Viel Herzblut für den eigenen Kaffee

Warum in Luzern Mikro-Röstereien boomen

Ramon Hässig wirkt in der Mikrorösterei an der Bruchstrasse. (Bild: cbu)

Kaffee beherrscht die Schweiz. Zahlreiche Kaffeerösterinnen versuchen ihr Glück mit lokalen Mikro-Röstereien. Das Geschäft mit der Bohne ist allerdings kein Zuckerschlecken – und auch nicht zwingend lukrativ.

Die Schweiz ist ein Kaffeeland. Nicht nur trinken Frau und Herr Schweizer im Schnitt zwei bis drei Tassen täglich, gemäss einer Recherche der ZHAW läuft auch zwischen 70 und 80 Prozent des weltweiten Exports von Rohkaffee über die Schweiz. Etwa 4,5 Milliarden Franken spült der Kaffee jährlich in Schweizer Kassen. Für Notfälle wie Kriege oder Naturkatastrophen bunkert die Schweiz gar über 13’000 Tonnen Rohkaffee als Notrationen in Pflichtlagern.

Nebst dem Import und Export lieben Schweizerinnen aber auch Kaffee aus lokaler Produktion. Noch vor wenigen Jahren war Luzern auf dem Schweizer Röstereimarkt kaum vertreten. Heute ist im Kanton eine lebendige Kaffeekultur entstanden. Nicht nur sind grosse Unternehmen wie Hochstrasser und Rast ansässig, auch verschiedene Klein- und Mikroröstereien buhlen um koffein- und genussfreudige Kundschaft. Sei es etwa im Himmelrich, wo «Kaffeekranz» eine Rösterei samt Café betreibt (zentralplus berichtete) oder das Café Tacuba an der Eichwaldstrasse.

In der Stadt gibt es aber auch verschiedene Betriebe, die sich hauptsächlich auf das Rösten und Verkaufen von Bohnen spezialisiert haben – kein einfaches Unterfangen. Und oft auch kein besonders lukratives.

Der Kaffeemarkt ist hart umkämpft. Kleine Röstereien haben es zudem schwer, mit den Margen der «Grossen» mitzuhalten oder Fuss in der lokalen Gastronomie zu fassen. Oft sind die Preise von Kaffee aus Mikro-Betrieben höher als bei Grossverteilern. In Zeiten von Teuerung und Inflation entscheiden sich darum nicht wenige – Private und Unternehmen – für die günstigere Variante.

Seit zehn Jahren «hässig»

Ein Vorreiter der Luzerner Mikro-Röstereien ist «hässig & hässig» an der Bruchstrasse 44. Bei der Eröffnung 2015 war die Rösterei im Bruchquartier die erste ihrer Art in der Stadt. Und das «Mikro» ist hier durchaus wörtlich zu verstehen. Ramon Hässig, sein Vater Marc und sein Grossvater rösten heute auf knapp 25 Quadratmetern zwischen 600 und 800 Kilogramm Kaffee pro Jahr.

Seit der Firmengründung durch die Gebrüder Marc und Kurt Hässig stand das Team für später folgende Mikro-Röstereien mehrmals mit Ratschlägen zur Seite (zentralplus berichete). Selbst ist das Kleinunternehmen allerdings kaum gewachsen. Weder haben die Hässigs ein Café eröffnen wollen noch ins Ausland exportiert oder neuste Kaffee-Trends mitgemacht. Stattdessen fokussieren sie sich lieber auf ihr Kerngeschäft: guten Kaffee nach italienischer Art anbieten, mit Kaffeebohnen von Bio-Bauern aus Südamerika, Afrika und Nepal.

Eine Expansion wäre allerdings auch schwierig. Die Hässigs haben damals die Röstmaschine samt Lüftung in Eigenregie in die Räumlichkeiten, die sie mit einer Grafik-Künstlerin teilen, eingebaut. Ein Ausbau und Umzug wäre sehr aufwändig, zumal geeignete Räumlichkeiten schwer zu finden sind. Nicht zuletzt wäre es auch eine Kostenfrage.

Auf einer Coffeetool R5-7.5 röstet die Familie Hässig ihren Kaffee. (Bild: cbu)

Eine Mikro-Rösterei sei kein geeigneter Weg, um schnell Geld zu verdienen, sagt Ramon Hässig bei einem Besuch gegenüber zentralplus. Der Aufwand hinter dem Betrieb ist gross, die Umsätze je nach Marktlage und Nachfrage gering, die Konkurrenz zahlreich. So bleibt das Kaffeerösten für die Hässigs nach wie vor ein Nebenerwerb. Einer, der sich vielleicht nicht immer finanziell auszahlt, aber der Freude macht. «Es ist schön, etwas mit den Händen zu machen, abseits eines Computermonitors», erzählt Ramon Hässig, der ein- bis zweimal pro Woche an der Röstmaschine steht.

Warum gerade Luzern in den letzten Jahren für Mikro-Röstereien so interessant geworden ist, kann sich der Luzerner auch nicht abschliessend erklären. Gesteigertes Interesse am Handwerk, neue Kaffee-Trends oder die Tatsache, dass Luzern eine lebendige Café-Kultur hat – mögliche Gründe gibt es mehrere. Aber die Entwicklung sei letztlich logisch. «Schliesslich gibt es in anderen grossen Schweizer Städten schon länger eine Vielzahl von Röstereien.»

Für den 21-Jährigen, der jüngst ins operative Geschäft von «hässig & hässig» eingestiegen ist, bildet die Mikro-Rösterei nebst einem Kleider-Start-up das zweite Unternehmen, das er betreut. Ein klassischer Karriereweg sei nicht sein Ding. «Ich brauche die Unabhängigkeit und ich arbeite gerne selbstständig.» Er arbeite lieber nach dem «High Risk – High Reward»-Prinzip statt auf Nummer sicher zu gehen. Und trotz den Tücken des Geschäfts und den Schwankungen am Kaffeemarkt ist Ramon Hässig stolz auf den Familienbetrieb, den sein Vater und sein Onkel vor rund zehn Jahren aufgebaut haben.

Für die Zukunft von «hässig & hässig» wünscht er sich, das Geschäft in eine stabile Profitzone zu führen. Keine leichte Aufgabe, wie Hässig erklärt. «Es ist ein Auf und Ab – auch mental.» Ein neu aufgezogener Online-Shop und mehr Ressourcen fürs Marketing sollen die Mikro-Rösterei wieder ins Rampenlicht rücken. «Ich bin zuversichtlich für die Zukunft.» Denn obwohl Kaffee an sich kein einzigartiges Produkt ist und der Markt hart umkämpft – es ist eben auch ein zeitloses und ungebrochen nachgefragtes Gut.

Vom Gartenhaus-Shop …

Im selben Jahr wie «hässig & hässig» haben auch Mira Hochstrasser und Mario Waldispühl ihre Mikro-Rösterei gegründet und im März 2016 in Horw eröffnet. «El Imposible Roasters» in Horw spezialisiert sich auf traditionelle Röstungen mit Bohnen aus Mexiko, Ruanda und El Salvador. Dabei legt das Paar grossen Wert darauf, direkt mit Rohkaffee-Produzentinnen zusammenzuarbeiten, die sie persönlich kennen. Durch diesen direkten Handel können sie die Transportwege so transparent wie möglich halten.

Was 2016 als Herzensprojekt begann, entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einer festen Grösse im lokalen Kaffeemarkt. Gemäss Mario Waldispühl bewegt sich «El Imposible Roasters» mittlerweile eher an der oberen Grenze in der Kategorie Mikro-Rösterei. Mit rund zwölf Tonnen geröstetem Kaffee pro Jahr werden im Erdgeschoss eines Industriebaus an der Kantonsstrasse deutlich mehr Bohnen geröstet als in anderen Kleinbetrieben in der Umgebung.

Obwohl die Rösterei in Horw ihren Kaffee an zahlreiche Büros, Beizen und Detaillisten verkauft, macht sie einen Teil des Umsatzes via Direktverkauf – unter anderem über ein Gartenhäuschen direkt an der Strasse. Die Kundschaft habe früher gefragt, ob Bestellungen direkt vor Ort abgeholt werden könnten – auch ausserhalb der Öffnungszeiten. «Zuerst haben wir die Bestellungen vor die Türe gelegt», erinnert sich Mira Hochstrasser. «Bald wurden es aber zu viele, da mussten wir uns etwas anderes überlegen.»

Dieses unscheinbare Gartenhäuschen ist bei Kaffee-Fans eine begehrte Adresse in Horw. (Bild: cbu)

Die nächste Idee war, eine Metallkiste mit Zahlenschloss aufzustellen. «Im Baumarkt haben wir gesehen, dass ein Gartenhäuschen günstiger war als eine Kiste», erzählt Mario Waldispühl. «Wir haben uns dann für das Gartenhäuschen entschieden.» Seither kann sich die Kundschaft rund um die Uhr im Selbstbedienungsverfahren mit Kaffee eindecken. Ein Angebot, das rege genutzt wird – manchmal auch in den frühen Morgenstunden, wie Mario Waldispühl schmunzelnd erzählt. Probleme habe es nur einmal gegeben. «Uns wurde die Kasse geklaut. Seither setzen wir auf Twint», so Waldispühl.

Über die zahlreichen Mikro-Röstereien im Kanton freut sich das Paar. Zu Beginn hätte jede Neuankündigung noch für leichtes Unbehagen gesorgt. «Bis wir gemerkt haben, dass jeder Betrieb ein anderes Konzept und eigene Produkte hat», sagt Mira Hochstrasser. Heute sehen sie die eigentliche Konkurrenz als Mitstreiter – und auch als Chance. «Jede neue Rösterei bringt unser Handwerk wieder ins Gespräch, sensibilisiert die Leute für die Vielfalt von Kaffee. Das nützt jedem einzelnen von uns», meint Mario Waldispühl. Zudem finde zwischen den Röstereien gesamtschweizerisch ein reger Austausch statt. «Man hilft sich aus, Geheimnisse gibt es eigentlich keine.»

Mira Hochstrasser und Mario Waldispühl. (Bild: Marmite / Christine Benz)

In der Schweizer Kaffeeszene sind Mira Hochstrasser und Mario Waldispühl als Mitglieder der Speciality Coffee Association gut vernetzt – und können von ihrer Arbeit als Kaffeeröster leben. Dahinter steckt allerdings jahrelange und intensive Arbeit – und die Einsicht, nicht überall mitmischen zu können. So ist ein eigenes Café beispielsweise (noch) kein Thema. Dafür fehlt sowohl der geeignete Platz als auch die Zeit. Während Mira Hochstrasser und eine Mitarbeiterin mehrmals pro Woche Bohnen für ihre zwölf verschiedenen Sorten rösten, ist Mario Waldispühl noch in der «Jazzkantine» in Luzern aktiv, wo der Gault-Millau-Koch als Gastgeber tätig ist – und fleissig Kaffee aus Horwer Eigenproduktion ausschenkt.

… bis zum Edelkaffee

Einen anderen Weg schlagen Stefania und Pietro Catalano ein. Die Geschwister betreiben seit November das Edelrestaurant CAAA an der Haldenstrasse, wo sie nebst gehobener Gastronomie auch experimentelle Cocktails anbieten. Und Kaffee aus eigener Rösterei.

«Bean Factory» heisst ihr kleiner Betrieb in Buchrain und ist wohl der neuste Mitspieler auf dem Luzerner Kaffeemarkt. Die Gastro-Familie Catalano hatte früher für die Betriebe der Eltern Kaffee aus Italien importiert, bis während der Corona-Zeit die Idee entstand, selbst zu rösten. «Während der Pandemie hatte man Zeit für solche Projekte», sagt Pietro Catalano. «Wir haben uns durch zahlreiche Sorten durchprobiert, bis wir die richtigen Bohnen gefunden haben», erinnert sich Stefania Catalano, die später die Ausbildung zur Röstmeisterin absolviert hat.

Pietro Catalano und seine Schwester Stefania (rechts) setzen auf KI-Kaffee. (Bild: zvg)

Vor Ort in Buchrain amtet Pietro und Stefanias Bruder Domenico. Rund 500 Kilogramm Kaffee röstet er hier pro Jahr. Bohnen, die er über den Zuger Rohstoffhändler Interamerican Coffee bezieht. Geröstet wird mit einem «Rolls-Royce», ja gar dem «heiligen Gral» der Röstmaschinen, wie Pietro Catalano freudig erzählt: Einer Loring-Röstmaschine aus amerikanischer Manufaktur, die für ihre Nachhaltigkeit bekannt ist, weil sie 80 Prozent des CO2 wiederverbrennt. 50’000 Franken hat das Gerät damals gekostet. Der heutige Kaufpreis liegt bei über 70’000 Franken – mit einer Warteliste von rund einem Jahr, wie der Spitzenkoch erzählt. Kaffeerösten wurde in den letzten Jahren also nicht nur in Luzern beliebt, sondern weltweit.

Die Catalanos haben einen Grund, warum sie auf eine Hightech-Maschine setzen. Der experimentierfreudige Koch will ab diesem Jahr neuste KI-Technologie verwenden, um den Kaffee zu personalisieren. Dabei werden dem Kunden verschiedene Fragen gestellt – etwa, welche Weinsorte ihm schmeckt oder ob er lieber bittere oder süsse Schokolade hat – und die Antworten dienen dazu, ein eigenes Aroma-Profil für die Kundschaft – Firmen oder Privatpersonen – zu erstellen. Derzeit suchen die Catalanos noch nach Testpersonen, welche die KI-Technik ausprobieren wollen. Verkauft werden die Bohnen unter anderem in hermetisch verschlossenen Aluminienbüchsen via Onlineshop oder im Restaurant CAAA selbst.

Der hauseigene Kaffee wird auch für Cocktails genutzt. (Bild: zvg)

Ein gemütlicher Zeitvertreib ist das Geschäft mit dem Kaffee indes nicht. Auch aus finanzieller Hinsicht. Rohbohnen sind nämlich an der Börse kotiert. «Die Preisschwankungen fallen darum stark ins Gewicht», sagt Pietro Catalano. Kostendeckend ist der Betrieb derzeit noch nicht. Man habe aber auch keinen Druck. «Wir lassen uns Zeit und experimentieren viel herum», sagt Pietro Catalano, der den Kaffee auch im Restaurant CAAA einsetzt – für spezielle Essenzen und als Zutat für seine Drinks. «Die Bean Factory ist noch ein Baby im Wachstum», fasst Stefania Catalano zusammen. Eines, das wohl zügig den Kinderschuhen entwachsen wird.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Pietro und Stefania Catalano
  • Website Beanfactory
  • Persönliches Gespräch mit Ramon Hässig
  • Website Hässig & Hässig
  • Persönliches Gespräch mit Mira Hochstrasser
  • Website El Imposible Roasters
  • Artikel im «Tagesanzeiger»
  • Website Café Tacuba
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Rolf
    Rolf, 17.02.2024, 10:17 Uhr

    Zuerst Mikrobrauereien und nun Mikroröstereien. Alles nur Zeitgeist, wieder ein Hype für ewig Suchende.

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  • Profilfoto von Jerome Halter
    Jerome Halter, 10.02.2024, 20:22 Uhr

    Ein Kaffeeland? Ha! Das was in über 80% der Restaurants serviert wird ist braune Brühe und hat nichts mit Kaffee zu tun. Es ist gut vergleichbar mit Wein im Schlauchbeuteln für 2.70 den Liter…

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