Gute Nachrichten für Zentralschweizer Wirtschaft

Tod den Zombiefirmen: Was der Konkursrekord bedeutet

Dieses Jahr verzeichnet die Schweiz so viele Konkurse wie noch nie. Marius Fuchs, Corporate Finance Dozent an der Hochschule Luzern, erklärt, wieso. (Bild: Unsplash/@evanthewise/zvg)

Prall gefüllte Auftragsbücher, Neugründungen auf hohem Niveau: Das Jahr 2022 ist für die Zentralschweizer Wirtschaft in vielerlei Hinsicht ein Jahr der Rekorde. Doch gleichzeitig sind auch die Konkurse in Rekordhöhen gestiegen.

10'126 Firmenkonkurse – oder knapp 200 pro Woche – hat die Schweiz im Jahr 2022 verbucht. Damit knackt sie erstmals überhaupt die 10'000er-Marke, wie der Gläubigerverband Creditreform Anfang Jahr mitteilt. Und liegt damit rund 37 Prozent über dem Vorjahr.

Konkurse rund 10 Prozent über dem Schnitt

Diese Konkurswelle macht auch vor der Zentralschweiz nicht halt. Das Zuger Kantonsgericht hat im Jahr 2022 – nach Zählart von Creditreform – insgesamt über 614 Firmen den Konkurs eröffnet. Im Vorjahr lag diese Zahl noch bei 437 Firmen, wie Andreas Hess, Leiter des Handelsregister- und Konkursamts, auf Anfrage schreibt. Der Löwenanteil dieser Konkurse – knapp zwei Drittel – fusst jedoch auf sogenannten «Organisationsmängeln».

Diese Formen des Konkurses werden angeordnet, wenn einer Firma eines der «vorgeschriebenen Organe» fehlt oder falsch zusammengesetzt wird. Sprich: Wenn beispielsweise kein Geschäftsführer oder Verwaltungsrat mehr vorhanden ist. Diese Art der Konkurse hat seit einer Gesetzesänderung Anfang 2021 stark zugenommen, da seither auch ein fehlendes Rechtsdomizil als Organisationsmangel gilt (zentralplus berichtete). Die «normalen» Konkurse in Zug sind im Vergleich zum Vorjahr gar etwas zurückgegangen – liegen jedoch rund 10 Prozent über dem Schnitt während der Zeit vor Corona.

«Während der Corona-Pandemie gab es eine Zäsur, die Anzahl Konkurse ging gar zurück. Nun werden viele Firmen von der Realität eingeholt.»

Marius Fuchs, Dozent für Corporate Finance der Hochschule Luzern

In Luzern sieht das Bild ähnlich aus. Aktuelle Zahlen dazu könne das Luzerner Kantonsgericht noch nicht liefern, wie der Informationsbeauftragte Christian Renggli auf Anfrage sagt. Einen Hinweis liefern jedoch Zahlen von Lustat Statistik Luzern. Bis Ende November 2022 sind 208 Firmenkonkurse im Kanton Luzern gemeldet worden. Zur gleichen Zeit im vorherigen Jahr lag diese Zahl noch bei 130. Und bei diesen Zahlen sind Konkurse infolge von Organisationsmängeln nicht einberechnet.

Mehr Gründungen, die schnell scheitern

Selbst unter Einbezug der Gesetzesänderung haben also die Konkurse im Jahr 2022 zugenommen. Wieso, erklärt Marius Fuchs, Dozent der Hochschule Luzern für Corporate Finance. Fuchs leitet auch ein Weiterbildungsprogramm in Krisenmanagement für Unternehmer. Er sieht für die Konkurswelle verschiedene Gründe. Zum einen hat es in den letzten Jahren gleichzeitig auch immer mehr Firmengründungen gegeben (zentralplus berichtete). Und wo mehr Firmen, da gibt es auch mehr Konkurse.

«Sehr viele Leute haben sich selbstständig gemacht», so Fuchs. Insbesondere mit einer GmbH, deren Eintrittsschwelle mit 20'000 Franken Kapital recht niedrig liege. Entsprechend hätten GmbH aber auch wenig Liquiditätsreserven. «Sobald der Anfangselan vorbei ist und die Kundenaufträge nicht wie gewünscht kommen, wird es schwer. Zahlt dann ein Kunde die Rechnung nicht, gerät die Firma direkt in Liquiditätsknappheit.» Mit der steigenden Gründungstendenz erwartet Fuchs deshalb auch künftig eine steigende Zahl Konkurse.

Was Corona mit Zombies zu tun hat

Hier greift dann auch der zweite Grund für die Konkurswelle: die Corona-Pandemie. «Während der Corona-Pandemie gab es eine Zäsur, die Anzahl Konkurse ging gar zurück. Nun werden viele Firmen von der Realität eingeholt.» Denn die Corona-Pandemie habe so genannte Zombiefirmen begünstigt. Also Firmen, die sich mit wenig Geld über längere Zeit über Wasser halten, deren Betrieb jedoch insgesamt nicht rentabel ist.

Mit den Covid-Krediten sei das Leben dieser Unternehmen künstlich verlängert worden. Ein Hinweis dafür liefere der Drei-Jahres-Schnitt: Der Durchschnitt der Jahre 2020, 2021 und 2022 liegt etwa auf dem Niveau der Jahre 2017, 2018 und 2019.

Fuchs betont jedoch, dass nicht nur Firmen Konkurs gegangen seien, die sowieso zum Scheitern verurteilt gewesen sind. «Das letzte Jahr hat auch einige Kollateralschäden gefordert.» Junge Firmen mit innovativen Produkten und gutem Management sind unter anderem wegen Zahlungsschwierigkeiten von Kunden selbst in Liquiditätsengpässe geraten.

Zu guter Letzt habe auch die laufende Strukturentwicklung einen Einfluss, allen voran die Digitalisierung. «Pferdekutschen sieht man heutzutage kaum mehr. So wie ihnen wird es vielen anderen Firmen wegen der Digitalisierung gehen», so Fuchs.

Des einen Freud, des anderen Leid

Während es für die einen weniger gut lief, haben sich andere jedoch umso mehr gefreut. Gemäss einer Medienmitteilung der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ) seien die Zentralschweizer Unternehmen «sehr zufrieden» mit dem Geschäftsjahr 2022. Einige Wirtschaftszweige verbuchten gar ein Rekordjahr: Nach der Pandemie liesse sich ein Nachholeffekt der Konsumentinnen beobachten, der bei Unternehmen zu vollen Auftragsbüchern führe. Dies zeigt sich insbesondere im Bau- und Gastgewerbe.

Die zweite Jahreshälfte hat den Rekorden wegen hohen Energiepreisen und hoher Inflation einen Dämpfer verpasste. Zudem mache sich auch ein allgemeiner Personalmangel bemerkbar: Einerseits werde mehr Personal eingestellt, um die hohe Nachfrage zu bewältigen. Andererseits erreichen viele geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter, womit viele Stellen noch unbesetzt blieben.

Zukunft nicht nur düster

Für das Jahr 2023 ist die IHZ «verhalten optimistisch». Zwar prognostiziert sie einen deutlichen Rückgang in der Konjunktur – aber zumindest ein leichtes Wachstum. Auch Marius Fuchs wagt eine vorsichtige Prognose: «Im Moment stehen die Anzeichen nicht schlecht, dass wir eine Rezession verhindern können.»

Dies hänge jedoch von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von den Energiepreisen. Dort zeige sich jedoch allmählich eine Entspannung (zentralplus berichtete). Fuchs hofft demnach, dass nun viele neue und bestehende Firmen mit innovativen Produkten diese «Nachkrisenzeit» nutzen und gesund wachsen können.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz
  • Schriftlicher Austausch mit Andreas Hess, Amtsleiter Handelsregister- und Konkursamt Zug
  • Medienmitteilung des Gläubigerverbands Creditreform
  • Telefonat mit Christian Renggli, Informationsbeauftragter Luzerner Kantonsgericht
  • Zahlen von Lustat Statistik Luzern zu Konkursen
  • Telefonat mit Marius Fuchs, Dozent für Corporate Finance an der Hochschule Luzern
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