Was vom Brot-Hype geblieben ist

Sauerteig in Luzern: Vom «Glibber» zum Knusperbrot

Christian Aeby hat sich jahrelang mit Sauerteig auseinandergesetzt. Jetzt bietet er seine Brote auch in Luzern an. (Bild: zvg)

Das jahrhundertealte Brothandwerk des Sauerteigs erlebt seit der Pandemie auch privat neue Höhenflüge. In Luzern setzen mehrere Bäckereien auf die aufwändige Handwerkskunst.

Die Pandemie hat so manches kulinarische Handwerk wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Nebst dem Bananenbrot haben sich auch viele Leute an Sauerteigbrot versucht. Dabei wird erst eine Sauerteigkultur aus Mehl und Wasser angesetzt und über mehrere Tage mit zusätzlichem Mehl und Wasser «gefüttert», ehe der Ansatz für die Brotproduktion verwendet werden kann. Hat alles geklappt, entsteht ein knuspriges, gut verträgliches Brot, das lange haltbar ist.

Die Sauerteig-Faszination ist auch in Luzern spürbar. Nicht nur am Frühstückstisch, sondern auch bei hiesigen Bäckereien. In den meisten lokalen Bäckereien liegen Sauerteigbrote in der Auslage. Bei der Bäckerei Odermatt an der Bundesstrasse wirbt man gar damit, mit einer Sauerteigkultur zu arbeiten, die schon seit 1948 besteht.

Vom Filmset zur Backstube

Der neuste Vertreter der Sauerteig-Zunft in Luzern ist wohl «Bread.Love» mit einem kleinen Geschäft an der Murbacherstrasse 31. Wo bis vergangenen Herbst noch Haare geschnitten wurden, verkauft Geschäftsführer Christian Aeby heute seine gebackenen Kreationen. Dabei bleibt Aebys Sortiment bewusst überschaubar. «Wir stellen einen Teig her und machen daraus vier verschiedene Brote. Das klassische Pfünderli, eine Flûte, Bürli und der ‹Hammer› – ein grosser Laib.»

Der Verkaufsladen ist an der Murbacherstrasse 31 zu finden. (Bild: cbu)

Aeby, der jahrzehntelang als Filmemacher um die Welt reiste, schlug erst im Alter von 60 Jahren den Karrierepfad als Bäcker ein. «Die Filmbranche befand sich gerade in einem Wandel», erzählt er zentralplus. «Für mich war das der perfekte Zeitpunkt, um aufzuhören.» Aeby beschloss, sein Hobby zum neuen Hauptberuf zu machen: die Herstellung von Sauerteigbrot. «Ich war seit Jahren auf der Suche nach dem Brot meiner Kindheit», so der gebürtige Basler.

Der damals in Hamburg lebende Autodidakt orderte sich einen Holzofen in die heimische Garage und probierte sich aus. Zufrieden mit dem Ergebnis, verkaufte Aeby seine Kreationen erst am örtlichen Wochenmarkt. Dann in einem eigenen Geschäft – dem ersten «Bread.Love».

Expansion vorerst eingestellt

Später zog es ihn zurück nach Basel, wo er mit der Vital Speisehaus Bäckerei zusammenspannte und weitere «Bread.Love»-Filialen eröffnete. In Basel, Zürich und zuletzt in Luzern. «Luzern hat ein hohes Qualitätsbewusstsein», nennt er als Begründung für den Standort. Mit dem bisherigen Verlauf in Luzern ist er zufrieden, die Lage an der Murbacherstrasse sei jedoch eine Herausforderung, da sie nicht gerade als Einkaufsmeile gilt.

Weiter expandieren will Aeby derzeit nicht. Auch aus Kapazitätsgründen. Mit der gegenwärtigen Infrastruktur backt die Basler Manufaktur derzeit an die 900 Kilogramm Brot pro Woche. Viel mehr liege gar nicht drin. Aber auch so ist der Neo-Bäcker zufrieden. Seine Brote werden mittlerweile auch in verschiedenen Sterne-Betrieben serviert.

Pandemie als Sauerteig-Treiber

Dass Sauerteigbrote einen Aufwind erfahren, fusse sicherlich auch auf die Corona-Pandemie, ist Aeby überzeugt. «Die Leute hatten Zeit, etwas Neues auszuprobieren.» Auch er sei oft um Rat, Rezepte und Sauerteig-Ansätze gefragt worden. Mit dem Ende der Pandemie sei aber auch die Lust nach der heimischen Produktion wieder gesunken. «Die Sauerteig-Herstellung ist zwar keine Hexerei, aber sie ist aufwändig», so Aeby. Als nach der Pandemie das «wahre Leben» wieder zurückgekommen sei, hätte wohl vielen Privatpersonen schlicht die Zeit gefehlt.

Zeit, die auch viele Bäckereien heute nicht mehr hätten, sagt Aeby. Sein Teig ruht um die 48 Stunden, ehe er verarbeitet wird. Wichtig sei auch ein hoher Feuchtigkeitsgehalt, das Mischverhältnis zwischen Mehl und Wasser. Diese hohe Hydration sei entscheidend für die Luftigkeit des Teiges – und eine knusprige Kruste. Sie hat aber auch einen Nachteil: «Der Teig wird sehr flüssig und klebrig.» Die Verarbeitung sei entsprechend mühsam.

Aeby und sein Team falten den Teig deswegen während mehreren Stunden, damit er stabiler wird. Eine Knochenarbeit, die entsprechende «Manpower» benötige. Dem aufwändigen Prozess sei auch der höhere Preis geschuldet. Ein «Pfünderli» kostet bei «Bread.Love» in Luzern 7 Franken. Bei der Bäckerei Bachmann liegt der Preis der «Suurteigwegge» bei 4.20 Franken, bei der Bäckerei Hug bei 4.30 Franken.

Die Schweiz – ein Volk von einig’ Brotessern

In der Schweiz steht Brot hoch im Kurs. In den vergangenen Jahren hat der Brot- und Getreidekonsum in der Schweiz gemäss Bundesamt für Landwirtschaft stetig zugenommen. Im Jahr 2022 haben Schweizerinnen rund 263’000 Tonnen Brot eingekauft. Gestiegen sind allerdings auch die Preise für die Produktion – und damit letztlich auch für den Verkauf von Backwaren (zentralplus berichtete).

Für Sauerteige gibt es designierte Hotels

Das Geschäft mit dem Sauerteig ist nicht nur für Bäckereien lukrativ. Das hohe Interesse am Handwerk hat noch Geschäftsmöglichkeiten abseits der Brotregale ins Leben gerufen. Etwa in Form von Sauerteig-Hotels. Sauerteige sind pflegebedürftig und müssen regelmässig «gefüttert» werden. Fast wie ein Haustier. Oder Kleinkind. Nur weniger anstrengend. Und mit weniger fatalen Folgen, wenn man sie vergisst. Trotzdem gehen sie ein, wenn man sich nicht regelmässig darum kümmert. Gerade bei längeren Abwesenheiten wie Ferien kommt dadurch oft die Frage: Wohin mit dem aufwändig herangezüchteten Brot-«Glibber»? Eine Lösung ist ein Sauerteig-Hotel.

Das erste dieser Art eröffnete im Oktober 2020 in Uster. Dahinter steht Martin Mayer von der Bäckerei-Konditorei Vuaillat, die er 2016 übernommen und seither ausgebaut hat. Der gelernte Bäcker beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Handwerk des Sauerteigs. Aber nicht, um Massenware herzustellen. Mayer will das Bäckerhandwerk aufwerten und möglichst viele Menschen für «richtig gutes Brot begeistern», wie auf der Website des Betriebs zu entnehmen ist.

Seine Liebe zum Sauerteig zeigt sich nicht nur in den rund 15 verschiedenen Sauerteigbroten, die in Mayers Bäckerei in der Auslage liegen, sondern auch im Hotel. Dieses werde seit Beginn rege genutzt, die Auslastung sei gut, schreibt Mayer auf Anfrage und bestätigt: «Speziell während den Ferienzeiten haben wir teilweise einen Andrang auf das Hotel.»

Martin Mayer und sein Sauerteig-Hotel. (Bild: zvg / Vuaillat)

Gäste aus der ganzen Schweiz kämen vorbei, um ihre Schützlinge in die Obhut von Mayer und seinem Team zu geben. Aus dem Umland, der Zentralschweiz, sogar aus dem Tessin seien schon Leute angereist. Die teigigen «Gäste» kriegen nach Absprache mit den Besitzern eine ganz individuelle Behandlung während ihres Aufenthalts. Je nach Bedürfnis würden die Sauerteig-Kulturen mit entsprechenden Mehlen verköstigt. Mehle, welche die Sauerteig-Eltern beim Einchecken selbst mitbringen müssen.

Eine Woche Aufenthalt in der Wellness-Oase für Sauerteig kostet 49 Franken. Geld verdiene er damit nicht, sagte Mayer einst gegenüber der «Berner Zeitung». Es sei mehr eine Dienstleistung. In der Zentralschweiz gibt es derzeit noch kein designiertes Sauerteig-Hotel.

So wirds was mit dem eigenen Brot

Das rege Interesse am Sauerteig-Hotel zeigt: Obwohl die Freude an selbstgemachtem Sauerteigbrot nach der Pandemie wieder abgenommen hat – verschwunden ist sie nicht. Darum zuletzt noch ein paar Sauerteig-Tipps vom Brotprofi Christian Aeby. Wichtig sei, dass man naturbelassenes Mehl mit hohem Proteingehalt verwende. Im Idealfall Mehl aus der Bäckerei, dem Reformhaus oder direkt von der Mühle. Normales Weissmehl aus dem Supermarkt-Regal sei nicht ideal.

Wenn es darum geht, mit dem angesetzten Sauerteig den effektiven Brotteig herzustellen, rät Aeby zu einer hohen Hydration. Auf ein Kilogramm Mehl rechnet er acht Deziliter Wasser. Den Teig im Anschluss mehrere Stunden gehen lassen und dann über mehrere Stunden mehrmals übereinanderfalten. Das sorgt dafür, dass er Schichten bildet und ein Glutennetz aufbaut, was den Teig stabiler macht. Zuletzt den Teig über Nacht im Kühlschrank noch einmal gehen lassen und schliesslich backen.

Aus übrig gebliebenem Sauerteig der Starterkultur lassen sich gemäss Aeby übrigens leckere Pancakes zubereiten.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Raphi
    Raphi, 25.02.2024, 20:56 Uhr

    Einfacher Tipp zur Lagerung des Sauerteigs während man in die Ferien geht: 20g Anstellgut, 60g Mehl und 40g Wasser: Verrühren und direkt in den Kühlschrank. Gibt einen härteren Klumpen. So lebt er auch 2,5 Wochen. Bei der Rückkehr einfach bald mal wieder hydrieren: 15g Anstellgut, 50g Mehl, 50g Wasser, 6-10h bei Zimmertemperatur gehen lassen und in den Kühlschrank damit, so hat man wieder einen glücklichen Sauerteig. 😉

    Mein Brotrezept: Morgens 15g Anstellgut in ein neues Gefäss (Und mit 50g Wasser und 50g Mehl auffühlen), Rest in die Schüssel, 500g Dinkelmehl, 3dl Wasser 12-15g Salz (Je nach Gusto). 6min in der Maschine kneten lassen, dann bis Abends zugedeckt bei Zimmertemperatur gehen lassen, durchkneten und falten bis er nicht mehr klebt, in ein Gärkörbchen, eingepackt über Nacht in den Kühlschrank. Am Nächsten Tag: Ab in den Römertopf, tief einschneiden, Ofen auf Ober/Unterhitze mit einer gefüllten Wasserschale auf Maximum aufheizen (270 Grad): 35min mit Deckel backen, 25min ohne: Perfektes Sauerteigbrot.

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  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 25.02.2024, 16:57 Uhr

    Für Kunden/-innen gut zu wissen: Sauerteig-Brot ist nicht Sauerteig-Brot. Bäcker Paul Odermatt eröffnete mir das im Artikel treffend beschriebene Geheimnis der aufwändigen Herstellung und Pflege des Sauerteigs, dem sein köstliches Brot entsprang. Aber auch, dass die grösseren Bäckereien – wie eine im Artikel genannte – keine Sauerteig-Mutter pflegen, sondern Fertigmischungen verbacken, also eigentlich Fakebrot verkaufen.

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