Ein Selbstversuch – Woche 4

«Veganuary»: Zum Schluss ein lachendes und ein hungriges Auge

Chris Bucher feiert den bald geschafften Veganuary mit einem Cupcake – den er noch nicht essen kann, weil er nicht vegan ist. Dafür schön bunt. (Bild: cbu)

Das vegane Abenteuer neigt sich dem Ende zu. Zeit für den Gastroredaktor Chris Bucher, ein Fazit zu seiner kulinarischen Odyssee zu ziehen. Und um auszuteilen.

Das Ende naht. Vermutlich in mancherlei Hinsicht, garantiert aber im Hinblick auf den Veganuary. Mein kulinarischer, tierproduktfreier Monat (was für eine elend sperrige Umschreibung) ist zwar noch nicht ganz zu Ende und geht noch drei Tage in die Verlängerung, weil ich gesündigt habe, trotzdem erlaube ich mir bereits jetzt, ein Fazit zu ziehen.

Grundsätzlich kann ich sagen: Die vegane Küche ist sehr vielseitig und bietet mit einem Hauch Kreativität unendlich viele und spannende Rezepte – das sieht man auch auf den wechselnden Speisekarten ansässiger veganer Restaurants. Für den «Heimgebrauch» braucht sie aber ebenso eine gehörige Portion Eigeninitiative und Willen. Und für Menschen wie mich, die mit alternativen Fertigprodukten geschmacklich oft Mühe haben, auch das Wissen, auf bestimmte Sachen gänzlich verzichten zu müssen – wie etwa Käse.

Manches bleibt, anderes nicht

Ohne Fleisch kann ich auskommen, kein Problem. Bei anderen Sachen wirds hingegen kritisch. Auch nach vier Wochen erwischte ich mich dabei, wie ich schmachtende Blicke zur Käsetheke oder zu den mit Chemie, Farbstoffen und Aromen vollgepumpten Frühstückscerealien warf. Oder den Freilandeiern. Oder meinem Lieblingsglace. Oder einem simplen Honigbrot. Das dürfte wohl auch der Grund sein, warum ich – Stand heute – nie gänzlich Veganer werde. Allerdings dafür vermehrt Gerichte koche, die ich ohne Veganuary nie kennengelernt hätte.

Einige Gewohnheiten der vergangenen Wochen werden ebenfalls hängen bleiben. Wie etwa, dass statt Schokoriegel neu wohl dauerhaft Dörraprikosen mit gerösteten Kernen auf dem Bürotisch stehen werden. Obschon ich die gegen meine Redaktionskollegin schärfer verteidigen muss als ein Löwe seine Beute gegen ein Rudel hungriger Hyänen.

Ein Umdenken hat stattgefunden – ein bisschen

Mein Selbstversuch hat auch in meinem Umfeld ein kleines Umdenken ausgelöst. Oder zumindest das Bewusstsein geschärft. Als ich vor vier Wochen meiner Familie von meinem Selbstversuch erzählt habe, fiel die Reaktion etwa ähnlich aus, wie wenn ich gesagt hätte, auf dem Hinweg noch eine niedliche Otterfamilie erwürgt zu haben. Später haben selbst sie geschaut, was in den Lebensmitteln drinsteckt, die sie kaufen. Vegane Experimentierfreudigkeit kann ich den meisten zwar nicht attestieren – ist aber auch völlig in Ordnung. Jeder, wie er mag.

Und ich kann mir vorstellen, dass ebendiese Experimentierfreudigkeit nicht selten in einem unbefriedigenden Resultat mündet. Leute, die sich einen Ruck geben und an vegane Gerichte heranwagen, werden wohl in der Mehrheit zuerst Fertigprodukte oder klassische Alternativprodukte austesten und dabei womöglich eine ähnliche Reaktion erleben, wie ich zu Beginn des Monats. Nämlich: «Das schmeckt mir nicht, da bleibe ich lieber beim Original.» Ein zentralplus-Kommentator brachte die Problematik gut auf den Punkt: «Vegan essen bedeutet, anders zu kochen.»

Bauchfett und Geld sind weg

Im Vorfeld des Veganuary habe ich mir vorgenommen, zwei Parameter zu messen und am Ende des Monats zu vergleichen: Gewicht und Ausgaben für Lebensmittel. Beim Gewicht wirds schwammig. Ein Zwischenstand Mitte Januar zeigte mehr an als vor Monatsbeginn. Aktuell ist die Waage gnädiger und gibt an, drei Kilogramm weniger Gastronomieredaktor aushalten zu müssen.

Anders sieht es bei den Finanzen aus. Während sich durchschnittliche Ausgaben für Lebensmittel (inklusive Restaurantbesuche) in den Vormonaten im Schnitt um die 420 Franken bewegen, lagen meine Ausgaben für den Veganuary mit 498 Franken etwas höher. Wobei noch angemerkt werden muss, dass der Löwenanteil der Kohle besonders zu Beginn des Monats für Fertigprodukte und den Grundstock an veganen Zutaten draufging. Mit jeder fortschreitenden Woche wurden die Ausgaben geringer – auch, weil ich oft vorgekocht und damit auf mittägliche Ausflüge ins Restaurant oder den Take-away um die Ecke verzichtet habe.

Der Umsatz dürfte stimmen

Natürlich sind auf Monate basierende Trends wie der «Veganuary» oder «Dry January» ein gefundenes – und wohl auch kalkuliertes – Fressen für den Detailhandel und entsprechende Produkte (ausgenommen sind an dieser Stelle natürlich eigenwillige Auswüchse wie «Movember», wo die Männer ihre Schnäuzer spriessen lassen, oder der «No Nut November», wo die Männer – ach, lassen wir das lieber), aber letztlich schaffen sie auch ein Bewusstsein für die Sache. Dass das nicht überall gut ankommt, ist zu erwarten und logisch.

Ob Restaurants und Läden dank des Trends auf einen erfolgreichen Monat zurückblicken, wird sich zeigen. An mangelndem Marketing dürfte es nicht gelegen haben. An unzähligen Schaufenstern, in Zeitungen, Aktionsheften, Onlinebannern, auf Instagram und anderen Plattformen war der vegane Monat allgegenwärtig. Geht es nach der Präsenz, müsste das Veganuary-Marketing die Sprengkraft eines atomar verstrahlten Riesensauriers aus Japan haben. Wie wirksam sie tatsächlich war, wird Gegenstand einer kommenden Recherche.

Vegane Erkenntnis der Woche: Dörraprikosen mit gerösteten Aprikosenkernen

Veganer Abtörner der Woche: Kommentare à la «Veganer essen meinem Essen das Essen weg». Oder: «Im Veganuary esse ich extra zwei Würste pro Tag.» Höhö, haha. Ehrlich, ich hab Dokus über das Massensterben gesehen, die witziger waren als 99 Prozent dieser spassbefreiten Kalenderkalauer.

«Und, was gönnst du dir als Erstes, wenn es vorbei ist?», fragte mich ein guter Freund vor ein paar Tagen. Tatsächlich werde ich mich weder in ein Milchbad legen noch ein brutzelndes Steak in die Pfanne hauen. Stattdessen bleibe ich ganz bescheiden. Das Produkt meiner Wahl steht bereits im Kühlschrank und wartet nur darauf, geöffnet, mit Müesli garniert, verspiesen zu werden.

Ein simples Schokojoghurt.

Verwendete Quellen
  • Selbstversuch
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Roland Grüter
    Roland Grüter, 29.01.2024, 16:00 Uhr

    0,5% der Bevölkerung leben vegan. Also was soll jeweils dieses Affentheater im Januar?

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