Luzerner Spunten damals und heute

Hey Boomer, das wurde aus euren Lieblingsbeizen

Der Abriss der «Schmitte» bewegt die Luzerner bis heute. Vor und nach ihr verschwanden noch viele weitere beliebte Lokale. (Bild: zvg/Zunft zur Schmiede)

Die Stadt Luzern hat im Lauf der Jahrzehnte zahlreiche Beizen verloren. Die Erinnerungen daran bleiben aber erhalten. Luzerner blicken zurück.

Die Gastronomie ist der Puls der Zeit, sagte «Schiff»-Wirtin Sylvia Wiesner jüngst zu zentralplus (zentralplus berichtete). Kein Wunder also, hat jeder von uns Erinnerungen an bestimmte Lokale. Gasthäuser, in denen wir prägende Erfahrungen gemacht haben. Das erste Bier, die erste Feier, vielleicht auch der erste Tanz und Kuss. In Bars, Pubs, Restaurants und Clubs werden Freundschaften geschlossen, Beziehungen nehmen ihren Anfang – oder Ende -, es wird diskutiert, politisiert, gestritten, gelacht, genossen und geweint.

Mit den Jahren blickt man oft mit einem Hauch Nostalgie auf jene Zeiten zurück. Besonders dann, wenn es jene Kneipen nicht mehr gibt und mit ihnen auch ein Stück des eigenen Lebens verschwunden zu sein scheint. Darum hier eine kleine – für einige wohl sehr melancholische – Zeitreise durch die verschwundene Beizenszene der Stadt Luzern.

«Schmitte»: Und sie trauern noch heute

Wir beginnen mit einem Lokal, dem die Leute bis heute noch sichtbar hinterhertrauern. Eingefleischte Luzerner wissen, welche Beiz gemeint ist. Das Restaurant zur Schmiede oder die «Schmitte», wie es umgangssprachlich genannt wurde, war für Generationen ein beliebter Treffpunkt mit währschafter Küche. Jährlich am 26. März gedenken Mitglieder der Schmiede-Zunft des Gasthauses am Pilatusplatz mit einem Kranz (zentralplus berichtete).

Mit einem Blumengesteck wird des Restaurants Schmiede gedenkt. (Bild: hch)

2011 fuhren schliesslich die Bagger auf und rissen das beliebte Gasthaus ab. Geblieben ist – bis heute – eine Brache mit Friedhofscharakter. Ein Hochhaus soll hier einst entstehen. Zu sehen ist davon noch nichts (zentralplus berichtete).

Hungrige Naturen müssen immerhin nicht weit laufen, um Verpflegung zu finden. Angrenzend zur Brache am Pilatusplatz serviert der stadtbekannte Gastronom Gökhan Temizmermer im «Made in Sud» italienische Küche. Kontaktscheue Luzernerinnen decken sich derweil im Selbstbedienungscontainer ein, der aktuell auf der Brache steht (zentralplus berichtete).

Kaffee und Gesang im Café Moc

Lang, lang ist es her, seit im Café Moc am Falkenplatz gemütlich Kaffee getrunken und getanzt wurde. Am halbrunden Tresen traf man sich zum Kafi Crème, im anderen Raum wummerte die Musik. Ein «Dancing» war das «Moc» einst. Heute würde man «Club» dazu sagen. Ein Ort, an dem sich Künstler und Jugendliche trafen. Aber auch Mamis, wie sich der Stadtluzerner Heinz (71) erinnert.

Vielen älteren Luzernern wird beim Anblick dieses Tresens warm ums Herz. (Bild: Facebook-Gruppe «Du besch vo Lozärn» / Historisches Lozärn)

Er sei oft mit seiner Mutter im Café gesessen. Etwas ist ihm besonders lebhaft in Erinnerung geblieben: «Anfang der 1960er-Jahre stand beim Eingang ein Automat, bei dem man für ein paar Münzen eine kleine Schallplatte aufnehmen konnte.»

Die Schellackplatte mit dem Kinderlied «Gigeli Gigeli Brotisbei», das Heinz als Knirps eingesungen hat, besitzt der Hobbymusiker noch heute. In späteren Jahren war Heinz – und unzählige andere Luzerner – dann eher im «Dancing» anzutreffen. Gefeiert wurde hier bereits am späteren Nachmittag, zu Musik, die man sich beim DJ wünschen konnte.

Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Zuletzt amteten hier die Gebrüder Hermann und Franz Felder, nachdem schon klar war, dass das Gebäude verkauft würde. Damit waren dann auch die Tage des Cafés gezählt. Das «Moc» schloss am 25. März 1989 seine Tore. Später wurde aus dem Lokal das Restaurant Merkur, bevor es 2002 zur «Asia Food Town» wurde.

Heute gibts hier im Obergeschoss statt Kaffee und Tanzabenden asiatische Küche. (Bild: cbu)

Auf ein Bier im «Hubertus»

An der Hertensteinstrasse konnte man einst kaum dreissig Meter laufen, ohne an einer Beiz vorbeizukommen. Heute hat sich die Gastronomie hier etwas ausgedünnt – obwohl dank Filialen von Bäckereien und Detaillisten niemand verhungern muss. Einem Lokal trauen die Luzerner heute noch hinterher. Die Rede ist vom «Hubertus».

Zuvor als «Eintracht» bekannt, galt das «Hubertus» als «richtige Knelle mit Bierstubencharakter», wie Ursina (65) das Lokal beschreibt. Hier hätten sich eher die wilderen Leute getroffen, erinnert sie sich. Jugendliche und Büezer etwa. Und Heinz, der sich nebst dem Bier vor allem an die Fleischgerichte und die Kräuterbutter erinnert. «Von der Kräuterbutter habe ich dem Wirt damals sogar was abgekauft, weil ich sie so toll fand.»

Die Gaumenfreuden hielten bis ins Jahr 1988. Dann nämlich meldete der damalige Wirt Willy Lyrer den Spunten konkurs. Später wich das Gebäude einem Neubau. Heute ist an der Hertensteinstrasse 32 wieder ein Restaurant ansässig. Bier gibt es hier zwar keines, dafür können anderweitig Kalorien gebunkert werden. Das Haus beherbergt nämlich eine Filiale der Fastfood-Kette McDonald's.

Im Tearoom Dudle lauerte die Treppe

Ursina erinnert sich auch gerne an den Tearoom Dudle zurück, ein zweistöckiges Haus ein paar Häuser weiter an der Weggisgasse 34. Im Erdgeschoss habe man sich ein Stück Kuchen gekauft und es dann «unter Lebensgefahr» die Treppe rauf in den oberen Stock zu den Sitzplätzen getragen, erzählt die Luzernerin lachend.

Die Treppe – eigentlich das ganze Haus – sei sehr eng gewesen, die Stufen waren steil. Vom Fenster im Obergeschoss aus habe man hervorragend das Gewusel durch die Einkaufsstrasse beobachten können. Ein besonderes Highlight für Ursina: die Punschkugeln mit Rum. «Die habe ich manchmal bekommen, obwohl ich eigentlich noch zu jung dafür war», erzählt sie.

Generell sei der Tearoom wegen seiner guten Patisserie- und Confiserieprodukte beliebt gewesen. Kein Wunder, seit 1872 wirkten hier verschiedene Confiseure. Eine Ära, die 1997 zu Ende ging. Heute gehen hier statt Punschkugeln Kleider über den Tresen. Im Haus ist das Modegeschäft Gränicher eingemietet.

Die Fenster im oberen Stock dienten zu «Tearoom»-Zeiten wunderbar zum Beobachten von Flaneurinnen. (Bild: cbu)

«Fugi's Chuchichästli»

Der 1983 verstorbene Hotelier Fugi Fuchs war weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Kein Wunder, gleiste der «bärbeissige und wortkarge», zugleich aber auch «grosszügige und charmante» Wirt in den 1960er-Jahren doch das erste Seilziehteam der Schweiz auf. Heute ist die Schweiz eine der erfolgreichsten Seilziehnationen Europas (zentralplus berichtete).

Die verwinkelte Gaststube von «Fugi's Chuchichästli» war bei Einheimischen als auch Touristinnen gleichermassen beliebt. Kulinarisch setzte das Lokal auf Küche, die nicht gerade billig war, wie ein Weggefährte in einem Artikel des «Willisauer Boten» aus dem Jahr 2010 schrieb.

«Das ‹Chuchichästli› war eine Institution», sagt denn auch Renate gegenüber zentralplus. Es sei etwas Einmaliges gewesen – auch dank Fugi Fuchs selbst. Der Name der Beiz sei Programm gewesen, so die 60-jährige Luzernerin. «Es war sehr eng, verwinkelt und voller Krimskrams.» Gleichzeitig sei «Fugi's Chuchichästli» auch sehr gemütlich gewesen. «Es ist schade, dass es sowas in der Stadt nicht mehr gibt», bedauert Renate.

Bunt, verwinkelt und mit viel Charme: «Fugi's Chuchichästli». (Bild: Facebookgruppe «Historisches Lozärn»)

Heute ist von «Fugi's Chuchichästli», ausser unzähligen Erinnerungen in den Köpfen der Luzernerinnen – und sehr wahrscheinlich auch zahlreicher Touristen -, nicht mehr viel übrig. Das Restaurant gibt es schon seit Jahrzehnten nicht mehr. An seiner Stelle stehen an der Seidenhofstrasse verschiedene Geschäfte.

Befragte Luzerner erwähnen im Zusammenhang mit dem «Chuchichästli» auch das ehemalige «Flora» direkt gegenüber. Obwohl heute mit dem «Bacio della Mamma» wieder ein italienisches Restaurant im Hause ist, war es früher vor allem der Patron Alfredo, der dank seines buschigen Schnauzers im Gedächtnis geblieben ist.

Ein Bild aus längst vergangenen Zeiten zeigt das Hotel-Restaurant Flora. Links am Bildrand wäre «Fugi's Chuchichästli». (Bild: Facebook / Historisches Lozärn / Du besch vo Lozärn)

Cafeteria Emilio: Die Ironie schlägt zu

Eines der jüngsten Beispiele ist – respektive war – die Cafeteria Emilio. Das beliebte Café am Grendel mit Eingängen auf beiden Seiten des Hauses war eines der wenigen Lokale, das zwischen Uhrengeschäften und Souvenirläden noch für urchige Atmosphäre sorgte. Ironisch also, dass nach dem Auszug der Beiz ein – Trommelwirbel! – Uhrengeschäft die Ladenfläche bezogen hat. Seit Sommer 2018 verkauft hier Breitling seine Ware.

Natürlich hat zentralplus hier nur eine Handvoll ehemaliger Beizen abgebildet, die im Laufe der Jahrzehnte Luzerner Mägen gefüllt haben. Einige weitere findest du im untenstehenden Quiz, das dein Wissen über einstige Beizen auf die Probe stellt.

Hinweis: Im Quiz wurde der Standort eines Restaurants korrigiert.

Verwendete Quellen
  • Artikel in der «LNN» vom 23. Januar 1989
  • Website «Asia Food Town»
  • Gespräche mit verschiedenen Stadtluzernern
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • Artikel des «Willisauer Bote» vom 25. Juni 2010
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
    Hanspeter Flueckiger, 11.04.2024, 15:14 Uhr

    Ich bin ebenfalls der Meinung, dass es Café Sonnstrahl geheissen hat. Man möge sich ansonsten beim ortskundigen Stadtbeobachter Monsieur Baume erkundigen. Er wird es wohl genau wissen. Das Gebäude kann man übrigens käuflich erwerben – CHF 8 Mio.. Es gäbe da noch andere Etablissements wie das Rio, das Hubertus, der Walfisch etc. zu erwähnen.

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  • Profilfoto von Cis Koch
    Cis Koch, 10.04.2024, 13:22 Uhr

    Wenn ich mich richtig erinnere, hieß das Café mit dem frischen Orangensaft Sonnstrahl und nicht Sonnenstrahl …

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    Stadt Luzerner, 10.04.2024, 09:54 Uhr

    Herr Spaeti, wann waren Sie zuletz in der City? 😉 Gant und Postomat sind an dieser Stelle schon lääääääängst Geschichte!

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    H.R.Ba, 10.04.2024, 09:32 Uhr

    War das Tea Room Dudle nicht an der Weggisgasse? Daneben befand sich das Modehaus Weingarten. Im Dudle gab es damals die besten Zigerkugeli weit und breit

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  • Profilfoto von Ferdi Spaeti
    Ferdi Spaeti, 09.04.2024, 22:43 Uhr

    Das Café Sonnstrahl war aber nicht im Gebäude wo jetzt PKZ ist, sondern im Haus vis-a-vis, wo jetzt Gant und der Postomat sind.

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    • Profilfoto von Frida
      Frida, 10.04.2024, 07:03 Uhr

      Ja genau. Man konnte von dort wunderbar die Leute auf dem Rathausplatz beobachten. Es war grossartig. Wie so viele andere Beizen auch, die nun irgendwelchen Kommerzläden oder Schnell-Imbissbuden zum Opfer fielen. Bin übrigens kein Boomer, kenne die Kneipen doch noch fast alle und noch viele mehr, die es nicht mehr gibt. Den Titel des sonst sehr tollen Artikels finde ich etwas despektierlich.

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