Umstrittenes Pilotprojekt

Novum in der Schweiz: So kam das Friedhofscafé in Luzern an

Gründerinnen des kleinen Cafés (v.l.n.r.): Li Hangartner, Silvia Strahm Bernet, Beata Pedrazzini und Carmen Jud. (Bild: zvg)

Das Café beim Friedhof Friedental in Luzern ist Geschichte – vorerst. Die Café-Betreiberinnen sind mit dem Projekt zufrieden. Ob es weitergeht, ist noch unklar.

Im Frühjahr startete die Stadt Luzern beim Friedhof Friedental ein Pilotprojekt. Unter der Linde bei den Gemeinschaftsgräbern wurde ein kleines Begegnungscafé mit ein paar Tischen und Stühlen aufgebaut. An 24 Nachmittagen wurden zwischen April und Juli an einem mobilen Tresen Kaffee und Kuchen verkauft. Ein Novum in der Schweiz. Während in Ländern wie Deutschland und Österreich Friedhofscafés bereits etabliert sind, gab es sie hierzulande bisher nicht (zentralplus berichtete).

Hinter dem Projekt beim Luzerner Friedhof steht die IG Friedhofscafé, eine Gruppe feministischer Theologinnen, die mit dem Café einen Begegnungsort schaffen wollten. Einen Ort, an dem sich Friedhofsbesucher ungezwungen «über Gott und die Welt» unterhalten konnten.

Die Idee des «Café unter der Linde» stiess nicht überall auf Gegenliebe. In den Kommentarspalten haben einige zentralplus-Leserinnen ihrem Unverständnis freien Lauf gelassen. Die Rückmeldungen über ein Friedhofscafé reichten von «völlig absurd» bis zu «deplatziert» und «widerwärtig» (zentralplus berichtete). Seit einigen Wochen ist das Pilotprojekt Geschichte und wie sich zeigt, kam die Idee bei den meisten Besuchern trotz allem gut an.

Café-Gründerinnen sind vom Konzept überzeugt

Man blicke mit positiven Erinnerungen auf den Betrieb zurück, sagt Silvia Strahm Bernet gegenüber zentralplus. Die Theologin und Buchautorin ist nebst Li Hangartner, Beata Pedrazzini und Carmen Jud eine der Initiantinnen des «Café unter der Linde». Die Idee eines ungezwungenen Begegnungsortes habe in der Tat funktioniert. «Dank der begrenzten Anzahl Tische und Stühle setzten sich die Leute zueinander und kamen so problemlos ins Gespräch», sagt Strahm Bernet.

Das Begegnungscafé stand unter der Linde beim Friedhof Friedental. (Bild: cbu)

Dass sich die Gesprächsthemen an diesem Ort naturgemäss auch um das Sterben und den Tod drehten, sei für die Café-Betreiberinnen naheliegend und auch ein Zeichen dafür, dass ein Friedhofscafé eine Bereicherung für alle sei – für Gäste und das Café-Team gleichermassen. Davon würden auch die positiven Einträge im Gästebuch zeugen, das die IG Friedhofscafé vor Ort ausgelegt hatte. Während der drei Monate hätten sich pro Tag durchschnittlich um die 30 Personen an die Tische gesetzt. Manchmal seien es weniger gewesen, an anderen Tagen dafür bis zu 60 Gäste.

Von den kritischen Stimmen im Vorfeld haben die Betreiberinnen vor Ort nur wenig mitbekommen. «Wir wurden kaum darauf angesprochen», meint Silvia Strahm Bernet. Zu Beginn gab es seitens eines Besuchers eine negative Reaktion, «Kaffee getrunken hat er dann aber trotzdem». Zudem habe sich eine regelmässige Friedhofsbesucherin, die sich durch das Café gestört fühlte und das auch mitteilte, so arrangiert, dass sie die Café-Nachmittage gemieden hat und stattdessen morgens kam. Die meisten Kritiken seien direkt an die Friedhofsverwaltung eingegangen und hätten den direkten Betrieb nicht tangiert.

Entscheid fällt im Herbst

Silvia Strahm Bernet und ihr Team wären für eine zweite Ausgabe durchaus zu haben. «Gerade wegen der vielen positiven Reaktionen» sei das Friedhofscafé eine äusserst gelungene Sache. Wenn auch teilweise anstrengend aufgrund der suboptimalen Infrastruktur. Denn für den Betrieb musste das Café-Mobil jeweils vor Ort gebracht und die Stromversorgung sichergestellt werden.

Ungeklärt ist im Falle einer Weiterführung ebenfalls die Personalfrage. «Mit der personellen Situation beschäftigen wir uns, wenn wir wissen, ob und wie es weitergeht», so Strahm Bernet. Das Interesse sei aber da, erklärt sie. «An unserem Dankesapéro für die rund 35 ehrenamtlichen Mitarbeitenden wurde ganz klar, dass die meisten bei einer Weiterführung des Projekts wieder mit dabei sein werden.»

Ob und wie das Friedhofscafé im Friedental fortgeführt wird, entscheidet sich voraussichtlich im Herbst. Dann sitzt das Café-Team mit der Stadt Luzern für eine Auswertung zusammen. Beim Gespräch entscheiden sie über eine allfällige Fortführung. Die Stadt Luzern kommuniziert offiziell erst nach der Auswertung.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Silvia Strahm Bernet
  • Schriftlicher Austausch mit der Stadt Luzern
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14 Kommentare
  • Profilfoto von Remo
    Remo, 03.09.2023, 19:33 Uhr

    Ich finde die Idee prima. Gleichzeitig bin ich überrascht wie intolerant die Kommentarspalte bei Zentralplus geworden ist. Ich dachte immer, hier sei ein anderes Publikum als bei 20min und Blick unterwegs. War wohl ein Irrtum.

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    • Profilfoto von Corry Gunz
      Corry Gunz, 03.09.2023, 22:40 Uhr

      Es gibt wohl beides hier. Ein deutlich anderes Publikum, aber auch Blick Leser. Kann man ihnen wohl nicht verbieten, auch wenn sie dann ständig gegen anders denkende wettern.

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  • Profilfoto von Sapperlotta
    Sapperlotta, 01.09.2023, 15:19 Uhr

    Ich fühle mich vom Angebot des Friedhof Forums Zürich angesprochen mit professionelleren Anlässen als so ein beliebiges Café.

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    • Profilfoto von Remo
      Remo, 03.09.2023, 19:33 Uhr

      Und das wären was für Angebote? Wir sind hier bei Zentralplus nicht nicht Züriplus.

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  • Profilfoto von MARIO P. HERMANN
    MARIO P. HERMANN, 01.09.2023, 11:08 Uhr

    Ich hoffe sehr, dass so ein pietätloses Projekt wie das «Cafe Friedental» seine Fortsetzung auf keinen Fall findet und behördlich verboten wird!
    Oder wie ist jetzt das mit der «Totenruhe» auf Friedhöfen…??
    Schliesslich will ich auf keinen Fall ein paar Meter neben der Grabstätte meiner Eltern einen Cafe mit Kuchen konsumieren…
    Letzterer würde mir vermutlich im Halse steckenbleiben!
    Führt das Cafe im Friedental zur Beerdigung und begrabt für immer und ewig dieses kuriose Unternehmen, wo Kopfschütteln angebracht ist.
    Es wundert mich noch, dass die Frauen nicht noch den Ofen vom Krematorium als Pizza-Ofen benützten…
    Zur Vorspeise einen Salat in Kranzform oder eine Suppe mit Flädli in Kreuzform.
    Lasst die Toten in Ruhe — und widmet euch einer normalen, sinnvollen Arbeit!

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    • Profilfoto von verakoch
      verakoch, 01.09.2023, 12:34 Uhr

      lieber rockpopmusicgmx-net dieser Beitrag ist krass, ich vermisse jegliche Toleranz gegenüber einer gut gemeinten Initiative

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  • Profilfoto von Waesmeli-Sepp
    Waesmeli-Sepp, 31.08.2023, 17:18 Uhr

    Ich will kein Café auf dem Friedhof. Der Friedhof ist einer der letzten Orte, auf dem es still ist. So soll es bleiben. Wer Gesprächsmöglichkeiten und Kaffee sucht, findet genügend andere Möglichkeiten.

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    • Profilfoto von Markus Rotzbeutel
      Markus Rotzbeutel, 31.08.2023, 17:59 Uhr

      Ich möchte auch, dass Alles ewig beim Alten bleibt. Aber nun, dann würden wir Menschen ja gar nicht erst existieren.

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  • Profilfoto von Vera Koch
    Vera Koch, 31.08.2023, 14:28 Uhr

    Ich fand diese Idee grossartig und einfallsreich, es ist ja freiwillig sich in dem Café aufzuhalten oder daran vorbeizugehen. Ich wünsche mir eine offenere Gesellschaft, die sich gegenseitig hilft, unterstützt und einsamen Herzen eine Platz zum verweilen gewährt.

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    • Profilfoto von Melk Christen
      Melk Christen, 31.08.2023, 18:40 Uhr

      Zur offeneren Gesellschaft, die Sie sich wünschen, sollte aber doch das Achten verschiedener Bedürfnisse gehören. Mit Ihrer Haltung des «Wer sich daran stört, der soll halt weitergehen» tun Sie aber gerade das nicht. Was für eine Art der «Offenheit» ist das? «Mir passt’s, sollen sich die anderen also damit abfinden!»

      Aha.

      Der Friedhof ist eine letzte Oase der Ruhe. Einer Ruhe, die insbesondere für frisch Trauernde zudem häufig wichtig ist. Denn Trauern ist für viele etwas Intimes. Ich finde es egoistisch, diese essenziellen Bedürfnisse mit einem lapidaren «der soll halt daran vorbeigehen» wegzuwischen.

      Ein Café kann man doch an vielen Orten einrichten, es muss nicht mitten zwischen den Gräbern liegen. Man könnte doch Lösungen suchen, die für alle passen.

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      • Profilfoto von MARIO P. HERMANN
        MARIO P. HERMANN, 01.09.2023, 11:13 Uhr

        Finde Ihre Textzeilen sehr gut und schliesse mich somit Ihrer Meinung an!!

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      • Profilfoto von verakoch
        verakoch, 01.09.2023, 12:32 Uhr

        lieber Melk Christen, ich respektiere Ihre und andere Haltungen, dennoch steht es mir zu eine eigene Meinung zu vertreten, mit Egoismus hat das wenig zu tun, ich fand dieses Café sympathisch und war da wohl auch nicht die Einzige

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  • Profilfoto von Melk Christen
    Melk Christen, 31.08.2023, 11:27 Uhr

    Persönlich finde ich weiterhin, dass das Café nicht mitten auf dem Friedhofsgelände hätte eingerichtet werden sollen. Es wird schon wahr sein, dass sie positive Reaktionen erhalten haben. Das ist aber doch keine Bestätigung dafür, dass also alles bestens ist. Das wäre eine gar selbstbezogene Deutung, auch eine unsensible. Immerhin werden nur die wenigsten all jener, die sich durch das Café gestört gefühlt haben, das auch aktiv ausgedrückt haben. Und das sollten sie auch nicht müssen.

    Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse. Wenn tendenziell extrovertiertere Menschen, denen Gesprächsmöglichkeiten gut tun, die ihren häufig einfacher ausdrücken, sind es deswegen noch nicht die wichtigeren Bedürfnisse.

    Nicht aber, dass diese Gesprächsmöglichkeiten deshalb nicht existieren sollen. Nur, im Eingangsbereich, bei den Verwaltungsgebäuden, da liesse sich doch auch ein Café einrichten. Gleich ausserhalb der Tore zum Beispiel. Da wäre das Angebot für alle gut sichtbar, aber für niemanden störend. Und die logistischen Herausforderungen bezüglich Strom und Café-Mobil wären damit ja sicher auch gelöst. Zugegeben, etwas weniger lauschig mag es da sein. Aber ist das entscheidend? Es wäre jedenfalls die faire Lösung, die sicher für alle stimmt. Man würde meinen, das sei den Damen (Theologinnen, immerhin) ein selbstverständliches, wichtiges Anliegen?

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    • Profilfoto von MARIO P. HERMANN
      MARIO P. HERMANN, 01.09.2023, 11:12 Uhr

      Bin exakt Ihrer Meinung, Bravo!

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