«Äss-Bar» Luzern: Brot von gestern ist heiss begehrt
Brot vom Vortag lässt sich kaum noch verkaufen, könnte man meinen. Falsch gedacht. In Luzern geht es weg wie warme Weggli. Von schlechten Wortwitzen abgesehen: Die «Äss-Bar» in Luzern hat aufs Jahresende noch einmal alle Hände voll zu tun.
Mit Brot ist es so eine Sache. Für viele schmeckt es frisch am besten. Darum ist die Aussicht, in Bäckereien Brot vom Vortag zu kaufen, nicht besonders reizvoll. Das Resultat? Jeden Abend landen schweizweit unzählige Brote, Gipfeli und Sandwiches im Müll. Jährlich häufen sich in der Schweiz insgesamt 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel als Foodwaste an. Zahlreiche Projekte sagen dieser Verschwendung den Kampf an (zentralplus berichtete).
Eines von ihnen ist die «Äss-Bar». Das Unternehmen mit Sitz in Zürich existiert seit 2013 und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Backwaren vom Vortag in umliegenden Bäckereien abzuholen und zu stark reduzierten Preisen unter die Leute zu bringen. Seit 2018 gibt es auch eine «Äss-Bar» in Luzern. Am Fusse der Hofkirche lockt der Betrieb täglich zahlreiche Menschen an (zentralplus berichtete). Besonders in den Wintermonaten ist hier zeitweise reger Betrieb. «Der November ist für uns ein sehr guter Monat», schreibt Mediensprecherin Nadja Zehnbauer von «Äss-Bar» auf Anfrage. Jedoch sei das letzte Quartal immer dasjenige, das am besten funktioniere.
Besuch von der KV-Studentin und vom «Büezer»
«Besonders am Morgen und am Mittag ist hier viel los», erzählt Noemi Müller, als wir im Lokal an der St. Leodegarstrasse vorbeischauen. Müller ist eine von zwei Filialleiterinnen in der «Äss-Bar» Luzern. Während am Vormittag vor allem Studenten und Schülerinnen ihr Znüni holen, ist das Publikum am Mittag stark durchmischt. Von Büezern und Spaziergängerinnen ist alles dabei. «Schön ist auch, dass wir immer wieder neue Gesichter sehen, die uns entdecken.»
Das Interesse an der «Äss-Bar» in Luzern nimmt gemäss Noemi Müller seit Gründung stetig zu. «Es ist schön zu sehen, dass unsere Arbeit so gut ankommt», sagt sie. Einige der Stammkunden kennt sie mittlerweile auch beim Namen. Während unseres Gesprächs kommt denn auch ein Mann ins Geschäft, der Müller und ihre Kollegin mit Vornamen begrüsst. Auf sein begehrtes Birchermüesli muss er heute jedoch verzichten – das ist bereits ausverkauft. Je nach Tag wechselt auch das Sortiment oder die Menge. Hier muss sich die «Äss-Bar» danach richten, was bei den Bäckereien übrigbleibt. Statt einem Birchermüesli findet der Herr aber etwas anderes und verlässt zufrieden das Lokal.
In der Auslage liegen Backwaren von verschiedenen lokalen Bäckereien, darunter Bachmann, Brunner, Moos, Merz, Hug, Heini und Von Rotz. Verkauft werden nicht nur Brote und Gipfeli, sondern auch Sandwiches, Salate und in einem Kühlschrank gelagert Käse und Molkereiprodukte. Seit einiger Zeit verkauft die «Äss-Bar» auch andere Produkte wie Pasta, Honig oder Pralinen.
Viele dieser Lebensmittel haben ihr Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten oder bald erreicht, sind aber noch einwandfrei geniessbar. In der Ässbar halten sie sich hierbei an die Vorgaben von Foodwaste.ch. Bei gewissen Artikeln, wie etwa Molkereiprodukten, ist man mit dem Verkauf sogar noch etwas strenger.
Kuriere holen die Ware am Morgen früh ab
Damit bei Ladenöffnung um 8 Uhr die Auslage schön gefüllt ist, klappert ein Fahrer die teilnehmenden Bäckereien in drei Touren ab. In der ersten holt er bereitgestellte Pakete von Geschäften in Stadtnähe ab, in der letzten Tour dann Betriebe, die etwas weiter weg sind, etwa in Sursee oder Cham. «Wir wollen es den Bäckereien so einfach wie möglich machen», erklärt Müller das Vorgehen. Das Team von «Äss-Bar» Luzern umfasst insgesamt neun Leute. Noemi Müller teilt sich mit Jessica Schmid die Filialleitung, dazu gibt es zwei Fahrer und der Rest hilft im Laden aus.
Auch einen Cateringservice bietet die Luzerner Filiale an. Dieser kommt für Familienfeste, Apéros oder Bürozmittags zum Einsatz. «Da wir aber keinen Einfluss auf das Sortiment und die einzelnen Produkte nehmen können, ist ein Apéro von uns in gewisser Weise immer auch eine kleine Überraschung.»
Das passiert mit Brötchen nach Geschäftsschluss
Und was passiert mit der Ware, die selbst in der «Äss-Bar» in Luzern keinen Abnehmer findet? «Das Brot geht an Madame Frigo und ans Restaurant Neustadt, das Paniermehl für ihre Cordon bleus daraus macht», erklärt Noemi Müller. Andere Produkte gehen an Vereine oder Organisationen. Sollte dann noch etwas übrigbleiben, landet es in der Biogas-Tonne und wird zu neuer Energie umgewandelt.
Die «Äss-Bar» in Luzern gibt keine Waren gratis an Privatpersonen ab. Das würde gemäss den Betreiberinnen zu grossem Andrang bei Geschäftsschluss führen. Auf alle neun Betriebe in der Schweiz gerechnet, rettet «Äss-Bar» pro Jahr rund 800 Tonnen Lebensmittel, wie Mediensprecherin Nadja Zehnbauer schreibt.
Kehrseite des minimierten Foodwaste
Je weniger Foodwaste produziert wird, desto besser. An dieser Logik gibt es nichts zu rütteln. Allerdings gibt es auch Unternehmen, welche versuchen, die Foodwaste-Problematik in etwas Nützliches umzuwandeln. Die Schweizer Tafel beispielsweise sammelt Lebensmittel, die sonst im Müll landen, und verteilt sie an Bedürftige (zentralplus berichtete).
Die Nachfrage nach solchen Diensten nimmt zu, das Angebot an Lebensmittel jedoch ab. «Viele Detailhändler sind bemüht, Foodwaste zu reduzieren und haben eigene Programme dafür», sagte Sabrina Munz, Pressesprecherin der Schweizer Tafel gegenüber «Pilatus Today». Die Schweizer Tafel muss darum einen erhöhten Aufwand betreiben, um auf dieselbe Menge von Lebensmitteln zu kommen wie früher. Das führt dazu, dass die Organisation auf mehr Spenden angewiesen ist, um den Dienst aufrechtzuerhalten.