So absurd sind Zuger Wohninserate

1,5-Zimmer-Wohnung mit Bett im Badezimmer für 2’300 Franken

Solche Paläste findet man in Zug kaum. Vor allem nicht zu einem angemessenen Preis. (Bild: Unsplash/ Diego Nunes)

Wer in Zug eine Wohnung mieten will, muss vor allem schwarzen Humor haben: Einige Angebote sind recht absurd. Die zentralplus-Trouvaillen sind entweder galaktisch teuer – oder unterirdisch schlecht.

«2021 sind im Kanton Zug am Stichtag 204 leere Wohnungen oder Einfamilienhäuser gemeldet worden und die Leerwohnungsziffer beträgt 0,34», liest man im aktuellen Zuger Sozialbericht. In keinem anderen Kanton sei der Leerstand so klein. «Schweizweit beträgt die Leerwohnungsziffer 1,54. Im Kanton Zug hat sich die Ziffer von 2001 bis 2021 zwischen 0,27 (2011) und 0,70 (2020) bewegt.»

Diese Information, welche die Direktion des Innern vor kurzem im Rahmen ihres Berichts veröffentlicht hat, ist weder neu noch überraschend. Aber dass Zuger Wohnungen weggehen wie warme Weggli hat mitunter den Effekt, dass Vermieter teils exorbitante Mietpreise veranschlagen können. Nicht zum ersten Mal hat die politische Linke auf diesen Umstand reagiert. Die städtische SP hat kürzlich die benötigten Unterschriften für die Initiative «2000 Wohnungen für den Zuger Mittelstand» gesammelt (zentralplus berichtete).

Um eine Idee zu bekommen, wie sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt gestaltet, lohnt sich ein Blick auf die Immobilienseiten. Dort spielt sich teils Absurdes ab.

Wir suchen (13.2.2023) auf den Immobilienplattformen Homegate, Immoscout24 und Flatfox nach einer 3- bis 4,5-Zimmer-Wohnung in der Stadt Zug oder in deren Umkreis. Gibt man kein Preis-Oberlimit an, erhält man bei Homegate 33 Treffer.

In Cham ist eine 4,5-Zimmer-Wohnung frei. Hurra!, denkt man genau so lange, bis man den Preis erblickt. 6'600 Franken kostet das 119 Quadratmeter grosse Objekt pro Monat brutto. Immerhin, es handelt sich um eine Erstvermietung. Und immerhin, die Wohnung verfügt über «elektrische Rafflamellenstoren in den Zimmern». Besonders hervorgehoben wird der Umstand, dass es eine Erdsonden-Heizung mit Freecooling für angenehme Bodenkühlung im Sommer gibt. Auch unter den «besonderen Eigenschaften» notiert: «Tiefer Steuerfuss». Die Wohnung zeichnet sich ausserdem, den Bildern nach zu urteilen, durch einen absolut unspektakulären Ausbau aus.

Den Concierge zahlt man mit der Miete

In Unterägeri wird eine 3,5-Zimmer-Wohnung auf 95 Quadratmetern für 5'320 Franken angepriesen. Gemäss zuständiger Immo-Firma richtet sich der Grossteil der Wohnungen in der neuen Liegenschaft an Personen über 60 Jahre. «Aber auch Jüngere sind herzlich willkommen.»

Der hohe Preis erklärt sich mitunter dadurch, dass Mieter damit auch den Zugang zu einem öffentlichen Gesundheits- und Fitnessbereich sowie einer «Wellnessoase» mitzahlen sowie einem öffentlichen Café mit Kocheventbereich. Ebenfalls im Preis inbegriffen: Ein 24/7-Notruf- sowie ein Concierge-Service. Dieser mache 2'010 Franken des Mietzinses aus. Jedenfalls für die erste Person. Wohnt eine zweite Person in der Wohnung, zahlt diese zusätzliche rund 600 Franken dafür. Klar ist: Wer hier ein Zuhause findet, leidet nicht unter Altersarmut.

Man hat deutsch zu sprechen

Unter den Angeboten ebenfalls zu finden: eine 4,5-Zimmer-Wohnung auf 170 Quadratmetern. Das Inserat, das bei Familien auf Wohnungssuche kurz für einen erhöhten Puls sorgt, richtet sich jedoch nicht an Menschen mit Kindern. Explizit schreiben die Inserenten, dass das Angebot ideal sei «für Paare, die das spezielle Wohnen lieben». Die Wohnung befindet sich in einer umgebauten Scheune und ist nach den Bildern zu urteilen tatsächlich sehr hübsch.

Eine ideale Wohnung für wohlhabende Expat-Paare? Nicht wirklich. Die Vermieterinnen schreiben: «Hier wird eine unkomplizierte, wohlwollende Nachbarschaft gepflegt. Deshalb ist dieser Hausteil ideal für Menschen, die ab und zu die Geselligkeit schätzen, unkompliziert sind und deutsch sprechen.» Kostenpunkt für die 4,5-Zimmer-Wohnung: 4'520 Franken. Für Zug nicht ungewöhnlich.

Mit der Familie in der Stadt wohnen? Klar, für 9'900 Franken monatlich

Endlich, endlich, ein Angebot in der Stadt Zug. 4,5-Zimmer-Wohnung am Fuss des Zugerbergs, 164 Quadratmeter, 13-jährig. Diese gibt es für schlappe 9'900 Franken brutto im Monat zu haben. Tatsächlich ist hier Luxus angesagt. Die Badewanne wirkt zumindest auf den Bildern, als wäre hier eine kleine Indoor-Poolparty möglich. Es gibt ein Cheminée und zwei Balkone. Ebenfalls inbegriffen: Der amerikanische Doppeltürkühlschrank, der Steamer und ein Teppanyaki-Grill. Für die Indoor-Poolparty vielleicht.

Wie sieht es bei den 1-Zimmer-Wohnungen aus? Auf unserer Suche treffen wir auf ein paar traurige Inserate. Etwa das 16 Quadratmeter grosse Zimmer an der Ägeristrasse in Zug, für das die Vermieter 1'745 Franken wollen. Die Informationen dazu sind nur auf Englisch verfügbar.

Die Wohnung, die geeignet ist für Leute, die nicht da wohnen

Die Fotos zeigen ein sehr gedrungenes, schattiges Zimmer, auch zwei alte Herdplatten wurden behelfsmässig auf den freistehenden Kühlschrank gestellt. Einladend ist das nicht. Soll es aber auch nicht sein. «Renting this studio entitles ONE person to a residence permit with Migrationsamt but you can also domicile a company here. As the cooking facilities are limited and there is no washing machine this is only suitable for someone who is not in Zug a lot.»

Zwar wünschen sich die Vermieter, dass ihnen jemand 1'745 Franken für die Kammer zahlt, aber bitte nur, wenn man nicht wirklich da leben will.

Übernachtungsgäste bleiben wohl nicht lange

Es kommt noch schlimmer. Ebenfalls in Zug wird eine 1,5-Zimmer-Wohnung für 2'300 Franken angeboten. Immerhin, hier gibt es eine abgetrennte Küche, in der sogar Platz für ein Esstisch ist. «Separater Schlafbereich mit 140cm-Bett, eingebautem modernem Schrank und TV sowie Dusche, WC, Lavabo», heisst es weiter.

Was im Text jedoch nicht erwähnt wird, einem bei der Betrachtung der Bilder jedoch auf den zweiten Blick schmerzhaft bewusst wird: Der Schlafraum ist auch gleich das Badezimmer. Keine noch so dünne Wand unterteilt die beiden Bereiche. Für Übernachtungsgäste ist das, äh, womöglich etwas unangenehm. Immerhin gratis Wlan erwartet die Mieter.

Aufwachen mit dem Gequietsche von Schlachtbank-Ferkeln

Ein weiteres Inserat, das wohl nicht zufällig schon länger auf den Immobilienseiten publiziert ist: Das Angebot für eine 3,5-Zimmer-Wohnung in Baar. Diese kostet 3'200 Franken. Für Zug ist dieser Preis nicht ungewöhnlich, gerade für zentral gelegene Wohnungen. Nur: Die Wohnung befindet sich in einem ziemlich uncharmanten Gebiet oberhalb der Industrie in Sihlbrugg, fernab von Migros, fernab vom Bahnhof. Dafür ist der Schlachthof nur 200 Meter entfernt.

«Zug ist der Kanton mit den höchsten Mietpreisen. Umzüge in andere Kantone und Umzüge ins Ausland sind häufiger als im Schweizer Durchschnitt. Ob das am knappen Wohnangebot beziehungsweise den hohen Mieten liegt, kann man nicht sagen, aber die Vermutung liegt nahe», schreibt Regierungsrat Andreas Hostettler im Sozialbericht.

Der Mieterverband-Co-Präsi findet: Wehret euch!

Gemäss Urs Bertschi, Co-Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbandes Kanton Zug, habe sich das Wohnungsangebot für Normalverdienende in den letzten zwei bis drei Jahren weiterhin verknappt. Hinzu komme, dass viele Vermieter die Mietzinsen bei Mieterwechseln stark anheben würden mit der Begründung «Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit». «In meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt habe ich noch nie so viele Anfangsmietzinsen angefochten wie in den letzten zwei Jahren.»

Diese Art von Mietzinserhöhung greife im Kanton Zug regelrecht um sich, so Bertschi. Dabei würden Anfangsmietzinsen bis 35% und mehr erhöht, ohne dass der Vermieter irgendwelche Mehrleistungen erbringe. Sein Tipp: «Mieterinnen und Mieter sollen sich unbedingt beim MV Zug beraten lassen und den Anfangsmietzins notfalls unbedingt anfechten.»

«Fachkräfte mit einem hohen Lohn kümmern sich nicht darum, ob ihre Wohnung 2’000 oder neu nun eben 4’000 Franken kostet.»

Urs Bertschi, Co-Präsident Mieterinnen- und Mieterverband Kanton Zug

«Der Kanton und die Stadt Zug tun zu wenig, um das Angebot an zahlbaren Wohnungen zu vergrössern. Der Markt gibt in diesem Segment nichts mehr her», so Bertschi. «Ältere Liegenschaften werden leer gekündigt, um sie dann mit doppelten Mietzinsen neu auf den Markt zu bringen.» Die stete Nachfrage vermögender Menschen nach Wohnraum mache dies risikolos möglich.

«Fachkräfte mit einem hohen Lohn kümmern sich nicht darum, ob ihre Wohnung 2’000 oder neu nun eben 4’000 Franken kostet», so der Anwalt und Co-Präsident des Mieterverbandes. «Die Verlierer bei diesem Spiel sind die Normalverdienenden. Sie haben den Kanton Zug über kurz oder lang zu verlassen.»

Verwendete Quellen
  • Recherche auf unterschiedlichen Immobilienplattformen
  • Sozialbericht der Direktion des Innern
  • Telefongespräch mit Urs Bertschi
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