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Wanderung mit 1800 Höhenmetern in Urner Alpen

Oberalppass über die Fellilücke: Nimmt das kein Ende mehr?

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • 471 m
  • 1794 m
  • 13,6 km
  • Dauer●●●●●●
  • Technik●●●●●●
Der höchste Punkt der Wanderung ist die Fellilücke mit dem Schneehüenerstock im Hintergrund. (Bild: hch)

1800 Höhenmeter: Wer vom Oberalppass nach Gurtnellen wandert, wünscht sich wohl früher oder später eine Abholung durch die Rega. Belohnt wird so viel Ausdauer aber mit einer grandiosen Auenlandschaft bei der Fellilücke, einem hochalpinen Passübergang sowie einem wildromantischen Gebirgstal.

«Gehst du lieber bergauf oder talwärts?» Die Antwort auf diese Frage will gut überlegt sein, denn die zu bewältigende Höhendifferenz ist beträchtlich. Ein Anstieg von 1800 Höhenmeter ist mir dann doch zu viel, so dass wir an Gurtnellen vorbeifahren und die Wanderung auf dem Oberalppass beginnen. Und auch der Rucksack wird nicht ganz so schwer. Statt fast 3800 Kilokalorien soll der Verbrauch bergab «nur» etwas mehr als 2000 Kalorien betragen, sagt der Rechner. Das Stück Kuchen in der SAC-Hütte liegt aber allemal drin.

Den Berg hoch – egal von welcher Seite

Die Belohnung will aber erst verdient sein. Auch vom Oberalp geht es erst einmal den Berg hoch. 1:20 Stunden sind bis zur 434 Meter höher gelegenen Fellilücke angegeben, damit ist dann auch fast schon das Tagesbudget an Steigungen aufgebraucht.

Nachdem die Passstrasse überwunden und all die Camper und Wohnmobile passiert sind, zweigt der Weg rechts auf einen Bergweg ab. Gut, hat man hier mehrere Treppen eingebaut. So kommen uns an diesem Tag trotz moderner Bergbahn auf den Schneehüenderstock nur gerade zwei Biker entgegen. So lässt sich dieser landschaftlich sehr reizvolle Abschnitt umso besser geniessen.

Lawinen im Winter, Auen im Sommer

Entlang des Hinter Fellibach führt der Bergweg hoch auf ein kleines Plateau mit einer schönen Auenlandschaft, genannt Hinter Felli. Wie könnte es auch anders sein, auf dieser Wanderung scheint so ziemlich alles den Begriff Felli im Namen zu führen. Ausnahme ist der Wasserfall, der sich auf verschiedenen Ästen in diese Landschaft ergiesst – «Auf dem Fall» zeigt die Karte und meinte wohl auf dem Fell...

Schwer vorstellbar, dass wir noch im Winter durch diese intakte Landschaft auf Skiern talwärts gekurvt sind. Ebenso, dass hier am 26. Dezember 2019 bei einem Lawinenniedergang auf der erst kurz zuvor eröffneten Piste sechs Personen verschüttet wurden.

Einst Standort der Schweizer Flugüberwachung

Den Pazolastock im Rücken, auf dem wir noch im letzten Sommer zur Rheinquelle unterwegs waren (zentralplus berichtete), geht es weiter bergwärts. Es wird zunehmend gerölliger, der Schneehüenderstock scheint fast nur aus lockerem Geschiebe zu bestehen – was jedoch täuscht, wie so oft, wenn es um die Armee geht. Denn in diesem äussersten Zipfel der Glarner Alpen war lange die Flugüberwachung verborgen.

Für uns ist der 2773 Meter hohe Berg ein Vorgeschmack auf die alpine Welt, die sich nun auf der anderen Passseite bietet. Das Fellital zieht sich schnurgerade dahin, Blockschutt aus Aaregranit wird die erste Stunde des Abstiegs prägen. Über die metergrossen Felsbrocken balancierend sind wir froh um die Wanderstöcke, die in kritischen Situationen den nötigen Halt verschaffen.

Über viel Blockschutt talwärts

Als «Fellti, Fällti» soll bei Urnern ein hoher natürlicher Tritt oder eine gefährliche Stelle in einem primitiven, holperigen Bergweg bezeichnet werden – und von diesen gibt es hier ausreichend. Neue Weg­markie­rungen führen im unteren Teil zweimal über letzte Schneefelder auf die jeweils andere Talseite, während die verblassten alten Zeichen den direkten Abstieg markieren. Die Leute, die uns entgegenkommen, sehen trotz des Aufstiegs erstaunlich frisch aus. Viele übernachteten zuvor in der Treschhütte und haben so lediglich 1000 Höhenmeter zu bewältigen.

Unser Abstieg indessen geht weiter, nach dem Blockschutt wird der Weg einfacher und führt zur Alp Obermatt, die sich uns verlassen zeigt. Derzeit werden im Tal noch rund 15 Kühe sowie 65 Rinder und Mutterkühe gehalten, früher einmal sollen es gegen 140 Tiere gewesen sein, die hier unterhalb von Fedenstock und Brichplanggenstock sömmerten. Über Alpweiden geht es nun zur Alp Fellenen, die Seilbahn zwischen den beiden verbundenen Alpen ist leider nur für Lasten vorgesehen. Stattdessen gönnen wir uns an diesem heissen Sommertag eine Erfrischung im angenehm kalten Fellibach.

Grösster Arvenwald der Nordschweiz und Heimat von Einsiedler

Durch ein Holztor geht es nun ins Waldreservat, das bis auf 1040 Meter über Meer hinunterführt. Mit 421 Hektaren Waldfläche ist es das grösste Waldreservat im Kanton Uri, rund ein Drittel davon ist mit Arven bedeckt. Durch diesen schönen Märchenwald mit einigen mehr als 500 Jahre alten Bäumen geht es nun zügig in Richtung Treschhütte, eine halbe Stunde später sitzen wir in der SAC-Hütte endlich bei dem ersehnten Kuchen und Apfelwein aus dem nahen Stans. Ursprung der Hütte ist die Behausung von «Fellitresch», Johann Josef Tresch, der 1840 in Silenen geboren wurde und hier als Einsiedler lebte.

Gut, wählten wir die alkoholfreie Most-Variante. Für den letzten Abschnitt gilt es, noch einmal alle Kräfte zu sammeln. Die 750 Höhenmeter, die bis zum Zielort bei der Bushaltestelle oberhalb Gurtnellen zu bewältigen sind, lassen dann und wann einmal den Wunsch nach einem Lufttaxi aufkommen. Glücklicherweise geht es auch ohne. Und wenn die Energie auf den letzten 90 Minuten tatsächlich ausgehen sollte, besteht ab Felliberg mit dem Alpentaxi Uri ein Rufbus, der gegen Aufpreis auch die Treschhütte bedient (siehe Routendetails).

An Wasserfall vorbei steil ins Tal

Für die Ausdauernden geht es im lichter werdenden Wald dem Bach entlang. Da der Weg auch dem Alpaufzug dient, ist er gut ausgebaut und führt an steilen Stellen komfortabel über Steintreppen. Auf halber Höhe lohnt es sich, beim Wasserfall noch einmal eine Pause einzulegen.

Kurz vor Felliberg führt rechts eine markierte Abkürzung den Waldrand entlang steil runter, parallel zum Tobel lässt sich die Siedlung so elegant umgehen. Bei der Waldbruderkapelle, einer Feldkapelle bei Unter Felliberg, mündet der Bergweg in eine Alpstrasse. Dieser folgen wir die letzten zehn Minuten bis zur Bushaltestelle an der Hauptstrasse.

Fazit: Eine abwechslungsreiche und landschaftlich reizvolle Wanderung durch mehrere Vegetationszonen mit verschiedenen Höhepunkten und viel Wasser. Wem die Tour zu lange ist, kann in der Treschhütte übernachten oder auf einer der beiden Seiten mit einem Transportmittel abkürzen.

Routendetails

Distanz: 13,6 km
Wanderzeit: 4:55 Stunden
Höhendifferenz: 471 Meter auf- und 1794 Meter abwärts
min./max. Höhe: 711/2477 m ü. Meer
Route: Oberalppass 2043 m ü. Meer – Fellilücke 2477 – Murmelsbiel 2010 – Obermatt 1839 – Hinter Waldi 1528 – Treschhütte 1479 – Hütten 1262 – Felliberg 1140 – Gurtnellen Fellital 711
Anreise: Mit der Bahn via Andermatt bis Oberalppass. Rückweg mit dem Bus ab Gurtnellen Fellital via Amsteg und Altdorf, oder ab Fellital mit dem Rufbus (079 665 58 81, muss reserviert werden). Mit dem PW bei der Bushaltestelle Gurtnellen Fellital abbiegen, nach etwa 500 Metern folgt ein Parkplatz. Danach Bus und Bahn bis Oberalppass.

Verwendete Quellen
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Wo lässt es sich in der Zentralschweiz am schönsten wandern? Was gibt es auf welchen Wanderwege und Wanderrouten zu sehen? Wo lässt sich unterwegs gut Rast machen? Von längeren Spaziergängen, Wanderungen bis hin zu schwierigen Bergtouren – für Anfänger bis Wander-Experten – im Wander-Blog berichten natur- und wanderfreudige Blogger aus der...
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan
    Stefan, 16.07.2023, 15:22 Uhr

    Danke für den schönen Beschrieb. Wir gehörten zu den frischen Personen die das Blockfeld hochgelaufen sind. Ist sicher angenehmer als runter und dank der feinen Arikosenwähe von der Treschhütte kein Problem. Melde dich falls du mal die andere Richtung gehen willst.

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