5'000 Schutzsuchende bis Sommer erwartet

Wieso Luzern bei der Unterbringung in Gastfamilien zögert

Für die Unterbringung der ukrainischen Flüchtlinge sind auch die Gemeinden gefordert, so der Stadtluzerner Sozialdirektor Martin Merki. (Bild: mik)

Der Kanton Luzern rechnet bis im Sommer mit deutlich mehr ukrainischen Flüchtlingen, als bis vor kurzem erwartet. Um das bewältigen zu können, setzt er unter anderem auf pensionierte Lehrerinnen und unkonventionelle Unterkünfte. Bei Gastfamilien ist derweil Geduld gefragt.

Die Luzerner Behörden sind gefordert: Täglich kommen derzeit im Schnitt 30 ukrainische Kriegsflüchtlinge im Kanton Luzern an. Diesen Donnerstag haben die Regierungen von Stadt und Kanton Luzern über den aktuellen Stand der Dinge informiert. Zur Erinnerung: Der Regierungsrat hat vor einer Woche die Notlage erklärt und den Kantonalen Führungsstab mit der Koordination der Arbeiten betraut (zentralplus berichtete).

Damit kommt der Führungsstab nach der Corona-Krise zum zweiten Mal innert zweier Jahre zum Einsatz. «Zum zweiten Mal haben wir auch die Situation, dass wir im Sprintmodus in die Krisenbewältigung starten und uns gleichzeitig auf einen Marathon einstellen müssen», sagte Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf am Donnerstag.

Die Dauer und die Folgen des Krieges in der Ukraine seien nicht absehbar. Guido Graf: «Wir alle, inklusive die ukrainischen Schutzsuchenden, hoffen auf eine schnelle Rückkehr in die Ukraine. Wenn das nicht möglich ist, müssen wir die Frage der Lancierung von Integrationsmassnahmen neu beurteilen.»

Bisher stehen 530 Unterkunftsplätze zur Verfügung

Bisher stehen im Kanton Luzern 530 Unterkunftsplätze bereit. Unter anderem in der Marienburg in Wikon, im alten Kindergarten Malters, im Libellenhof im Stadtluzerner Maihofquartier, auf dem Areal des Klosters St. Urban und in den Personalwohnhäusern des Luzerner Kantonsspitals in Wolhusen.

Zusätzlich dient die Durchgangsunterkunft Rönnimoos in Luzern als Notunterbringung. Die Durchgangsunterkunft Utenberg sowie die Mehrzweckhalle Allmend in Luzern werden als weitere Notunterbringungsmöglichkeiten vorbereitet. Dass der Kanton unterirdische Bunker reaktiviert, hat bereits für Kritik gesorgt (zentralplus berichtete).

Auf dem Inseli beim Bahnhof Luzern betreibt die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) seit Montag eine Anlaufstelle für Schutzbedürftige, die aus den Bundesasylzentren dem Kanton Luzern zugewiesen werden (zentralplus berichtete).

«Wir lassen die Gastfamilien nicht allein»

Wie viele ukrainischen Flüchtlinge bei Privaten unterkommen, kann der Kanton nicht abschätzen. «Wir lassen die Gastfamilien nicht allein», betont Guido Graf jedoch. Deshalb appelliere er an Ukrainerinnen, die bereits hier sind, sich registrieren zu lassen. Damit könne die DAF sicherstellen, dass sie Unterstützung leisten können, die Versicherung geregelt ist und die Kinder eingeschult werden.

Trotz der grossen Bereitschaft der Luzernerinnen, Geflüchtete aufzunehmen, lässt sich der Kanton Zeit bei der Zuteilung zu Privaten. Der Gesundheits- und Sozialdirektor begründet dies damit, dass höchste Sorgfalt gefragt ist: «Es kann nicht sein, dass wir jemanden bei Privaten unterbringen, die Kinder bereits eingeschult sind und dann funktioniert es zwischen der Gastfamilie und den Flüchtlingen nicht.»

Die DAF versuche deshalb nun Angebote zu lancieren, in denen sich die potenziellen Gäste und die Gastfamilie schon vorher kennenlernen. «Wenn sie sich dann verstehen, haben wir eine hohe Sicherheit, dass die Wohnsituation funktioniert.» Als zusätzliche Sicherheit will der Kanton die finanzielle Unterstützung nur den Flüchtlingen selbst ausbezahlen. Wenn die DAF dann jemanden bei einer Gastfamilie einquartiert, lege man vorher vertraglich fest, für welche Leistungen der Gastfamilie die Flüchtlinge mit den Unterstützungsgeldern aufkommen müssen.

Fast 100 ukrainische Schulkinder sind bereits hier

Bisher sind im Kanton Luzern rund 95 schulpflichtige Kinder eingetroffen. Davon 56 in den Gemeinden und 39 im neuen Zentrum in St. Urban. Sie gehen in der Gemeinde zur Schule, in der sie wohnen und erhalten zusätzlich auch Unterricht in Deutsch als Zweitsprache. Die Kosten übernimmt der Kanton, wie er in einer Mitteilung schreibt. Damit genügend Lehrpersonen zur Verfügung stehen, sollen für befristete Einsätze bis zu den Sommerferien pensionierte Lehrpersonen gewonnen werden.

«Ich zähle darauf, dass wir den Geflüchteten auch mittel- und langfristig unsere Solidarität zeigen.»

Guido Graf, Regierungsrat

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ist ursprünglich davon ausgegangen, dass bis Anfang Juni rund 50’000 Personen schweizweit den Schutzstatus beantragen werden. Doch wie Guido Graf erzählt, habe das SEM die Zahl inzwischen massiv nach oben korrigiert. Man gehe neu davon aus, dass bis zu 100’000 Ukrainerinnen in der Schweiz Schutz suchen werden. Gemäss Verteilschlüssel übernimmt der Kanton 4,8 Prozent von ihnen. Aufgrund dieser Prognose erwartet die DAF, dass dem Kanton Luzern in diesem Zeitraum bis zu 5’000 Personen zugewiesen werden. Erst noch Anfang dieser Woche sprach Graf im Kantonsrat von der Hälfte (zentralplus berichtete).

Regierungsrat Guido Graf bedankte sich am Donnerstag sich bei den Luzerner Gemeinden und der Bevölkerung für ihre bisherige tatkräftige Unterstützung bei der Krisenbewältigung. «Ich zähle darauf, dass wir den Geflüchteten auch mittel- und langfristig unsere Solidarität zeigen.»

Entsteht auf dem Hinterschlund eine Container-Siedlung?

Die Stadt Luzern unterstützt den Kanton bei der Suche nach Unterkünften und vermittelt entsprechende Anbieter. Stadtrat Martin Merki: «Wir leiten der Dienststelle Asyl und Flüchtlingswesen auch Hinweise für freie Grundstücke weiter, wie zum Beispiel eine Teilfläche des Areals Hinterschlund, welche etwas mehr als zwei Fussballfelder gross ist.» Um allen Schutzsuchenden ein Dach über dem Kopf zu bieten, könnte da beispielsweise eine Container-Siedlung entstehen.

«Es ist wichtig, einerseits die Potenziale der geflüchteten Menschen einzubeziehen, andererseits ihnen auch einen geschützten Raum für persönlichen Austausch anzubieten.»

Martin Merki, Stadtrat

Die Stadt begleitet und koordiniert zudem Unterstützungsangebote zivilgesellschaftlicher Organisationen. So zum Beispiel die der Caritas, der reformierten und der katholischen Kirche sowie weiterer Treffpunkte für Einheimische und Flüchtlinge, darunter das Lili Centre oder die Kunstbox in Reussbühl. Zudem könne die Stadt auf bereits lancierte Flüchtlingsinitiativen wie «Hello Welcome» zählen, die für die Flüchtlingsbewegungen 2015 gegründet wurden.

Derartige Angebote würden wertvolle Arbeit bei der Betreuung und Begleitung der Flüchtlinge aus der Ukraine leisten. «Es ist wichtig, einerseits die Potenziale der geflüchteten Menschen einzubeziehen, andererseits ihnen auch einen geschützten Raum für persönlichen Austausch anzubieten», erklärt Martin Merki.

Die Stadt Luzern ist im Kantonalen Führungsstab vertreten. Neu hat sie auch den Gemeindeführungsstab einberufen, der sich der Bewältigung der Krise annimmt. Die zwischenzeitliche Einsatzorganisation wurde deshalb wieder aufgelöst.

Zwei zusätzliche Aufnahmeklassen eröffnet

Man wolle mithelfen, dass sich die geflüchteten Menschen willkommen fühlten in der hoffentlich kurzen Zeit, in der sie in der Schweiz Schutz benötigen, so Merki. In der Volksschule der Stadt Luzern werden für Flüchtlingskinder aus der Ukraine vorerst zwei zusätzliche Aufnahmeklassen eröffnet: eine Klasse im Schulhaus Hubelmatt und eine in der Schule Utenberg. Die Klassenzimmer werden diese Woche vorbereitet.

Den Kindern und Jugendlichen stehen auch die städtischen Sportkids-Angebote zur Verfügung. Die Stadt Luzern begrüsst zudem, dass viele Vereine offen sind, Menschen aus der Ukraine aufzunehmen. Martin Merki: «Aus unserer Sicht ist dies für die Flüchtenden enorm wichtig, auch wenn sie womöglich nur kurz mit dabei sind. Wir sind überzeugt, dass davon alle profitieren, die Ukrainerinnen und Ukrainer wie auch die Luzernerinnen und Luzerner.»

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