Die Kunst der «Latte Art»

Hier gibt’s den schönsten Kaffee der Stadt Luzern

Patrick Lüthold vom «Kaffeekranz» ist als Autodidakt in die Kaffeebranche eingestiegen. (Bild: cbu)

Ein morgendlicher Kaffee ist für viele von uns Pflichtprogramm. Nebst Geschmack kann aber auch die Optik entscheiden. In Luzern gibt es wahre Milchschaum-Künstler, die aus dem Muntermacher kleine Kunstwerke zaubern.

Donnerstagmorgen, 8.10 Uhr in der Bahnhofsunterführung Luzern. Auf der Strasse oben tobt ein kleiner Schneesturm. Hier unten ist es «nur» kalt. Gemütliche Musik hallt durch den Gang. Stammen tut sie vom Kaffeevelo. Hier treffe ich auf Samuel «Sämi» Achermann. Seit 5.45 Uhr versorgt er müde und gestresste Pendlerinnen sowie Koffeinjunkies und Kaffeegeniesser mit frischem Kaffee. Die Rushhour ist vorbei, trotzdem herrscht am Kaffeevelo noch reger Betrieb.

Sämi schenkt aber nicht bloss Kaffee in einen Pappbecher, haut einen Deckel drauf und reicht ihn über die Theke. In wenigen Sekunden zaubert er aus Milchschaum noch ein kleines Kunstwerk in Form eines Herzens auf die Oberfläche. Sogenannte Latte Art. Diese Geste bringt ihm oft ein Lächeln seiner Kundschaft ein. «Manche wollen den Kaffee gar nicht trinken, um das Sujet nicht zu zerstören», sagt Sämi Achermann gut gelaunt.

Dank Social Media im Trend

Die Latte Art erlebt vor allem durch soziale Netzwerke wie Tiktok und Instagram einen Trend. Die kleinen Kunstwerke aus Milchschaum sind beliebte Fotosujets. «Der Klassiker ist das Herz», sagt Achermann. Dieses gestaltet er innert wenigen Sekunden auf jedem Kaffee, den er verkauft. Auch eine Rosetta, Tulpe oder ein Schwan gehören zu seinem Repertoire. An der «Rose» übt er noch.

Für Sämi Achermann ist klar: «Latte Art spielt zwar eine Rolle. Aber der Kaffeegeschmack bleibt trotzdem am wichtigsten.» In meinen Kaffee giesst Achermann ein Herz und betrachtet es kritisch. «Patrick kann es besser», sagt er und lacht.

Patrick Lüthold hat mit Florian Junker die Luzerner Rösterei «Kaffeekranz» gegründet. 2019 haben sie das Kaffeevelo ins Leben gerufen (zentralplus berichtete). Seither ist das Unternehmen gewachsen, betreibt ein Kaffeelokal mit Rösterei an der Claridenstrasse 4 und einen weiteren Standort in der im vergangenen April eröffneten Orell-Füssli-Filiale im Bahnhof Luzern (zentralplus berichtete). Das Gründer-Duo hat sich im vergangenen Dezember aufgeteilt. Während Lüthold die einzelnen «Kaffeekranz»-Standorte betreut, ist Junker für Caterings und Eventbarista-Anfragen zuständig.

«Ein Kunde kommt praktisch täglich von Kriens hierher, um sich seinen Kaffee zu holen.»

Sämi Achermann, Kaffeevelo

Sämi Achermann hat das Kaffeevelo im Franchise-Prinzip vor rund einem Jahr übernommen. Der gelernte Zimmermann hat seine Fähigkeiten nicht nur genutzt, um beim Ausbau des «Kaffeekranz»-Lokals in der Claridenstrasse zu helfen, er hat auch das Kaffeevelo umgebaut und vergrössert. Seither hat er sich eine treue Kundschaft aufgebaut. An die 150 Kaffees verkauft er durchschnittlich jeden Morgen. «Ein Kunde kommt praktisch täglich von Kriens hierher, um sich seinen Kaffee zu holen.» Das liege aber weniger an der Latte Art, sondern am Gesamtpaket mit Kaffee, Musik und seiner guten Laune, ist er überzeugt.

Samuel «Sämi» Achermann vom Kaffeevelo zaubert Pendlern in der Bahnhofsunterführung Luzern gerne ein Lächeln aufs Gesicht. (Bild: cbu)

Alles eine Frage der Übung

Ich statte «Kaffeekranz»-Mitgründer Patrick Lüthold an der Claridenstrasse einen Besuch ab. Das Grundwissen über Kaffee und die Latte Art hat sich der gelernte Psychologe autodidaktisch beigebracht. Vertieft hat er es mit Barista-Kursen. Sein Rezept für gelungene Latte Art: «Üben, üben, üben.»

«Latte Art macht Kaffee nicht besser. Nur schöner.»

Patrick Lüthold, «Kaffeekranz»

Latte Art sei weniger eine Frage des Equipments als eine der Fähigkeiten. «Es sind Mikrobewegungen, die den Unterschied ausmachen. Und diese muss man einfach üben. Es ist eine Frage des Gefühls und der Technik», so Lüthold. Viele, die sich an Latte Art wagen, seien zu ungeduldig und geben zu schnell auf.

Hemmschwelle Foodwaste

Eine Hemmschwelle ist auch die Tatsache, dass man mit Lebensmitteln übt und diese nicht unnötig verschwenden will. Doch es gibt einen Kniff. «Das korrekte Aufschäumen kann man auch mit Spülmittelschaum und Wasser üben. Das Eingiessen mit gebrauchtem Kaffeepulver und Milch – so reicht's für mehrere Versuche.»

Auch die Temperatur beim Milchaufschäumen ist relevant – unabhängig davon, ob es Kuh-, Hafer- oder Mandelmilch ist. Lüthold erhitzt sie auf 65 Grad. «Darüber verbrennen die Milchproteine und es entwickelt sich ein verbranntes Aroma.» Die aufgeschäumte Milch klopft er danach ab, um die grössten Luftblasen zu entfernen. Erst dann giesst er den Milchschaum in und auf den Kaffee.

Bei der Latte Art werden zwei Arten unterschieden. Das «Latte Art Pouring» und das Zeichnen. Beim Pouring werden Sujets wie das Herz, Tulpen und Schwäne durchs reine Eingiessen kreiert. Beim Zeichnen hilft man mit einem Stift nach. Das erlaubt auch komplexere Figuren wie Osterhasen, Pokémon oder Dinos. Profi-Künstler messen sich in weltweiten Wettbewerben um die schönsten Latte-Art-Kunstwerke.

Patrick Lüthold setzt bei seinen Baristas Grundkenntnisse bei der Latte Art voraus. «Das Herz sollten sie beherrschen», sagt er. «Wichtiger ist mir aber, dass mein Team das Aufschäumen und die Kaffeemaschine im Griff haben.» Für den Kaffee setzt «Kaffeekranz» auf eine Eigenröstung und eine Chromstahlmaschine. Lüthold weiss: «Latte Art macht Kaffee nicht besser. Nur schöner.»

Kaffeebranche ist kein Zuckerschlecken

Bekanntlich isst – oder in diesem Falle trinkt – das Auge mit. Latte Art ist denn auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Kundschaft und soll von der stark vertretenen Konkurrenz abheben. Denn der Kaffeemarkt ist hart umkämpft. Seien es Bäckereien, Restaurants oder Kioske – Coffee to go ist heute fast an jeder Ecke zu kriegen.

Das spürt auch das «Kaffeekranz»-Team. Während das Lokal an der Claridenstrasse etwas versteckt an der Gebäudeflanke liegt und deswegen weniger auf Laufkundschaft zählen kann, muss sich der Standort im Orell Füssli samt Take-away-Fenster noch weiter etablieren. Nebst dem Hauskaffee setzt «Kaffeekranz» auch auf eigene Events und bietet seine Dienste für Messen, Jubiläen und andere Anlässe an.

Und Sämi Achermann verzichtet mit seinem Kaffeevelo künftig auf einen Betrieb am Samstagmorgen. «Es gibt dann schlicht zu wenig Leute, die hier durchkommen», sagt er. Dieses Problem hatte auch die «Kaffeekranz»-Filiale in der Bahnhofpassage in Zug. Sie schloss nach rund sechs Monaten wieder ihre Türen (zentralplus berichtete).

Das Geschäft mit dem dekorativen Milchschaum

Wer die Kunst mit dem Milchschaum erlernen will, kann sich in Luzern weiterbilden. So bieten beispielsweise die Kaffeebetriebe Hochstrasser mit Sitz in Luzern und Rast in Ebikon verschiedene Barista-Kurse an. Darunter auch Latte Art – sowohl für Privatpersonen als auch Leute aus der Branche.

Die Kurse sind begehrt. «Wir merken, dass sich zunehmend mehr Privatpersonen für das Thema Latte Art interessieren und auch zuhause einen schönen Cappuccino zubereiten möchten», schreibt Sandro Stehli von Hochstrasser Kaffee auf Anfrage. Aber auch in der Gastronomie sei die Nachfrage nach den Kursen gross. Rund alle zwei Monate bietet Hochstrasser einen Kursnachmittag für Latte Art an. Auf Wunsch bietet das Unternehmen auch individuelle Trainings mit den Baristas André Strittmatter oder Alessandro Ferreri an.

Kreative Latte Art des Barista Alessandro Ferreri siehst du in der Bildstrecke:

Zurück zur Bahnhofsunterführung in Luzern und zu Samuel Achermanns Kaffeevelo. Sein Einsatz für heute ist fast geschafft. Einigen Nachzüglern verkauft er trotzdem mit Freuden noch Flat Whites und Cappuccinos – mit eingegossenen Herzen. «Bist du von einer Zeitung?», fragt eine Kundin. Ich nicke. «Gut, über so etwas Schönes kann man ruhig schreiben», sagt sie gut gelaunt. Gesagt, getan.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Patrick Lüthold
  • Website World Coffee Championship
  • Persönliches Gespräch mit Samuel Achermann
  • Website Rösterei Rast
  • Schriftlicher Austausch mit Sandro Stehli, Hochstrasser Kaffee
  • Website Rösterei Hochstrasser
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