Bis zu 50'000 Einwohner im Jahr 2040?

Wachstums-Pläne der Stadt Zug wecken kritische Geister

Stadtmodell in der Zuger Verwaltung: die künftige Stadt in Holz. Im Vordergrund der Tech-Cluster und das V-Zug-Areal. (Bild: mam)

Planer der Stadt Zug rechnen mit einem Bevölkerungswachstum von 50 Prozent in nur 20 Jahren. Ist der Boom zu bewältigen? Was bringt er den Einwohnern? Diese Fragen stellt ein SP-Vorstoss im Zuger Stadtparlament. Derweil rechnet der Kanton Zug mit ganz anderen Zahlen.

Gegen 46'000 Einwohner und 50’000 Arbeitsplätze. Damit rechnet das Baudepartement der Stadt Zug fürs Jahr 2040 in der Ortsplanung. Das wäre ein Anstieg der Bevölkerungszahl um die Hälfte in kurzer Zeit.

Dies notabene in einer Stadt mit derzeit 30'400 Einwohnern, in der es seit der Ablehnung des Stadttunnels an der Urne 2015 keine schlüssige Verkehrsstrategie mehr gibt (zentralplus berichtete). Wo man den Bau von Schulen vernachlässigt hat und nun einen Teil der Kinder in Baracken und Baucontainern unterrichtet (zentralplus berichtete).

«Zahlen völlig überrissen»

Kein Wunder, stossen die forschen Wachstumspläne nicht nur auf Euphorie. «Nach unserer Ansicht sind diese Zahlen völlig überrissen», sagt Rupan Sivaganesan, Präsident der SP der Stadt Zug. Seine Fraktion im Grossen Gemeinderat hat am Montag eine Interpellation zum Thema eingereicht. Darin wird gefragt, ob man wirklich mit so hohen Zuwachsraten planen wolle. Und welche Kosten sowie welche Vor- und Nachteile das «exorbitante Wachstum» für die Stadtbewohner habe.

Neue Infrastrukturbauten sind teuer und Zug ist damit im Rückstand: Provisorischer Kindergarten in der Kirchmatt in Zug. (Bild: mam)

Tatsächlich rechnet der Kanton mit anderen Zahlen als die Stadt Zug. Im Richtplan macht er verbindliche Vorgaben für die gemeindlichen Ortsplanungen. In der gültigen Version heisst es: «Der Kanton Zug strebt ein langsames, qualitatives Wachstum an. Er rechnet mit einem mittleren Bevölkerungswachstum.»

Für Zug kalkuliert der Kanton für das Jahr 2040 39'600 Einwohner. Das ist ungefähr ein Fünftel weniger als die Stadt Zug auf der Rechnung hat. Bemerkenswert – auch weil dagegen die Schätzung der künftigen Arbeitsplätze ungefähr übereinstimmt.

Planungsbüro hat gerechnet

Woher also stammt diese Differenz? Das Baudepartement der Stadt Zug gibt auf Anfrage keine Auskunft. Man wolle der Beantwortung des parlamentarischen Vorstosses nicht vorgreifen, heisst es.

Einen Hinweis findet man in den Unterlagen, die Zug im März veröffentlichte, als die öffentliche Mitwirkung zur Ortsplanungsrevision begann.

Demnach stammen die Stadtzuger Wachstumsprognosen vom Planungsbüro Metron AG aus Brugg.  Dieses hat sich das Potenzial der städtischen Bauzonen angesehen und berechnet, wie viele Grossprojekte in der Pipeline sind.

Konservativ geschätzt

Davon gibt es eine Menge: In der äusseren Lorzenallmend soll ein neues Stadtquartier entstehen. Die Oeschwiese wird überbaut, daneben entsteht die Herti-Erweiterung. Auf dem LG-Areal stehen gewaltige Bauprojekte an (zentralplus berichtete). Nördlich davon wird der Stadtzuger Teil des Unterfelds zubetoniert. Im Nordosten der Stadt entsteht der Technologie-Cluster auf dem V-Zug-Areal. Und auch das Areal des Güterbahnhofs wird irgendwann neu überbaut.

Die Metron AG hat verschiedene Szenarien durchgerechnet. Bei der Prognose mit den knapp 46'000 Einwohnern stapelt sie eher tief: «Es wird von Szenario 2 mit langsamerem Wachstum ausgegangen», heisst es im Planungsbericht.

Kanton stützt sich auf den Bund

Der Kanton indes stellt mit seinem Wachstumsprognosen im kantonalen Richtplan auf ein mittleres Szenario des Bundesamts für Statistik von 2015 ab, wie Baudirektor Florian Weber (FDP) auf Anfrage sagt. 2018 übernahm der Kantonsrat die Voraussagen im Rahmen einer Richtplananpassung.

«Die Wachstumszahlen in den Gemeinden dürfen überschritten werden, solange damit keine Neueinzonungen verbunden sind.»

Florian Weber (FDP), Zuger Baudirektor

«Dieses Szenario bildet die prognostizierte Entwicklung nur auf Kantonsebene ab», sagt Weber. Es sei gemeinsam mit der kantonalen Fachstelle für Statistik und unter Einbezug der Zuger Einwohnergemeinden auf die Kommunen heruntergebrochen worden. Die Basis dazu bildeten die vom Kantonsrat gleichzeitig mit den Wachstumszahlen beschlossenen «Grundzüge der räumlichen Entwicklung».

«Verdichtung nach innen»

Bei den festgesetzten Bevölkerungszahlen handle es sich jedoch um Richtwerte, sagt Florian Weber. Der Zuger Kantonsrat habe bereits 2013 einen praktischen Einzonungsstopp beschlossen – auch wenn marginale Arrondierungen von insgesamt 10 Hektaren im Rahmen der anstehenden Ortsplanungsrevisionen noch möglich seien.

«Schon früher wurde klar kommuniziert, dass die festgesetzten Wachstumszahlen in den Gemeinden auch überschritten werden dürfen, solange damit keine Neueinzonungen verbunden sind», sagt der Baudirektor. Das Motto laute «Verdichtung nach innen».

Planung setzt nur Leitplanken

Eine Frage bleibt: Worauf zielt der SP-Vorstoss eigentlich? Schliesslich wird das Wachstum in der Schweiz nicht aufgrund von Prognosen von der Exekutive in Fünfjahresplänen festgesetzt und lässt sich auch nicht per Parlamentsdebatte begrenzen. Sondern es werden von der Politik im Richtplan, den Ortsplanungen und Bauordnungen einfach die Weichen dafür gestellt, was grösstenteils Private später umsetzen.

«Wir wollen Qualität statt Quantität», sagt Rupan Sivaganesan. Der Unterschied zu den Zahlen des Richtplans  lasse befürchten, dass das Augenmerk bei der Zuger Ortsplanung einseitig auf Maximierung gelegt werde. Sivaganesan möchte insbesondere der Mobilitätsplanung und der Ökologie einen grösseren Stellenwert einräumen. Es brauche eine Stadt für alle, nicht nur für die Reichen. «In diesem Zusammenhang gilt es auch zu bedenken, das es in Zukunft mehr ältere Leute gibt, für die neue Wohnformen attraktiv werden.»

Insofern ist der Vorstoss auch ein Beitrag, um die Ortsplanungsrevision wieder in die Öffentlichkeit zu rücken. Denn die Mitwirkung der Bevölkerung ist vorerst beendet – der Dialog endete im Juni. Derzeit ist man bei der Stadt dabei, die Kommentare und Wünsche der Einwohner auszuwerten.

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