Abstimmung «2000 Wohnungen für den Zuger Mittelstand»

Günstige Wohnungen: «Der Markt allein wird es nicht richten»

Demnächst stimmt die städtische Zuger Bevölkerung über die Initiative «2000 Wohnungen für den Zuger Mittelstand» ab. (Bild: zvg)

Die Stadt Zug stimmt am Sonntag in einer Woche über ein Thema ab, das der Bevölkerung unter den Nägeln brennt: günstigen Wohnraum. Obwohl Konsens darüber zu herrschen scheint, dass es mehr Wohnraum braucht, spaltet die Initiative die Gemüter.

Wer heute in der Stadt Zug eine vernünftige Wohnung mit vernünftigem Preis sucht, der braucht Nerven, Ausdauer, und Vitamin B. Der Wohnungsmarkt ist ausgetrocknet, insbesondere günstige Wohnungen sind rar. Das Problem dürfte sich künftig zuspitzen. Heute leben 30’000 Menschen in der Wirtschaftsstadt, gemäss Prognosen des Baudepartements im Rahmen der Ortsplanung könnten in Zug im Jahr 2040 gegen 46’000 Menschen leben (zentralplus berichtete).

«Im Eigentum der Stadt Zug sind rund 320 Wohnungen, davon werden 280 preisgünstig vermietet», heisst es auf Anfrage bei der Stadt Zug. 14 Prozent aller Mietwohnungen sind dem preisgünstigen Segment zuzuordnen. Das ist der SP zu wenig. Mit ihrer Initiative «2000 Wohnungen für den Zuger Mittelstand» will sie diesen Prozentsatz anheben.

Initiative fordert 20 Prozent preisgünstigen Wohnraum

Das Ziel: Bis 2040 sollen 20 Prozent der städtischen Wohnungen preisgünstig sein. Wie diese Zahl erreicht werden soll? Mit strengen Vorgaben. Wird die SP-Initiative angenommen, müssen in städtischen Verdichtungsgebieten mindestens 40 Prozent der neuerbauten Wohnungen preisgünstig sein.

Weiter fordert die SP, dass die städtischen Grundstücke im Gimenen, Steinlager und an der Chamerstrasse «umgehend» durch öffentliche Körperschaften und gemeinnützige Wohnbauträger mit preisgünstigen Wohnungen überbaut werden. Das alte Gaswerk-Areal hinter dem Kaufmännischen Bildungszentrum sei ebenfalls für diesen Zweck zu nutzen, sobald es in den Händen der Stadt sei. Aktuell befindet es sich noch im Besitz des Kantons.

Die SP definiert eine Wohnung unter anderem dann als «preisgünstig», wenn der Wohnraum dem kantonalen Wohnbauförderungsgesetz oder der entsprechenden städtischen Verordnung entspricht. Auch innovative Wohnformen und Wohnungen gemeinnütziger Wohnbauträger im Sinne der Kostenmiete gehören für die SP in diese Sparte.

Dazu sagt SP-Fraktionschef De Gobbi: «Darunter fallen auch Wohnungen, die zwar anfangs nicht die Anforderungen von Wohnbauförderungsgesetz und städtischer Verordnung erfüllen, aber mit der Zeit als preisgünstig gelten.» Er erwähnt ein Beispiel: «Die Genossenschaft AW Zug hat in Oberägeri vor zwölf Jahren 14 Wohnungen erstellt. Diese waren anfangs im Vergleich nicht supergünstig, nach drei Jahren jedoch deutlich günstiger als die umliegenden Wohnungen.» Diese Entwicklung passiere, da «ortsübliche Zuschläge» bei jedem Mieterinnenwechsel üblich seien. «Sofern Eigentümer eben nicht der Kostenmiete verpflichtet sind.»

Dass die Initiative stark ins Eigentumsrecht eingreift, ist der SP bewusst. «Doch die Stadt unternimmt nicht genug. Wenn man 20 Jahre zurückblickt, wird zudem klar, dass es der Markt allein nicht richten wird. Die Mietpreise zeigen nur in eine Richtung, nämlich nach oben. Die meisten Investoren haben schlicht kein Interesse daran, sich der Preisexplosion zu widersetzen», so De Gobbi.

Ein Gegenvorschlag stand nicht zur Debatte

Der SP-Fraktionschef gibt zu bedenken: «Wir wären offen gewesen für einen moderateren Alternativvorschlag von Seiten des Stadtrats.» Ein solcher wurde jedoch nicht erarbeitet. Die Exekutive findet nämlich, dass sich die Stadt Zug in den vergangenen Jahren «auf vielfältige Art und Weise für den preisgünstigen Wohnungsbau eingesetzt» habe. Dies etwa mit spezifischen Zonen, der Einforderung von preisgünstigem Wohnraum bei Bebauungsplänen sowie der Entwicklung und günstigen Vermietung von Wohnungen auf eigenen Grundstücken.

Der Stadtrat habe das Problem demnach «längst erkannt» und «den bestehenden rechtlichen Spielraum zur Einschränkung von privatem Eigentum genutzt». So könne er sicherstellen, «dass der preisgünstige Wohnraum im Gleichschritt mit der baulichen Entwicklung geschaffen wird». Die Initianten würden offene Türen einrennen. Aus diesem Grund empfiehlt der Stadtrat die Initiative zur Ablehnung ohne Gegenvorschlag.

Nicht nur der Stadtrat, auch die bürgerlichen Parteien stehen der Initiative kritisch gegenüber. FDP, SVP und Mitte haben die Nein-Parole gefasst, während die Grünliberalen Stimmfreigabe beschlossen. Aktiv gegen das Unterfangen weibelt das bürgerliche Gegenkomitee «Nein zur Wohnungsinitiative», bestehend aus Personen aus Politik und Wirtschaft. Mit dabei ist unter anderem der Zuger Unternehmer Roland Staerkle sowie die städtische FDP-Präsidentin Elisabeth Glas.

Kritiker befürchten, dass die Initiative dem Mittelstand schadet

Dieses kritisiert etwa, dass die Quote von 20 Prozent preisgünstigen Wohnraums innert nur 16 Jahren unrealistisch sei. Weiter gibt das Komitee zu bedenken, dass gerade der Mittelstand die Zeche für die Initiative zahlen müsse. Die Gegner glauben, dass günstigere Wohnangebote Zuzüger aus umliegenden Gemeinden, Kantonen und Ländern in die Stadt Zug bringen würden. «Dies führt zu noch höheren Preisen für die ‹regulären› Wohnungen. Die Rechnung zahlt der Mittelstand», heisst es auf der Website des Komitees.

Viel eher will dieses den Fokus aufs effiziente Bauen legen und warnt, dass mit der Annahme der Initiative jahrelange Verzögerungen oder gar der Verzicht auf Wohnbauprojekte einhergehen würden (zentralplus berichtete).

Selbstredend ist den Bürgerlichen auch der Eingriff in die Eigentumsrechte ein Dorn im Auge. Sie geben zu bedenken, dass nicht nur grosse Investoren, sondern auch die Besitzerinnen eines einzelnen Wohnblockes nach einer Kernsanierung mit Leerkündigungen plötzlich 40 Prozent preisgünstigen Wohnraum anbieten müssten, was durchaus einschneidend wäre.

De Gobbi sagt dazu: «Diesbezüglich geht oft vergessen, dass sich diese Forderung nur auf die Verdichtungsgebiete bezieht.» Und weiter: «Tatsächlich dürfte es Einzelfälle geben, wie sie die Gegnerschaft nennt. Doch wer ein Gebäude schon länger besitzt, hat allein durch die Wertsteigerung der Landfläche bereits einen riesigen Mehrwert erlangt.» Dafür sei der Feldhof ein gutes Beispiel. «Dort stiegen die Wohnungs-Kaufpreise in den letzten zehn Jahre fast aufs Doppelte.»

De Gobbi sagt abschliessend: «Es ist sehr schwierig, eine Prognose für die kommende Abstimmung zu machen. Die bürgerlichen Parteien stellen sich gegen die Initiative, doch spürt man gleichzeitig, dass das Anliegen den Nerv der Bevölkerung trifft.» Und er sagt: «Es wäre schön, wenn wir im GGR einen gemeinsamen Weg gefunden hätten. Doch wurde uns wenig Hand geboten in diesem Anliegen.»

Wer hat in der Stadt Zug Anrecht auf preisgünstigen Wohnraum?

Für die Stadt Zug gilt Wohnraum dann als «preisgünstig», wenn dieser im Vergleich zu ähnlichen Wohnungen in der Gemeinde und der Region weniger kostet. «Massgebend sind je nach Region das bestehende Wohnraumangebot und die Bevölkerungsstruktur, aber auch persönliche Faktoren wie Einkommen und Lebensumstände», äussert sich Dieter Müller, Kommunikationsleiter der Stadt Zug auf Anfrage von zentralplus.

«Die Förderung von preisgünstigem Wohnraum beschränkt sich nicht alleine auf einkommens­schwache Haushalte. Angestrebt wird zudem eine gute soziale Durchmischung, die auch den Mittelstand unterstützt», so Müller weiter. Neben Begriffen wie bezahlbar, kostengünstig, sozial, gemeinnützig oder erschwinglich habe sich in der Praxis der Begriff «preisgünstige Wohnungen» durchgesetzt.

Verwendete Quellen
  • Abstimmungsheft
  • Telefonat mit Ivano De Gobbi
  • Anfrage bei der Stadt Zug
  • Website der Gegnerschaft
  • Website der Initiative «2000 Wohnungen für den Mittelstand»
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