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Tolle Wanderung im Erstfeldertal zur Kröntenhütte

Über den Fulensee zum Corcovado der Zentralschweiz

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • 1150 m
  • 1150 m
  • 11,25 km
  • Dauer●●●●●●
  • Technik●●●●●●
Wie in Rio: Kreuz auf einem Monolithen zwischen Kröntenhütte und Päuggen. (Bild: hch)

Eine lohnenswerte und weniger bekannte Wanderung führt durch das wilde Erstfeldertal zur Kröntenhütte. Höhepunkt ist der idyllische Fulensee mit seinem Artenreichtum. Eine Überraschung wartet auf dem Rückweg mit der Zentralschweizer Version des Corcovado, dem Wahrzeichen Rio de Janeiros.

So leicht wie auf dieser Rundwanderung absolvierten wir 1'150 Höhenmeter noch selten. Dies liegt sicherlich an der rauen Schönheit des naturbelassenen Urner Seitentals. Doch auch sonst geizt sie nicht mit Höhepunkten, allen voran dem Fulensee. Erstaunlich, dass die Instagram-Community dieses Juwel noch kaum entdeckt hat.

Der Ausgangspunkt der Route liegt weit hinten im Erstfeldertal, bei den Bodenbergen. Wer mit dem Auto anreist – und das werden die allermeisten sein – kann für die Zufahrt eine Tagesbewilligung lösen. Besser ist es, man deponiert diese ungelesen im Fahrzeug. Denn wer die Informationen zur Gefahrensituation auf der Rückseite liest (siehe Bildergalerie), könnte sich die Anreise allenfalls ein zweites Mal überlegen.

Unbewachte Tierherden im Wolfsgebiet

Der Weg führt vom Parkplatz durch den Wald hoch. Schon nach kurzer Zeit muss man sich entscheiden, ob man über die Hinteren-Talberge weitergeht oder die direktere Strecke via Noflenberg wählt – zum nächsten Ziel Sulzwald führen beide. Kurz vor den zwei Häusern vom Sulzwald soll es links vom Weg zwei Höhlen geben, in denen früher Käse und Milch gelagert wurden. Leider haben wir vergebens danach Ausschau gehalten. Wer hier mit einer Handy-App navigieren will, sollte die Karte schon vorher laden, auf weiten Teilen der Wanderung besteht kein Empfang. Verirren dürfte man sich aber auch ohne Karte nicht.

Es geht nun dem Alpbach entlang stetig bergauf, das Gletscherwasser kühlt in der Schlucht die hohen Sommertemperaturen angenehm. Auf der Alp Chüeplangg wartet eine kleine Beiz auf Gäste oder Käufer des Ziegenkäses.

Das Ufer des Alpbachs säumen immer wieder Ziegengruppen. Erstaunlich, dass dies in einem wilden Gebiet, das wie für den Wolf gemacht scheint, ohne Elektrozäune oder Herdenschutzhunde praktiziert wird. Da macht es sich der Kanton Uri schon etwas gar einfach, wenn er Mitte August einen Wolf zum Abschuss freigibt, weil dieser mehr als 10 Nutztiere gerissen hat. Aber vielleicht wird das Raubtier ja auch vom 120 Meter hohen Wasserfall in den Bann gezogen, der hier die Szene beherrscht.

Naturidyll am Fulensee

Beim Abzweiger Uf den Gründen erschliesst sich erstmals das schöne Panorama mit dem mächtigen, langgezogenen Schlossberg und dem Gross Spannort. Blauweisse Wege führen von hier zu den Bergstationen Wilerli und Brüsti, wir folgen jedoch dem gut ausgebauten Bergweg zur Kröntenhütte.

In einer Karmulde liegt hier schon bald der Fulensee, ein idyllischer Bergsee. Mit einer maximalen Tiefe von weniger als 5 Metern eignet sich das Wasser auch für ein überraschend warmes Bad. Auf der Moorebene wachsen über 200 verschiedene Pflanzenarten, darunter auch fleischfressende. Die Vielfalt der Pflanzen hier soll im ganzen Alpenraum einmalig sein. Frösche hüpfen immer wieder über den Weg, Libellen fliegen über das Wasser.

Kuchenhalt in der Kröntenhütte

Bis zur Kröntenhütte gilt es noch 200 Höhenmeter zu absolvieren, die durch eine dichte Vegetation führen. Den Aufstieg müssen wir uns verdienen, ein Sommergewitter entlädt sich über uns. Entschädigt werden wir mit Kuchen, der in der 2014 renovierten Hütte verführerisch duftet. Für uns gibt es allerdings nicht den Schoggikuchen, der ist für die übernachtenden Gäste vorgesehen. Und von diesen gibt es dank der zahlreichen Kletter- und Bouldermöglichkeiten am Fuss der 3'108 Meter hohen Krönten so einige.

Das Donnerwetter draussen sitzen wir bequem in der Hütte aus und wagen uns mit den ersten Sonnenstrahlen wieder an die frische Luft. Die Vegetation dampft, ein kurzer Weg würde zum grösseren Obersee führen, der aber nie zweistellige Wassertemperaturen erreicht. Angesichts der erneut aufziehenden schwarzen Wolken machen wir uns daher rasch auf den Rückweg.

Corcovado der Zentralschweiz – aber nur von hinten

Für den Abstieg hat man die Wahl: direkt via den unteren Geisspfad oder der Bergflanke entlang über Päuggen/Ellbogen. Wir nehmen die zusätzliche Viertelstunde für den weniger steilen Rückweg gerne in Kauf und erleben schon bald eine Überraschung. Wie die berühmte Jesus-Statue in Rio de Janeiro breitet eine Figur auf einem Monolithen am Wegrand die Arme aus, man darf hier durchaus vom Corcovado der Zentralschweiz sprechen. Zumindest bis man die Vorderansicht sieht und feststellt, dass es sich um ein simples Holzkreuz handelt.

So wie die berühmte Statue den höchsten Punkt Rios markiert, müssen auch wir uns bis zur Päuggenegg auf 2'000 Meter über Meer kämpfen. Danach geht es über Felsen der Bergflanke entlang. Einzelne Seile und Tritte helfen auf dem anspruchsvolleren Teil dieser Wanderung. Begleitet werden wir von einer beachtlichen Schafherde, die sich auch in diesem Gebiet völlig unbetreut auf dem Präsentierteller bewegt.

Wer hat denn hier einen Stammtisch hingestellt?

Bei Gross Stein finden wir unterhalb eines Felsvorsprungs an einem Stammtisch Schutz vor dem nächsten kurzen Regenguss. Wer hätte gedacht, dass man einen solchen in dieser Höhe entdecken würde. Danach geht es steil bergab, nach dem Haus Ellbogen wandert es sich im Wald auf einem weichen Nadelbett noch einmal viel leichter. Der Wanderweg zweigt etwa fünf Gehminuten unterhalb des Parkplatzes in Oberberg auf die Strasse, dem Ausgangspunkt dieser grandiosen Wanderung.

Distanz: 11,25 km
Wanderzeit: 5.15 Stunden
Höhendifferenz: 1'150 Meter auf- und abwärts
Min./max. Höhe: 994/2'000 m ü. Meer
Route: Bodenberg 1'002 m ü. Meer – Noflenberg 1'105 – Sulzwald 1'136 – Chüeplangg 1'470 – Uf den Gründen 1'680 – Fulensee 1'706 – Kröntenhütte 1'903 – Päuggenegg 2'000 – Päuggen 1'940 – Gross Stein 1'705 – Ellbogen 1'374 – Bodenberg.
Anreise: Mit dem eigenen Fahrzeug bis Bodenberg. Tagesbewilligungen à 20 Franken sind am Bahnhofkiosk, dem Migros Kiosk oder bei der Gemeindeverwaltung erhältlich. Ausserdem fährt das Alpentaxi Näf vom Bahnhof Erstfeld, Telefon 079 413 91 15.
Beginnt man die Wanderung beim Bahnhof Erstfeld, verlängert sich der Weg um je zwei Stunden und 500 Höhenmeter.

Verwendete Quellen

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Wo lässt es sich in der Zentralschweiz am schönsten wandern? Was gibt es auf welchen Wanderwege und Wanderrouten zu sehen? Wo lässt sich unterwegs gut Rast machen? Von längeren Spaziergängen, Wanderungen bis hin zu schwierigen Bergtouren – für Anfänger bis Wander-Experten – im Wander-Blog berichten natur- und wanderfreudige Blogger aus der...
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Vetter Elisabeth
    Vetter Elisabeth, 30.08.2022, 21:45 Uhr

    Wir müssen alle aufpassen, dass diese Naturidylle auch wirklich eine solche bleibt. Auch Baden dort im Fulensee muss nicht sein, trotz warmem Wasser. Pflanzen und Insekten brauchen ihren Raum und werden gestört, wenn Wandergruppen dort baden. Und ja: es gibt tatsächlich auch eine Bahnverbindung nach Erstfeld. Und für jene, welche keine so grosse Tour machen wollen, das Alpen-Taxi. Da hat dann ein kleines Urner Gewerbe auch noch was davon – und nicht jede und jeder muss mit dem Auto auf Bodenberge hochfahren. So wäre dann für mich das Idyll noch etwas kompletter.

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  • Profilfoto von Corry Gunz
    Corry Gunz, 29.08.2022, 07:49 Uhr

    Dass der Wolfsschutz im Kanton Uri vernachlässigt wird, fällt immer wieder auf. Stattdessen sind sie ebenso wie die Walliser schnell im Schiessen. Der Wolf wird bleiben, es sind schon über 250 Rudel in den Alpen. Da führt am Herdenschutz kein Weg vorbei. Wie wichtig Diversität in der Natur ist, zeigt dieser schöne Artikel über den Fulensee.

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  • Profilfoto von Romy Foehn
    Romy Foehn, 29.08.2022, 05:55 Uhr

    Sehr ausführlicher Bericht mit wunderschõnen Fotos
    ….aber das mit den Bemerkungen zum Wolf gehört nicht in diesen Bericht
    Nur die Einheimischen wissen ob dort schon Schafe oder Ziegen gerissen wurden
    …schade ,dass es auch unterschwelige Komentare in solchen schoönen Berichten geben muss

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