Für – fast – alle ist was dabei

So futterst du dich durch die Luzerner Fasnacht

An der Bahnhofstrasse stehen die Essstände dicht an dicht. (Bild: cbu)

An der Luzerner Fasnacht wird nicht nur viel gefeiert und getanzt, sondern auch gegessen und gebechert. zentralplus hat sich zwischen Kostümen und Alkoholdunst an der Fressmeile umgesehen.

Am Donnerstag in der Früh erklang der Startschuss. Die Luzerner Fasnacht 2024 ging mit einem Knall los – buchstäblich. Und sorgt nach all diesen Jahrzehnten der Luzerner Fasnachtstradition immer noch für Gänsehaut – und fragende Blicke (zentralplus berichtete).

Der Andrang ist – wenig überraschend – riesengross. Im vergangenen Jahr strömten rekordverdächtige 314’000 Menschen an die Fasnacht. Das dürfte heuer nicht anders aussehen. Und die Leute bringen nicht nur bunte Kostüme, gebastelte Grinde und Stimmung mit sich, sondern auch Hunger und Durst (zentralplus berichtete). Entsprechend gibt es in den Gassen und Plätzen der Stadt Luzern eine Vielzahl von Verpflegungsständen.

In der Luzerner Altstadt findet man vor allem an offenen Gebieten wie dem Mühlenplatz und dem Kapellplatz Buden, die Fasnachtsgängern Verpflegung anbieten. Die wahre «Fressmeile» liegt jedoch auf der anderen Seite der Reuss entlang der Bahnhofstrasse. Das grosse Angebot macht allerdings nicht alle glücklich (zentralplus berichtete).

Als Gastronomieredaktor sah ich es als meine «heilige Pflicht» an, das lokale Standangebot auszukundschaften, und ich habe mich dementsprechend ins Getümmel gestürzt. Der Haken: Ich bin absolut kein Fasnächtler. Kein bisschen.

Erst wird Resistenz angetrunken

Dementsprechend ging mir schon am Bahnhof der Laden runter. Das Gedränge am Wochenende ist brutal. Schon nach wenigen Metern in der Bahnhofstrasse gibt es kaum noch ein Durchkommen. Um mir halbwegs einen Überblick zu verschaffen, stelle ich mich etwas abseits zwischen zwei Fasnachtswagen. Und ich bin nicht allein.

Neben mir steht ein als Häftling verkleideter Mann, der hemmungs- und beinahe besinnungslos ein Lied von Bob Marley mitsingt, das aus einer Box scheppert. Und das in so schiefen Tönen, dass selbst Marleys kompletter Ganja-Vorrat nicht gereicht hätte, den «Gesang» erträglich zu qualmen. Egal, es ist Fasnacht, da gehören krumme Töne dazu. Wenige Meter später wird der katzvolle Karaoke-Knasti sowieso von einer Melange aus Schlager, Rockklassiker und Guuggenmusig übertönt.

Viele Leute, viele Stände. Die Bahnhofstrasse gilt an der Fasnacht als «Fressmeile». (Bild: cbu)

Aber die Sache mit den benebelten Sinnen scheint mir plötzlich ziemlich schlüssig. Als klassischer Fasnachtsmuffel erhoffe ich, mir damit etwas Resistenz anzutrinken, um meine Expedition durchzustehen. Ich stelle mich hinter Captain Jack Sparrow in die Schlange einer der zahlreichen Stände, die mit Flüssignahrung locken. Nebst Bier und Prösi gibt es hier auch die üblichen Fasnachtsverdächtigen Holdrio, Kafi Luz und Fröschli. Für sechs Franken ergattere ich mir einen Holdrio – Premiere für mich – und nippe vorsichtig an dem dampfenden Gesöff. Es ist süss, es ist warm, und vermutlich knallt es zügig rein. Zufrieden mit meinem Kauf ziehe ich weiter.

Rambazamba auf dem Theaterplatz

Wenige Meter später, ich lese gerade auf meinem Handy nach, was Baumstriezel sind (ein süsses Hefeteiggebäck), die der Stand vor mir feilbietet, rempelt mich ein zwei Meter grosses Pikachu an und verschüttet gute zwei Franken meines Holdrios über meinen Handrücken. Besten Dank auch, du gelbes Elend. Der Pegelstand meiner strapazierten Nerven ist jetzt höher als jener in meinem Plastikbecher, trotzdem halten mich ausgefallene Kostüme und die generelle Übersättigung an Klang, Bild und Geruch bei Laune. Noch.

Wer am Theaterplatz Nahrung sucht, braucht Geduld – oder starke Ellenbogen. (Bild: chb)

Das gastronomische Angebot ist durchaus vielseitig, zwischen den Ständen gibt es immer wieder geschmückte Wagen, die Getränke ausschenken – in der Regel welche, die Promille versprechen. Eine schwarze Burgerbude auf dem Theaterplatz lockt, einem Wasserloch in der Wüste gleich, Unmengen hungrige und durstige Mäuler an. In die Nähe dieser Futterstätte zu kommen, ist keine leichte Aufgabe. Ich gehe also weiter.

Dicht an dicht mit der Federfrau

Auf dem Jesuitenplatz kommt meine Pilgerreise zu einem abrupten Stopp. Auf einer Tribüne spielt eine Guuggenmusig und zieht die Leute in Scharen an. Nur rechts, an der Reuss entlang, hat sich eine schmale Gasse gebildet, wo Leute in einer Einerreihe zum Reusssteg gelangen. Mit vorgehaltener Hand behüte ich den traurigen Rest meines Holdrios wie ein rohes Ei und «träbele» in kleinen Babyschritten hinter einer bunt geschminkten Frau höheren Alters her, deren Federhut mein Gesicht kitzelt.

So eng zusammengepfercht war ich zuletzt in der Feuerzone eines Rammstein-Konzerts, hier ist das «Gstungg» aber bereits nach wenigen Minuten vorbei, und ich kann auf der Reussbrücke kurz durchatmen. Und den Rest meines Holdrios kippen. Hier verkauft ein Stand Pizzastücke. Reizvoll, aber ich möchte meinen Hunger nicht vorzeitig stillen. Schliesslich habe ich noch eine Stadtseite vor mir.

Am Mühlenplatz angekommen, bietet sich mir ein imposantes, aber auch erschreckendes Bild. So voll habe ich den Platz noch nie in meinem Leben gesehen. Ein Durchkommen scheint absolut unmöglich. Auch hier sorgt eine bejubelte Guuggenmusig für Stimmung. Ich weiss, dass es hier ebenfalls Verpflegungsstände gibt – ich sehe sie schliesslich über die Köpfe der wippenden Menge hinweg bei der Spreuerbrücke –, aber nichts könnte mich dazu bringen, mich da durchzuquetschen.

Beim Mühlenplatz gilt Gandalfs Spruch: «Du kommst nicht vorbei!» (Bild: chb)

Der Weg die Rössligasse hinauf ist zwar auch voll, aber immerhin kommt man hier durch. Essstände gibt es hier keine, und sie sind auch nicht nötig. Lokale Betriebe wie das Restaurant Rokka und die Twiny Station bieten hier ihre Speisen und Getränke an und stossen auf Anklang.

Es geht um die Wurst

Etwas weiter oben muss ich mich an die Fassade der Häuserzeile drücken, um einer Guuggenmusig Platz zu machen. Neben mir sitzt eine Mutter in der Hocke und spricht auf ihren kleinen Bub ein. Dieser sitzt mit gespreizten Beinen am Boden und starrt mit erschöpftem Blick ins Leere. Ich fühle mit dir, Kleiner. Ein Magenbrot aus Mamas Hand holt ihn schliesslich in die Gegenwart zurück und zaubert ein Lächeln auf sein Gesicht.

Ich entscheide mich, meinen Rundgang am Kapellplatz ausklingen zu lassen. Mit einer Bratwurst und einem Mutschli. Wie viele Würste hier während der Fasnacht über die Theke gehen? Der sehr beschäftigte Verkäufer vermag es nicht zu sagen – oder hat meine Frage nicht recht verstanden, weil unweit eine Guuggenmusig ihr Repertoire zum Besten gibt. Er zuckt mit den Schultern und schüttelt den Kopf. Ich trete vom Stand weg, denn hinter mir wartet bereits ein hungriges Trio im Steampunk-Look.

Lust hätte ich jetzt höchstens noch auf ein Dessert – wie etwa einen Baumstriezel. Aber allein die Vorstellung, mich dafür noch einmal durch die Menge auf die andere Stadtseite zu schlängeln, ersäuft jede Schnauselust in einem Eimer voller nassem Konfetti. Und vielleicht treibt da noch immer ein rempelfreudiges Pikachu sein Unwesen und wartet nur darauf, meinen Striezel auf den Boden zu klatschen.

Ein Fest für Karnivoren – mehrheitlich

Mein grundsätzliches Fazit zum Standangebot: Fleischfreunde haben an der Luzerner Fasnacht die Qual der Wahl. Praktisch jeder Verpflegungsstand bietet die Klassiker an: Burger, Hotdogs, Bratwurst, Schnitzelbrot. Auch sonst ist für Fans der kalorienhaltigen Küche gesorgt. Etwa beim Raclettestand oder obligaten Chnoblibrot.

Allerdings haben sich auch Stände unter die Menge gemischt, die exotischere Kost anbieten. Etwa griechische Spezialitäten, holländische Gerichte, Thaiküche, Tapas oder tibetische Momos (zentralplus berichtete). Viele dieser Stände bieten auch vegetarische Gerichte an. Schön, nicht nur in kostümtechnischer Hinsicht viel Abwechslung zu sehen.

Düsterer sieht es für Freunde der rein pflanzlichen und fleischlosen Ernährung aus. Haben im Januar, während des Veganuary, zahlreiche Betriebe und Restaurants vegane Alternativen angeboten, muss man sie an den Verpflegungsständen der Luzerner Fasnacht mit der Lupe suchen. Ausser Pommes frites und einigen Wraps ist das Angebot in dieser Hinsicht sehr dürftig.

Letztlich geht es an der Fasnacht aber auch nicht um kulinarische Höhenflüge oder ausgefeilte Kochkunst. Es geht eher ums Zusammensein. Und darum, sich auf weitere Holdrios vorzubereiten. Oder um es in den Worten eines mittelschwer alkoholisierten Mönchs zu sagen, dem ich beim Hirschenplatz begegne: «Bode, Bode isch wichtig», sagt er. «Sehr wichtig», bestätigt seine Partnerin mit Blumentopf-Kopfbedeckung und schaufelt sich geschmolzenen Käse auf die Gabel.

Verwendete Quellen
  • Augenschein vor Ort
  • Gespräche mit Fasnächtlern in verschiedenen Graden der Trunkenheit
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