Räumung in Weggis, Einsprachen in Greppen

Der Immobilienkönig am See: Daniele kauft

Das Hotel Albana, im Besitz von Immobilieninvestor Daniele Obino, hat turbulente Jahre hinter sich. (Bild: Kilian Küttel/zvg)

Seit bald 15 Jahren kauft ein Immobilienmogul in den Seegemeinden Weggis und Greppen Grundstücke zusammen. Hotels, riesige Flächen, immer an bester Lage. Langsam fragen sich die Leute: Was hat Daniele Obino vor?

Das Gemeindehaus von Weggis sieht aus wie eine Kreuzung zwischen Burg und Bahnhof. Das liegt an den klobigen Proportionen der 1880 erbauten Villa. Das liegt aber vor allem am Türmchen, das an der Westseite in die Höhe klettert als wolle es mit den Nadelbäumen konkurrieren, die vor ihm in den Himmel schiessen. Durch Wipfel und Bogenfenster scheint die schmierige Februarsonne ins Turmzimmer, wo Baptist Lottenbach die Schultern strafft und die Arme vor der Brust verschränkt: «Die Gemeinde hätte es sich auch einfach machen können und auf die Hotellerie verzichten. Dann hätten wir in unseren Hotels jetzt überall Wohnungen. Aber das wollen wir nicht.»

Vor Lottenbach, seit 2011 für die FDP im Gemeinderat von Weggis und verantwortlich für das Ressort Bau, liegt ein Haufen Papier. Grundbuchpläne, ein Ausdruck mit Fragen, einer mit Antworten. Wort für Wort hat sie der Bauverwalter in Hemd und Gilet in der letzten halben Stunde abgelesen. Dabei erzählt der 64-jährige mit den stahlblauen Augen die spannendsten Dinge, wenn er frei spricht. Baptist Lottenbach weiss mehr als manch anderer über das Thema, weswegen zentralplus mit ihm sprechen wollte: die Hotellerie im Dorf. Und damit auch: das Hotel Albana, gut 100 Meter ennet der Strasse und vom Turmzimmer aus nur knapp nicht mehr zu sehen.

Das «Albana» erlebte turbulente Jahre

Noch immer thront das 1895 erbaute, denkmalgeschützte Haus über dem Dorf wie ein Adler in seinem Horst – auch wenn es harte Zeiten hinter sich hat. Nach mehreren Besitzerwechseln geriet das «Albana» ab 2018 in die Schlagzeilen, da es Teil eines Hotelkonglomerates geworden war, das mit unbezahlten Rechnungen und fragwürdigen Geschäftspraktiken von sich reden gemacht hatte. Das berichtete die «Luzerner Zeitung» Anfang 2019, wenige Monate später erliess die Gemeinde Weggis ein Nutzungsverbot für das «Albana», unter anderem wegen Brand- und Einsturzgefahr. Die Schliessung wendeten die damaligen Betreiber in letzter Sekunde ab, wie die «NZZ am Sonntag» im Sommer 2019 schrieb.

Wir sind sehr froh, ist die Räumung durch. Wir beobachten genau, was mit dem Albana passiert.


Baptist Lottenbach, Gemeinderat von Weggis

Schon damals hatte die Eigentümerin der Pächterin mit einer ausserordentlichen Kündigung gedroht. Das war vor fast vier Jahren. Doch erst seit wenigen Monaten ist das Kapitel zu Ende – nach einem Machtwort des Luzerner Kantonsgerichts. In zweiter Instanz bestätigten die Richter einen Entscheid des Bezirksgerichts Kriens und verhängten eine Räumungsanordnung über die Pächterin, die sich gegen eine ausserordentliche Kündigung vom Sommer 2020 gewehrt hatte.

Die Pächter sind gegangen. Deshalb stapeln sich am letzten Donnerstag die alten Matratzen vor dem Hoteleingang. In einer Kiste warten WC-Bürsteli und Badezimmer-Abfallkübel darauf, entsorgt zu werden. Und hinter dem Haus türmen sich Bettgestelle und Wäscheständer zu einem Haufen Altmetall.

Im Turmzimmer sagt Baptist Lottenbach: «Wir sind sehr froh, ist die Räumung durch. Wir beobachten genau, was mit dem Albana passiert. An einen Hotelbetrieb ist nicht zu denken, das Gebäude muss zuerst dringend saniert werden.»

Busdepots, Dorfcentren, Rasen für den FCL

Das «Albana» gehört einem Mann, der seit 15 Jahren wenig anderes tut, als Böden zu kaufen und Häuser zu bauen: Daniele Obino, 64 Jahre alt, wohnhaft in Hergiswil NW und im ligurischen Porto Venere, verwurzelt in der Region Sursee.

Der Sohn italienischer Fabrikarbeiter war bis 2007 Inhaber einer Firma namens Casaplan und machte ein Vermögen mit Handyantennen. Dieses investiert Obino seither in Immobilien, neuerdings stärker in Italien, vor allem aber in der Zentralschweiz. In Root hat er das neue Busdepot der VBL gebaut. 6,5 Millionen Franken zahlte er 2015 für das ehemalige Areal der Bäckerei Macchi, überbot die Verkehrsbetriebe um 300'000 Franken und vermietete ihnen das Depot, ehe er es 2021 an die Zürcher Kantonalbank verkaufte. Der Stadt Zofingen hat Obino für 3,5 Millionen Franken eine Parzelle Land abgekauft und baut dort ein Depot für die Aargau Verkehr AG. Und in Hohenrain wurde erst letzten Herbst der neue Dorfplatz inklusive Post, Bistro und Laden eröffnet – Investor: Daniele Obino.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Obino 2018 bekannt, als er dem FC Luzern einen neuen Rasen sponserte (zentralplus berichtete). Entscheidend war die Nähe zum damaligen FCL-Präsidenten Philipp Studhalter. Obino gehört eine Nachbarparzelle neben Studhalters Anwaltskanzlei am Matthofstrand, daneben betreute der EX-FCL-Präsident mindestens bis 2015 die Handelsregisterangelegenheiten einer von Obinos Firmen.

Wenn Daniele Obino in der Zeitung kommt, dann gerne mit Helm auf dem Kopf und Schaufel in der Hand, bereit zum Spatenstich. Dagegen war er nicht scharf auf die Publicity um das «Albana». Er ist es auch heute nicht: «Wollen Sie wirklich darüber schreiben?», fragt der Immobilienmogul, als ihn zentralplus mit einer Interviewanfrage kontaktiert.

Obino befürchtet, «Albana»-Sanierung kostet 20 Millionen Franken

Das Gespräch findet einige Tage später am Telefon statt. Mit jugendlich-frischer Stimme sagt der 64-jährige, er habe lange für die Räumung des «Albana» kämpfen müssen: «Wir sind seit November, Dezember daran, das Haus zu räumen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Mulden mit Schutt und Abfall wir gefüllt haben, aber es waren einige.» Im «Albana» geht also etwas, nur was genau, kann auch Obino nicht sagen. Laut dem Eigentümer müsste man 20 Millionen Franken in die Hand nehmen, um das Hotel samt Nebengebäude zu sanieren. Um das wieder reinzuholen, müsste er eine Pacht verlangen, die niemand zahlen könne.

Daniele Obino hat also ein Problem. Und das ärgert ihn noch mehr, weil er die Lösung zu kennen glaubt: «Damit das Albana wieder zum Fliegen kommt, müsste man es quersubventionieren.» Sprich: einen Teil der Zimmer und Wohnungen langfristig vermieten und an Hoteldienstleitungen koppeln. «Serviced Apartment», nennt Obino, was auch als Betriebsstättenmodell bekannt ist, und im Wesentlichen bedeutet, dass Leute in ihren gemieteten vier Wänden leben, aber sich vom Hotel bekochen, das Zimmer oder die Wäsche machen lassen. Das Modell wird etwa auf dem Bürgenstock praktiziert – und hat dort immer wieder Kritik provoziert (zentralplus berichtete).

Womöglich will eine alleinstehende Person sich nicht um den Haushalt kümmern müssen, stattdessen an einem schönen Ort wohnen und das ganze Jahr über Hoteldienstleistungen in Anspruch nehmen. Das wäre doch eine super Sache. Aber in der Weggiser Hotelzone geht das nicht. Und das verstehe ich nicht.


Daniele Obino, Immobilieninvestor

Im Fall von Weggis käme es so weit schon gar nicht. Obinos Idee würde an etwas scheitern, auf das sie stolz sind in der Seegemeinde mit rund 4000 Einwohnern: der Kur- und Hotelzone. Diese gilt in Weggis seit 30 Jahren und schreibt Hotelbesitzern vor, 75 Prozent ihrer Fläche für den Tourismus zu nutzen. Mit den restlichen 25 Prozent können die Eigentümer nach einem Gesuch bei der Gemeinde tun, was sie wollen, die Fläche also auch für Wohnungen nutzen. Heisst aber auch: Sobald jemand seinen festen Wohnsitz in Weggis hat, zählt er nicht mehr als Tourist – egal, ob er im Hotel wohnt und dort seine Wäsche machen lässt.

Hat Obino die Gemeinde in der Hand?

Obino sagt, er habe nichts gegen die Hotelzone. Aber er weibelt seit Jahren dafür, dass die Gemeinde sie grosszügiger auslegt. Bei fünf Hotels müsse man doch einzelne zu 100 Prozent touristisch und andere im Betriebsstättenmodell betreiben können, sagt Obino: «Womöglich will eine alleinstehende Person sich nicht um den Haushalt kümmern müssen, stattdessen an einem schönen Ort wohnen und das ganze Jahr über Hoteldienstleistungen in Anspruch nehmen. Das wäre doch eine super Sache, das würde den Ort auch im Winter beleben.» Aber in der Weggiser Hotelzone ist sei das nicht möglich: «Und das verstehe ich nicht.»

Mit Aussagen wie diesen hat sich Obino in Weggis nicht nur Freude gemacht. Bei Gesprächen in der Seegemeinde drücken immer wieder dieselben Bedenken durch. Dass Obino im Dorf kauft, was er kriegen kann. Dass er alles daran setzt, Wohnhäuser aus seinen Hotels zu machen, auch wenn das Jahre dauern sollte. Und dass ihm mittlerweile genug gehört, um die Gemeinde unter Druck setzen zu können. Die Bedenken lassen sich in einer Frage zusammenfassen, die über der Beziehung zwischen Daniele Obino und Weggis hängt wie eine Regenwolke: Hat sich Weggis von einem einzelnen Mann abhängig gemacht?

Im November kam das «Du Lac» dazu

Deutlich stellt sich diese Frage an der Gotthardstrasse. Mitten im Dorf gehört Obino das alt-ehrwürdige Hotel Beau Rivage. Seit dem Kauf 2013 hat der Immobilieninvestor fünf weitere Grundstücke auf beiden Seiten der Strasse übernommen – zuletzt das Hotel Du Lac, direkt neben dem «Beau Rivage», und zwar erst im November.

Wieso tut Obino das? Plant er ein Grossprojekt? Müssen die Weggiser darauf gefasst machen, dass ihr Dorf bald nicht mehr aussieht, wie sie es kennen?

Im Turmzimmer sagt Baptist Lottenbach: «Diese Fragen darf man sich stellen, wir stellten sie uns auch. Und wir sind im Gespräch mit Herrn Obino.» Dennoch winkt der Weggiser Bauverwalter ab: «Aber es ist unmöglich, die Häuser zugunsten einer Wohnüberbauung abzureissen. Beide Hotels sind als schützenswert eingestuft und liegen in der Kur- und Hotelzone.»

Derweil versichert Obinio, er investiere nicht in die Weggiser Hotellerie, um Geld zu verdienen: «Man kann auch etwas machen, weil man Freude daran hat.» Das «Du Lac» habe er des «Beau Rivage» wegen gekauft: Für ein Haus mit 40 Zimmern sei es in der Schweiz, wo die Löhne hoch und die Saisons kurz sind, schwierig zu überleben.

«Zusammen mit dem Du Lac können wir die Abläufe optimieren», sagt Obino und spricht vom bekannten «Synergien nutzen». Indem beide Häuser zusammen betrieben würden, könnte man sich eine Reception sparen, das gleiche gilt für die Küche: «Die Idee wäre es, die Terrassen der Häuser zu verbinden und so beide zu beleben», so Obino. Das aber sei erst Mitte Jahr möglich, wenn der Vertrag des aktuellen Pächters endet. Weiter sagt Obino, er habe die Grundstücke auf der anderen Strassenseite gekauft, weil er Platz für das Personal brauche und es zu wenig Parkplätze gebe: «Deshalb bestehen Pläne, hinter dem Beau Rivage eine unterirdische Einstellhalle zu bauen.»

Obino versteht die Bedenken nicht

Dass Leute im Dorf fürchten, die Hotels seien für Obino nichts weiter als Spekulationsobjekte, versteht er nicht. In keinem seiner Häuser habe er die 25 Prozent Fremdnutzungsanteil beantragt. Das aber hätte er sicher getan, wenn er die Hotels schleichend in Wohnhäuser umnutzen wollte, sagt er Investor, der nach Weggis gekommen sei, um Werte zu erhalten: «Dieser Fleck, direkt am See, hat es verdient, dass man nicht mit ihm spekuliert, sondern ihn erhält. Sonst gibt es ja nicht mehr viel in Weggis.»

Baptist Lottenbach, Gemeinderat von Weggis

Während die Leute im Dorf Obinos Expansion skeptisch beobachten, sind sie bei der Gemeinde froh, einen wie ihn zu haben. Im Turmzimmer sagt Baptist Lottenbach: «Wenn er umsetzen kann, was er rund ums Beau Rivage plant hat, profitiert auch unser Dorf.»

Und im «Albana»? Vielleicht dient es bald als Unterkunft für ukrainische Geflüchtete. Obino hat es dem Kanton angeboten, dieser klärt ab, ob sich das Haus zum Flüchtlingsheim eignet. Wenn der Kanton absagt, mache er möglicherweise ein Personalhaus für die Belegschaft der Weggiser Hotels daraus. Davon habe es im Dorf zu wenig, meint Obino. Währenddessen wolle er eine Studie in Auftrag geben, die zeigen soll, was man aus dem «Albana» machen kann.

Die Geschichte des Hauses, das seit 1895 über Weggis thront; sie wird um ein Kapitel reicher. So oder so.

Drei Einsprachen verzögern Projekt in Greppen

Auch in Greppen, einer Nachbargemeinde von Weggis, ist Daniele Obino aktiv. Mit zwei weiteren Parteien plant er den Bau einer Überbauung mit 50 Wohneinheiten auf der Wendelmatte, unweit des Sees. Allerdings ist das Projekt blockiert, gegen einen Gestaltungsplan haben Nachbarn drei Einsprachen eingegeben.

Für Daniele Obino in erster Linie lästig: «Ich bin ein Bauförderer und wir alle haben deshalb bei den Nachbarn keine Einsprachen gemacht. Ich habe mir die Pläne der Nachbarn ehrlich gesagt nicht einmal angesehen, die sollen auch Werte erschaffen dürfen. Wenn man nun bei uns Einsprache erhebt, ist dies bedauerlich, aber dieses Recht steht halt jedem zu.» Wie geht es jetzt weiter? Claudia Bernasconi, die Grepper Gemeindepräsidentin, geht auf Anfrage davon aus, dass die Verhandlungen zwischen Einsprechern und Bauherrschaft im Frühling beginnen können.

Gegen den Gestaltungsplan für die Überbauung Wendelmatte sind drei Einsprachen eingeangen. (Bild: Kilian Küttel)
Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Baptist Lottenbach
  • Augenschein beim Hotel Albana
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • Artikel in der «NZZ am Sonntag»
  • Angaben aus dem Grundbuch des Kantons Luzern
  • Urteil 1B 22 21 des Luzerner Kantonsgerichts
  • zentralplus-Artikel über Daniele Obino von 2015
  • Angaben aus dem Luzerner Handelsregister
  • Website der Casaplan AG (Archivversion)
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • Artikel «Baubeginn für das neue Busdepot» im «Oltner Tagblatt» vom 20. April 2021
  • Schriftlicher Austausch mit der Stadt Zofingen
  • Gespräch mit Daniele Obino
  • Gespräche mit mehreren Personen, die im Artikel weder zitiert noch namentlich genannt werden
  • Schriftlicher Austausch mit der kantonalen Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen
  • Telefonischer Austausch mit Claudia Bernasconi, Gemeindepräsidentin von Greppen
  • Augenschein in Greppen
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