Spezialität aus Tibet

Momos: In Luzern werden Tausende Teigtaschen gefaltet

Kanam (links) und Si (rechts) Dewa leiten das erste tibetische Restaurant in der Stadt Luzern. (Bild: cbu)

An Streetfoodfestivals sind Momos ein Renner. In Luzern ist die tibetische Küche ein versteckter Geheimtipp. Wer aber sucht, wird durchaus fündig im Kanton.

Die Luzerner Gastronomie ist vielseitig. Ob Falafel, Pizza, Mezze oder Ramen – in Luzern werden hungrige Mäuler nebst gutbürgerlicher Schweizer Küche für fast jeden Essenswunsch fündig. In einem zentralplus-Ranking stellte sich heraus, dass es in der Stadt Luzern mehr italienische und asiatische Lokale gibt als solche für Rösti, Bratwurst und Kügelipastete (zentralplus berichtete).

Auf Platz zwei des Rankings landet mit über 40 Restaurants in der Stadt die asiatische Küche. Prominent sind hier Gerichte wie Sushi, Pad Thai oder Poulet süsssauer. Japanische, thailändische oder chinesische Küche ist also gut vertreten. Die tibetische Küche hingegen fristet eher ein Nischendasein auf den Speisekarten asiatischer Lokale. Und rein tibetische Restaurants scheinen noch seltener zu sein.

Wer in Luzern aber genau hinschaut, wird durchaus fündig. Und mit Tenz Momo eröffnete jüngst ein Take-away im Foodcorner des Bahnhofs, der sich gänzlich der tibetischen Nationalspeise verschrieben hat (zentralplus berichtete).

Wie die Momos zu uns kamen

Die Geschichte der tibetischen Küche in der Schweiz ist eng mit der Geschichte Tibets selbst verknüpft. Als China das Land in den 1950er-Jahren annektiert und es 1959 zu einem Volksaufstand kommt, der gewaltsam niedergeschlagen wird, fliehen gemäss Bundesarchiv über 80’000 Tibeterinnen ins Ausland. Die Schweiz nimmt 1961 als eins der ersten Länder tibetische Flüchtlinge auf.

Mit den Flüchtlingen kam auch die Nationalspeise von Tibet in die Schweiz – das Momo. In Tibet gelten die gefüllten Teigtaschen als Festspeise, die an speziellen Anlässen zubereitet werden. Die tibetischen Teigtaschen aus Weizenmehl werden in Tibet vorwiegend mit Yakfleisch zubereitet. In der Schweiz besteht die Füllung je nach Betrieb aus beispielsweise Rindfleisch, Gemüse oder Frischkäse.

Tenz Momo: Von Zürich nach Luzern

Auch Tenzin «Tenz» Tibatsang, der Gründer hinter Tenz Momo, floh im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie aus Tibet. Eine Zeit lang lebte er in einem SOS-Kinderdorf in Indien, bevor er mit neun Jahren mit der Familie in die Schweiz kam. Nach einer Lehre zum Grafiker arbeitete er mehrere Jahre bei einer grossen Werbeagentur in Zürich. Um Kampagnen für Tibet zu finanzieren, fing Tenz an, Momos an Freunde, Mitarbeiterinnen und an kleineren Veranstaltungen zu verkaufen.

2014 bietet er die Teigtaschen am ersten Zürcher Streetfoodfestival an. Später folgte das erste Restaurant in Zürich. Das Team stellt die Momos von Hand beim Hauptsitz in Schlieren her. Hier wurde im Juni des vergangenen Jahres die «Momofaktur» eröffnet.

Tenz Momo betreibt seit September einen Stand am Bahnhof Luzern. (Bild: Leserreporterin)

Das Familienunternehmen expandiert zunehmend in andere Städte. Darunter eben auch Luzern. «Wir sind sehr zufrieden mit dem Start in Luzern», erklärt Tenz-Momo-Geschäftsführer Lobsang Reichlin. «Seit Jahren sind wir immer wieder in und um Luzern an Festivals und Veranstaltungen präsent, das zahlt sich jetzt aus.» Vielen Stadtluzernerinnen dürften die Momos vor allem seit der Präsenz am Luzerner Weihnachtsmarkt Rudolfs Weihnacht ein Begriff sein.

In der asiatischen Küche gibt es verschiedene Arten von Teigtaschen, auch Dumplings genannt. Die tibetische Version, also die Momos, zeichne sich dadurch aus, dass sie als Hauptgericht und nicht als Beilage gereicht würde und deswegen herzhafter sei, so Reichlin.

Obwohl Tenz Momo am Foodcorner kurz nach Start die Massen anzieht, ist der Take-away-Betrieb mitnichten der erste Anbieter von tibetischer Küche in der Stadt Luzern.

Hotel und Restaurant an der Ledergasse in Luzern

Denn seit 2018 setzt «Swiss Dewa Tibetan Restaurant and Hotel» an der Ledergasse 3 auf authentische Speisen aus der Himalaya-Region. «Als wir eröffnet haben, waren wir das erste tibetische Restaurant in der Stadt Luzern», sagt Mitinhaberin Si Dewa. Zusammen mit ihrem Mann Kanam – den aber alle mit dem Nachnamen Dewa ansprechen –haben sie die Räumlichkeiten eigenhändig in ein Restaurant mit einer kleinen Küche und einer Verkaufstheke ausgebaut.

«Man schmeckt einen Unterschied, ob die Momos von Hand oder maschinell gefertigt wurden.»

Kanam Dewa, «Swiss Dewa Tibetan Restaurant and Hotel»

Neben dem Restaurant führen sie auch das dazugehörige Hotel. Das ist zwar nur ein kleiner Betrieb – es hat fünf Zimmer –, ist aber bei Touristen und Einheimischen begehrt. Wie das Restaurant. Obschon das Lokal etwas versteckt in einer Seitengasse ist, sind die Tische oft voll. Besonders abends wären sie oft ausgebucht, erzählt Si Dewa. «Viele Gäste gehören mittlerweile fast schon zur Familie», sagt die Wirtin. Bestellt werden im Restaurant vor allem Momos, die Kanam Dewa in reiner Handarbeit selbst zubereitet.

Momos, wie sie im Restaurant Swiss Dewa serviert werden. Dazu gibt es noch Soja- und eine scharfe Chilisauce. (Bild: cbu)

Zwischen 300 und 400 der unterschiedlich gefüllten Teigtaschen stellt er pro Tag her. Auf eine Maschine umzusteigen, kommt für ihn nicht infrage. «Man schmeckt einen Unterschied, ob die Momos von Hand oder maschinell gefertigt wurden», sagt der Gastronom. Auf viel Gegenliebe bei den Gästen stossen auch Gerichte mit gebratenem Reis oder die Nudelsuppe.

Die gastronomische Reise begann für das Ehepaar Dewa aber schon lange vor der Eröffnung des Lokals. So sind sie seit 21 Jahren in der Schweiz unterwegs und haben an verschiedenen Festivals und Anlässen tibetisches Streetfood serviert – und machen das trotz Doppelbelastung mit Hotel und Restaurant auch heute noch.

Si Dewas Kriterien für gute Momos? «Sie müssen heiss sein und das Fleisch saftig.» Auch darf die scharfe Sauce nicht fehlen.

Keine Momos ohne scharfe Sauce

Zu den Momos wird nämlich in der Regel noch eine pikante Chilisauce gereicht. Die Rezeptur bleibt in der Regel Betriebsgeheimnis, denn jedes Lokal hat hier seine eigene Variation. Das gilt auch für die Luzerner Betriebe. Si Dewa von «Swiss Dewa Tibetan Restaurant and Hotel» ist stolz auf ihre Sauce, bei der sie nebst Chili und frischem Öl auch noch Knoblauch beimischt. «Die Leute mögen es gerne scharf. Auch die Schweizer!»

«Die meisten tibetischen Familien haben ihr eigenes Chilisaucenrezept», schreibt Lobsang Reichlin von Tenz Momo. Entscheidend wäre, dass die eigene Haussauce «würkli scharf» sei, wie Reichlin meint. Für den ordentlichen Pep sorgen drei verschiedene Chilisorten und ein Mix aus Gewürzen und frischen Zutaten. Was als Nebenprodukt gestartet ist, mutierte zum Kassenschlager. «Plötzlich tauchten die Kunden mit eigenen Konfigläsern auf und wollten die Chilisauce abfüllen und abkaufen.» Mittlerweile bietet Tenz Momo nebst verschiedenen Speisen auch die Haussauce zum Verkauf an.

Momo-Manufaktur in St. Urban

Ein kleines Momo-Mekka befindet sich in St. Urban am äussersten Zipfel des Kantons Luzern. Hier produziert ein kleines Team von sechs bis acht Personen seit der Coronazeit in der Klostermetzgerei die tibetischen Teigtaschen. Dies unter dem Namen Golden Momos. Dabei war das eigentlich gar nicht geplant. «Ursprünglich habe ich ein paar Leute angestellt, die mir bei der Produktion von Fackelspiessen helfen sollten», sagt Metzgereiinhaber Daniel Käser. Pandemiebedingt fiel das Projekt Fackelspiess vorerst aber flach. Tenzin, ein tibetischer Mitarbeiter von Daniel Käser, brachte dann die Idee mit den Momos aufs Tapet.

«Ich kannte Momos bis dahin nicht, aber ich bin immer offen für Neues», so Käser. Ein erster Testlauf nach altem Familienrezept von Tenzin mundete dem Metzger und allen, die probierten. «Wir haben uns dann einen Foodtruck zugelegt und sind damit an Feste gefahren, um die Momos unter die Leute zu bringen.»

Die Momos aus St. Urban werden in reiner Handarbeit hergestellt. Zu Zehntausenden. (Bild: zvg / Golden Momos)

Die Teigtaschen aus dem Luzerner Hinterland stiessen auf grossen Anklang. Mittlerweile verkauft die Klostermetzgerei die Momos tiefgekühlt an einzelnen Verkaufsstandorten in den Kantonen Luzern, Bern, Zürich und Basel und beliefert ausserdem verschiedene Restaurants. Auch eine scharfe Sauce hat das Team der Klostermetzgerei kreiert, die gibt es aber nur an Eventauftritten – vorerst.

Für die Klostermetzgerei sind die Momos ein fester Bestandteil des Geschäfts geworden. Zwischen 20’000 und 30’000 Momos stellt das Team von Daniel Käser pro Monat her – in hundertprozentiger Handarbeit, wie er betont. «Das Kerngeschäft bleibt aber das Fleisch», stellt er klar.

Wo du sonst noch in der Stadt Luzern und Umgebung Momos oder tibetische Speisen findest, siehst du auf der Karte unten:

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Lobsang Reichlin, Geschäftsleitung Tenz Momo
  • Telefonat mit Daniel Käser, Golden Momos
  • Persönliches Gespräch mit Si und Kanam Dewa
  • Website Golden Momos
  • Website Karma – Take-away
  • Bericht zum Volksaufstand in Tibet im Bundesarchiv
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