Biber umgeht erstmals das Reusswehr

Knabbern die Stadtluzerner Biber bald an der Kapellbrücke?

An der Reuss haben sich die Biber bereits wieder niedergelassen. Bald könnten sie auch in der Stadt Luzern ihre Dämme bauen. (Bild: Roman Willi/romanwilli.com)

Bislang siedelten Biber am Reussufer, nicht aber am Vierwaldstättersee. Doch kürzlich hat ein Biber das Reusswehr erfolgreich umgangen. Er könnte bald zum ersten echten Stadtluzerner seiner Spezies werden.

Der Papst höchstpersönlich soll vor 600 Jahren den Biber aufgrund seines flachen, beschuppten Schwanzes und seiner amphibischen Lebensweise als Quasi-Fisch definiert haben. Infolgedessen durfte das Biberfleisch an Fastentagen gegessen werden – selbstredend aber nur die Stücke ab den Hinterläufen.

Es bleibt unklar, ob dieser kulinarisch-klerische Paradigmenwechsel tatsächlich hauptursächlich für die Ausrottung des Bibers im Europa des 19. Jahrhunderts war. Denn auch das Fell des Nagetiers und das sogenannte Bibergeil, der Duftstoff zur Markierung des Reviers, erfreuten sich hoher Beliebtheit. Fakt ist: Seit einigen Jahren ist der Biber zurück. Auch im Kanton Luzern.

Stabile Population am Rotsee

Unter anderem hat er sich im Naturschutzgebiet am Rotsee niedergelassen. «Dort lebt eine Biberfamilie. Das sind meist vier bis sechs Tiere», weiss Miriam Peretti. Sie ist Projektleiterin der Aktion Biber & Co. von Pro Natura Luzern. Wer die Biber dort noch nie zu Gesicht bekommen hat, erinnert sich stattdessen vielleicht an die Gitter rund um die Bäume am Ufer. Eine Vorsorgemassnahme – denn ein vom Biber angenagter Baum könne schnell zum Sicherheitsrisiko werden, so Peretti.

«Doch wenn wir unsere Infrastruktur nicht direkt an die Gewässer bauen würden, gäbe es vielerorts gar keine Konflikte mit dem Biber», erklärt sie. Vielmehr sei die Anwesenheit des Bibers aus ökologischer Sicht ein grosser Gewinn für das Gebiet. Durch seine Aktivitäten entstünden Strukturen, von denen beispielsweise Fische, Vögel und Wasserinsekten profitieren.

20 Prozent aller Wasserbewohner vom Aussterben bedroht

«Unsere Gewässer stehen heute stark unter Druck», fährt Peretti fort. «Etwa ein Fünftel aller gewässerbewohnenden Arten sind entweder bereits ausgestorben oder vom Aussterben bedroht.» Dies sei unter anderem auch auf die verbauten Gewässer zurückzuführen.

«Am Zufluss des Würzenbachs liegen sonst vermutlich die besten, nächstgelegenen Verhältnisse für ihn vor.»

Miriam Peretti, Pro Natura Luzern

Mit der Rückkehr des Bibers erhielten die Gewässer einen wichtigen Player zurück, der das heute bestehende Ungleichgewicht wieder in Richtung Gleichgewicht steuern könne. «Nebst diesem Aspekt kann der Biber mit dem Bau von Dämmen auch für Wasserrückhalt sorgen, wovon auch wir Menschen in Trockenperioden direkt profitieren können», sagt Peretti.

Biber werden regelmässig überfahren

Während der Biber also wieder seinen wichtigen Platz im Luzerner Ökosystem einnimmt, sind es weiterhin vor allem die Menschen, die der immer noch kleinen Population zusetzen. Regelmässig bedeutet die Strasse Endstation für die reisenden Nager. «Im Kanton Luzern gibt es jedes Jahr mehrere Biber, die im Strassenverkehr ums Leben kommen», sagt Peretti. Auch bei der Autobahnausfahrt Kriens sei dies schon passiert. «Das Tier stammte mit grösster Wahrscheinlichkeit aus der Reuss.»

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Ein Biber im Uferbereich der Reuss. (Bild: Roman Willi/romanwilli.com)

Auf die gefährlichen Reisen begeben sich Jungbiber im dritten Lebensjahr – auf der Suche nach einem eigenen Revier. Dazu schwimmen die Tiere oft stromaufwärts, bis sie auf einen geeigneten Lebensraum stossen. Kommt ein Geschlechtspartner hinzu, paaren sich die Tiere. Stossen zwei Männchen oder zwei Weibchen aufeinander, gibt’s Krach – und eines der Tiere muss weiterpaddeln. Dort, wo den Bibern Hindernisse das Weiterschwimmen verunmöglichen, nutzen sie den Landweg.

Das Treppchen am Mühlenplatz

Ein solches Hindernis stellt das Kraftwerk Mühleplatz am Reusswehr in der Stadt Luzern dar. Darum baute Pro Natura im März 2020 mit Unterstützung der EWL und der Stadt Luzern ein Treppchen zur Umgehung des Kraftwerks.

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Das Bibertreppchen von Pro Natura. Gebaut mit freundlicher finanzieller Unterstützung der EWL und der Stadt Luzern. (Bild: zvg)

Doch lange hat sich dort nichts getan – bis Anfang Mai gleich zweimal Biber in die Fotofalle tappten. «Die Freude war sehr gross», erinnert sich Miriam Peretti. Sie habe damit gerechnet, dass es etwas länger dauern würde, bis der erste Biber die Treppe nutzen würde. Denn das nächste Biberrevier liege nicht direkt angrenzend zum Kraftwerk.

Nun wird die Treppe also endlich genutzt. Mit der Konsequenz, dass sich Biber bald auch am Vierwaldstättersee niederlassen dürften. «Doch damit sich ein Biber längerfristig an einem Ort niederlässt, braucht er genügend ihm zur Verfügung stehende Nahrung», erklärt Peretti. Biber ernähren sich unter anderem von Gräsern, Baumknospen und natürlich von Holz, respektive Baumrinde. Zudem brauche der Biber einen Bau, den er ins Ufer graben oder sich an einem flachen Ufer aus Holz und Schlamm selber aufschichten könne.

Biber könnten sich an der Mündung des Würzenbachs ansiedeln

«Vermutlich findet er am Ufer des Sees wenige günstige Möglichkeiten dafür», so Peretti weiter. Jedoch könnten Uferabschnitte durchaus zur Nahrungsbeschaffung genutzt und Teil eines Reviers werden. «Am Zufluss des Würzenbachs liegen vermutlich die besten, nächstgelegenen Verhältnisse für ihn vor.»

Womit sich erneut die Frage stellt, wie gut Biber und Mensch koexistieren können. Knabbern die Stadtluzerner Biber bald die Kapellbrücke weg, wollte zentralplus von Miriam Peretti wissen. Diese winkt ab: «Der Biber ernährt sich nur von der Rinde von lebendigem Gehölz.» Doch einzelne Ausnahmen gibt es. Nämlich Holzverbauungen im Gewässer, die den Biber bei der Fortbewegung hindern und innerhalb eines stark genutzten Revierabschnittes liegen.

Bei den Pfeilern der Kapell- und Spreuerbrücke sei dies jedoch nicht der Fall. «Sie liegen in einem Abschnitt, den der Biber nur schwimmend nutzen wird, da keine Nahrung und kein nutzbares Ufer zur Verfügung stehen», so die Begründung Perettis. Zudem sei die Strömung um die Pfeiler für den Biber unangenehm stark. Dagegen anzukämpfen wäre für ihn ein sinnloser Energieverlust. «Denn Biber bewegen sich in Gewässern mit starker Strömung hauptsächlich entlang des Ufers fort.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 15.07.2023, 12:58 Uhr

    Der Biber ist ja ein Putziges Tier und ich liebe die Natur!
    Aber in der Stadt usw ungeeignet,nur wegen der Show!
    Aber ihr unterschätzt die Schäden und Gefahren,die der Biber mit gefällten Bäumen anrichtet! Ich finde diese Genannten Plätze als ungeeignet,vorallem der Würzenbach,der Öfters das Lido und Umgebung überschwemmt!
    Ich denke an der Renaturierung der Reuss ist er gut Untergebracht!
    Ich war selbst Zeuge,wie der Biber im Kanal der Papier Fabrik Perlen in kurzer Zeit diverse Bäume gefällt hat und dadurch Überschwemmungen
    geschaffen hätte! Man musste alle Bäume mit Dratgitter Schützen!
    Es gab schon viel Arbeit,die angeknabbert en und gefällten Bäume zu entsorgen!

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 15.07.2023, 13:39 Uhr

      Zum Glück wissen wir das heute! Hätten unsere Vorfahren dieses Wissen auch schon gehabt, hätten sie bestimmt den Biber bekämpft und zurückgedrängt.

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