote für Wohnungen bekommen. Nur: Die Mühlen der Behörden mahlen (zu) langsam.

Der Krieg in der Ukraine bewegt die Luzernerinnen. 343 Menschen haben sich beim Kanton gemeldet und Flüchtlingen ein Zuhause auf Zeit angeboten. Teilweise waren es gleich mehrere Mietobjekte. Die Wohnbaugenossenschaft Luzern etwa hat dem Kanton Luzern auf einen Schlag 80 Wohnungen für Flüchtlinge an der Libellenstrasse zur Verfügung gestellt (zentralplus berichtete).

Trotzdem reicht es nicht: «Der Kanton und Private können die hohen Zahlen nicht mehr alleine bewältigen», schreibt der zuständige Regierungsrat Guido Graf am Freitag in seinem Blog. Heisst: Wie schon 2015 werden wieder Flüchtlinge in Bunkern untergebracht und an die Gemeinde verwiesen. Ein Vorstoss, der diese Praxis kritisierte, hat der Kantonsrat diese Woche abgelehnt (zentralplus berichtete).

Wohnungen angeboten – und dann 42 Tage Funkstille

Gibt es keine bessere Lösung als die teils traumatisierten Menschen in Zivilschutzanlagen ohne Tageslicht unterzubringen? Das fragt sich der Luzerner Marco Frei. Er hat dem Kanton Luzern Ende April mehrere Wohnungen für Flüchtlinge im Sternmattquartier angeboten – und seither nichts mehr gehört.

«Hätte der Kanton gleich reagiert, hätte ich für mindestens ein halbes Jahr eine Lösung anbieten können.»

Marco Frei

«Ich plane einen Ersatzneubau, der sich durch Einsprachen verzögert», sagt Frei gegenüber zentralplus. Die meisten Mieter seien schon ausgezogen. «Ich kann nicht verstehen, dass Flüchtlinge in Bunkern leben müssen, während meine Wohnungen leer stehen.»

Die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) bestätigt, das Angebot von Marco Frei erhalten zu haben. Am 9. Juni habe ein Mitarbeiter bei ihm angerufen und auf der Combox um einen Rückruf gebeten – nach 42 Tagen Funkstille. Darauf habe dieser nicht reagiert.

In dieser Liegenschaft hat Marco Frei dem Kanton Luzern Wohnungen für Flüchtlinge angeboten.

Ein Drittel der Angebote ist verfallen oder ungeeignet

Tatsächlich war Marco Frei zu dem Zeitpunkt in den Ferien – er ist erst seit wenigen Tagen zurück. Er erfährt erst von zentralplus, dass der Kanton Luzern doch Interesse hat. Er hat nächste Woche ein Treffen mit dem Architektenteam. Wenn der Umbau erst im Herbst losgeht, wird er sein Angebot erneuern. «Hätte der Kanton gleich reagiert, hätte ich für mindestens ein halbes Jahr eine Lösung anbieten können», meint Frei.

«Grundsätzlich ist es richtig, dass die Unterbringung in Wohnungen vorzuziehen wäre.»

Dienststelle für Asyl- und Flüchtlingswesen

Wenn Angebote wochenlang ignoriert werden, wundert es nicht, dass Hausbesitzerinnen nach anderen Lösungen suchen. Leerstände muss man sich leisten können – zudem sind sie politisch umstritten (zentralplus berichtete). Auf mehr als ein Drittel der 343 Wohnangebote ist der Kanton Luzern nach aktuellem Stand nicht eingegangen (konkret: 118). Und zwar, weil diese in der Zwischenzeit entweder zurückgezogen wurden – oder weil die Wohnungen nicht geeignet sind, wie der Kanton auf Anfrage schreibt.

Wohnungen decken den Bedarf nicht, sagt der Kanton Luzern

«Grundsätzlich ist es richtig, dass die Unterbringung in Wohnungen vorzuziehen wäre», räumt die Dienststelle für Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) ein. Für die Aufarbeitung der Wohnangebote «konnte nun auch zusätzliches Personal rekrutiert werden», heisst es auf Anfrage.

Da gemäss Prognosen vom Bundesamt für Migration (SEM) pro Woche aber weiterhin rund 100 Personen aus der Ukraine in den Kanton Luzern kommen, seien Grossunterkünfte in Zivilschutzanlagen zur Überbrückung unumgänglich. «Alleine die Anmietung von Wohnungen kann den Bedarf an Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge nicht decken», heisst es in der Mail der DAF.

Container mit Tageslicht: Kanton Luzern winkt ab

Im Hinterschlund steht eine Wagenburg – die Stadt Luzern schlug vor, dort Wohncontainer für Flüchtlinge aufzustellen. (Bild: Stadt Kriens)

Bei Wohnungen stellt der Kanton Luzern den Anspruch, dass sie «genügend Tageslicht» für Flüchtlinge bieten. In den unterirdischen Zivilschutzanlagen ist daran nicht zu denken. Der Kanton Zug setzt deshalb auf Containersiedlungen (zentralplus berichtete).

Auch in Luzern gäbe es dafür Platz: Die Stadt hat dem Kanton bereits im März angeboten, auf dem Areal Hinterschlund eine Unterkunft zu bauen (zentralplus berichtete). Die Dienststelle DAF hat diese Idee jedoch verworfen, wie sie auf Anfrage von zentralplus schreibt. Zu den Gründen äussert sie sich nicht. «Aktuell prüfen wir verschiedene Projekte auf dem Standort Hinterschlund», heisst es auf Anfrage lediglich.

Die 300 Menschen im Libellenhof dürfen bleiben

Es gibt aber auch Erfolge bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu verzeichnen: In Nottwil entsteht demnächst eine Containersiedlung für 70 Personen (zentralplus berichtete). Und auch aus der Stadt Luzern kommen positive Signale. Die Wohnbaugenossenschaft Luzern stellt ihre Wohnungen am Libellenhof nicht nur bis Anfang Juli zur Verfügung.

«Wir haben hier Menschen, die interessiert daran sind, eine neue Sprache und eine neue Kultur kennenzulernen.»

Andy Bucher

«Die Leute können bis Ende Jahr bleiben, das haben wir so entschieden», sagt Präsident Andreas Bucher auf Anfrage. «Auch wenn wir natürlich hoffen, dass es die Wohnungen bald nicht mehr braucht und der Krieg endet.»

In den sieben Liegenschaften der Genossenschaft sind inzwischen 76 Wohnungen besetzt. Insgesamt wohnen 300 Ukrainer im Libellenhof. «Meistens sind es zwei Parteien pro Wohnung. Das bietet mehr Intimität als die grossen Unterkünfte – und es hat für den Kanton Luzern den Vorteil, dass er die Menschen zentral betreuen und unterstützen kann», so Bucher.

Bisher habe es keinerlei negative Rückmeldungen gegeben. Wenn es Probleme gab – wie beispielsweise bei der Abfalltrennung – seien diese leicht zu lösen gewesen. «Wir haben hier Menschen, die interessiert daran sind, eine neue Sprache und eine neue Kultur kennenzulernen – und die etwas erreichen wollen», erzählt Bucher.

Wohnungen für Flüchtlinge: Das brauchts für den Kanton Luzern

Für die Unterbringung für geflüchtete Ukrainerinnen muss der Wohnraum gemäss dem Kanton Luzern folgende Anforderungen erfüllen:

  • Der Wohnraum muss über eine notwendige und funktionstüchtige Infrastruktur verfügen, die Folgendes beinhaltet: Kochherd, Backofen, Kühlschrank, Warmwasser, WC, Dusche oder Badewanne, Zugang zu einer Waschmaschine, Wäschehängeplatz oder Tumbler, Heizung.
  • Bewohn- und zumutbarer Wohnraum bedeutet, dass das Mietobjekt keine Mängel wie z. B. unzureichende Raumtemperatur, übermässige Feuchtigkeit/Wassereintritt, defekte Elektroleitungen oder nur unzureichendes Tageslicht aufweist.
  • Eine Distanz von maximal 30 Gehminuten bis zum nächsten Anschluss an den öffentlichen Verkehr ist zumutbar.
  • Telefon-/TV-Anschlüsse sind nicht Standard, aber in der Regel vorhanden.
Verwendete Quellen
  • E-Mail-Austausch Kommunikationsstelle DAF
  • Telefonat mit Andreas Bucher
  • Telefonat mit Marco Frei
  • Wort zum Freitag von Guido Graf
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