Knatsch um Härtefallgelder

Von so vielen Unternehmen fordert Luzern Geld zurück

Der Kanton Luzern verlangt die ausbezahlten Covid-19-Hilfsgelder zurück. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Als einziger Kanton verlangt Luzern Härtefallgelder zurück. Wirtschaftsverbände und bürgerliche Politiker kritisieren den Entscheid scharf. Es geht um eine hohe zweistellige Millionensumme, an der die Regierung festhalten will.

Mit einer süssen Versuchung versuchten Luzerner Gastronomen, eine für sie bittere Pille den Kantonsrätinnen schmackhaft zu machen. Mitglieder des Verbands Gastro Luzern verteilten am Montagmorgen Pralinés vor dem Regierungsgebäude – denn die Parlamentarier entschieden über die Dringlichkeit zweier Vorstösse zu den Covid-19-Härtefallgeldern. Mit Erfolg: Beide Vorstösse wurden einstimmig für dringlich erklärt, weshalb der Kantonsrat am Dienstag darüber berät.

Bei den Vorstössen geht es um eine Situation, die besonders in Gastro- und Wirtschaftskreisen für Empörung sorgt. Um die Ausfälle der Restaurants und anderer Unternehmen während der Coronapandemie abzufedern, hat der Kanton sogenannte À-fonds-perdu-Beiträge gesprochen. Also Härtefallgelder, die die Unternehmen eigentlich nicht zurückzahlen müssen.

Doch es kam bekanntlich anders: Die Luzerner Regierung entschied, einen Teil der gesprochenen 265 Millionen Franken zurückzufordern (zentralplus berichtete). Sie fordert Geld von jenen Unternehmen, die trotzdem einen Gewinn erwirtschaftet haben. Dies unter dem Grundsatz, dass mit staatlichen Mitteln keine privaten Gewinne finanziert werden sollen. Zwar fordert der Bund dasselbe, jedoch nur für Unternehmen mit einem Umsatz über fünf Millionen Franken – und erst ab 2021. Der Kanton Luzern hingegen fordert als einziger auch Geld bei Unternehmen mit kleinerem Umsatz und schon ab 2020 zurück.

Kanton Luzern verteidigt seinen Entscheid

In einem gemeinsamen Postulat der Mitte-, FDP- und SVP-Fraktion forderten die Parteien, dass der Kanton seinen Entscheid nochmals überdenke. Und innert zwei Monaten einen Bericht vorlege, der Zahlen und Fakten zu möglichen anderen Varianten enthalte.

Gemäss einer Auswertung des Bundes wurden vor allem Gastronomen mit Härtefallgeldern unterstützt. (Bild: Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung)

In ihrer Stellungnahme vom Dienstagmorgen ärgert sich die Luzerner Regierung über die vielen scharfen Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände: «In den jüngsten Diskussionen entsteht teilweise der Eindruck, dass der Kanton diese Mittel von notleidenden Unternehmen plötzlich zurückfordere. Das ist nicht korrekt: Rückzahlungen leisten muss einzig, wer in der Pandemiezeit dank der staatlichen Gelder Gewinne erzielte.» Zudem würden die Fixkosten gedeckt bleiben, einzig der Gewinn werde abgeschöpft, verteidigt sich der Kanton.

Mit Staatsgeldern Reserven gebildet

Trotzdem räumt er ein, dass einige juristische Fragen offenbleiben würden. Dazu habe er sogenannte Leading Cases vorangetrieben, deren Ausgang die Gerichte klären würden. In seiner Antwort auf die Anfrage von Gianluca Pardini (SP) führt die Regierung aus, dass diese Gerichtsfälle insbesondere die Fragen zur rechtlichen Grundlage und dem legitimen Zeitpunkt der Rückforderung klären sollten.

Zudem sollten sie weitere rechtliche Unklarheiten – wie etwa zu Sofortabschreibungen, aussergewöhnlichen Positionen und Eigenlöhnen – aus dem Weg räumen. Oder auch zu Aufwänden der Unternehmen, die scheinbar zur Vermeidung eines Gewinns getätigt würden. Der Kanton nennt als Beispiel etwa, wenn Unternehmen während guter Jahre nie Reserven gebildet hätten, während den Pandemiejahren und mit staatlicher Unterstützung dann schon. Und sobald der Zeitraum der Gewinnbeteiligung aufgehört hätte, seien die Reserven als Gewinne aufgelöst worden. Für diese Beispielfälle habe die Regierung extra solche ausgesucht, die möglichst viele solcher rechtlichen Unklarheiten beinhalten würden.

Was passieren würde, sollte die Regierung vor Gericht verlieren, könne sie jedoch erst beantworten, wenn sie entsprechende Urteile analysiert hätte. Aber die Regierung sei bereit, den im Postulat geforderten Bericht innert der zwei Monate auszuarbeiten. Darin verlangten die Kantonsräte eine Auslegeordnung verschiedener Optionen im Umgang mit Härtefallgeldern und deren Konsequenzen. Dementsprechend beantragt die Regierung, das Postulat als erheblich zu erklären.

Zweistellige Millionensumme

Wie in den Antworten der Anfrage hervorgeht, fordere der Kanton «einen hohen zweistelligen Millionenbetrag» zurück. Noch ist der Betrag nicht fix, da die Dienststelle Steuern erst noch alle Fälle bearbeiten muss. Von Rückforderungen betroffen seien rund 800 Unternehmen. Darunter unter anderem aus dem Gastgewerbe, Handel sowie Reisebüros und -veranstalter, Fitness- und Sportzentren, Messe- und Eventveranstalter, Kinos, aus der Erwachsenenbildung und den Unterhaltungsdienstleistungen.

Etwa 160 Firmen hätten bereits gezahlt, rund 700 noch nicht. Dabei kommen die Gelder nicht nur dem Kanton Luzern zu. Ein grosser Teil der Härtefallgelder stammt aus der Bundeskasse. Bei den Rückforderungen, die nur der Kanton Luzern stellt – also bei Unternehmen mit einem tieferen Umsatz als fünf Millionen Franken –, erhält der Bund 70 Prozent, der Kanton 30 Prozent des Geldes.

Trotz des Teilers dürfte für den Kanton eine zweistellige Millionensumme herausspringen. Dass wegen seiner Forderung kleinere Unternehmen in Zahlungsnot geraten, fürchtet der Kanton nicht. Er stelle ja nur Forderungen bei Unternehmen, die Gewinne erwirtschaftet hätten, wie er begründet. Sollten Firmen seither in finanzielle Schieflage geraten sein, können sie die Gelder auch in Raten ohne Zinsen zurückzahlen. Ob sich die Gastronomen und die Kantonsräte damit abspeisen lassen, zeigt sich am Dienstag – dann werden die Vorstösse behandelt.

Update: An seiner Sitzung am Dienstag hat der Kantonsrat das Postulat mit 86 zu 24 Stimmen bei einer Enthaltung als erheblich erklärt. Die Regierung muss nun innert zwei Monaten eine Auslegeordnung ausarbeiten.

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6 Kommentare
  • Profilfoto von Lucommenter
    Lucommenter, 19.03.2024, 22:07 Uhr

    Wer Gewinne schreibt soll keine Staatsgelder erhalten, resp. diese zurückzahlen. Es war nie beabsichtigt mit der Soforthilfe Unternehmensgewinne zu finanzieren. Hier macht eine kleine Minderheit sehr viel Lärm, um ohne guten Grund viel Steuergeld vom Staat zu erhalten. Die Regierung darf hier nicht nachgeben, ansonsten wird die Vollkasko Anspruchs-Mentalität aus allen Ecken gefördert.

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  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 19.03.2024, 21:32 Uhr

    Wieso gibt man ihnen Geld, um das Geschäft vor dem Bankrott zu schützen mit dem versprechen es nicht zurückzugeben müssen und 3 Jahre später treibt man sie selber in den Konkurs. Verstehe ich nicht ganz, was das soll.

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  • Profilfoto von N. Wieser
    N. Wieser, 19.03.2024, 16:18 Uhr

    Wenn die Regierung behautet, "Rückzahlungen leisten muss einzig, wer in der Pandemiezeit dank der staatlichen Gelder Gewinne erzielte", so stimmt das einfach nicht.
    Mein KMU war monatelang zwangsgeschlossen, wir haben unsere Reserveren aufgebraucht bis die Härtefallhilfe endlich und gerade noch rechtzeitig gekommen ist, und wir haben seither keinen Gewinn gemacht. Nun sollen wir die Hälfte davon zurückzahlen – mehrere Zehntausend Franken – gemäss einer Berechnung die wir nicht nachvollziehen können (wie viel muss der Kanton der externen Firma bezahlen, die diese Berechnungen anstellt, und wird diese nach Erfolgsquote bezahlt? Wer recherchiert das genau?).
    Zu behaupten wir hätten mehrere zehntausend Franken Gewinn gemacht ist für uns ein absoluter Witz. Wir haben zehntausende Franken verloren in der Zeit!!!
    Und ja, wir würden in Zahlungsnot geraten, müssten wir das bezahlen, und müssten Konkurs anmelden. Wir sind übrigens kein Gastrounternehmen.

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  • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
    Hanspeter Flueckiger, 19.03.2024, 12:21 Uhr

    Man kann sich über die Bedeutung von «à fond perdu» in der Tat streiten. Grundsätzlich bedeuten «à-fond-perdu-Beträge», dass ohne grosse bürokratische Hürden sofort und schnell geholfen wird. Der Staat schüttet solche Beträge ohne Aussicht auf Rückerstattung aus. Dies bedeutet somit nicht, dass der Staat diese nicht zurückfordern darf.
    Es bleibt die Frage, ob bestimmte Betriebe gerade wegen dieser unbürokratischen Hilfe künstlich am Leben gehalten wurden resp. ohne Rückerstattung weiter am Leben gehalten werden. Ein Businessplan sollte nach drei Jahren wieder funktionieren. Ansonsten wird es auch ohne Rückerstattung wohl und übel eng.

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    M. Moser, 19.03.2024, 09:30 Uhr

    Wieder einmal mehr zeigt sich die Politik von ihrer unschönen Seite. Liebe Politiker à fond perdu heisst, die Beiträge sind nicht zurückzuzahlen. Vielleicht sollten gewisse Politiker Auffrischungskurse in Wirtschaftskunde (nein, nicht ein Besuch der besser angeschriebenen Häuser) und Französisch belegen. So wie die Politiker jetzt handeln, so werden sie unglaubwürdig. Ein weiteres Paradebeispiel der Hüst-und-Hott- Politik der Luzerner Kantonsregierung. Meines Erachtens ein Verhalten das einer Regierung unwürdig ist. Man darf sich also nicht wundern wenn die Quittung dann bei den nächsten Wahlen folgt.

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    • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
      Kasimir Pfyffer, 19.03.2024, 09:35 Uhr

      "Quittung bei den nächsten Wahlen", ich mag Ihren Humor. Als würden Wirte jemals SP oder Grüne wählen.

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