Kritik an Zuger Verkehrspolitik

Das sagt ein Mobilitätsexperte zur Tunnelabstimmung

Alexander Erath forscht an der Fachhochschule Nordwestschweiz. (Bild: FHNW)

Die Kritik an den geplanten Tunnel und der Zuger Regierung durch einen Mobilitätsexperten hat bereits die «NZZ» aufgenommen. Doch was steht eigentlich in seinem Paper?

Wenige Wochen vor der Abstimmung zu den Umfahrungstunneln in Zug hat Alexander Erath, Mobilitätsexperte an der Fachhochschule Nordwestschweiz, ein dreiseitiges Paper veröffentlicht, in dem er den Kanton in die Mangel nimmt. Bereits in der «NZZ» wurde der Experte mit seiner Kritik an den Tunnelplänen der Regierung aufgenommen, ebenso in der «Zuger Zeitung» (zentralplus berichtete).

Im Paper schreibt er, das Vorgehen der Regierung und des Kantonsrats hinterlasse den «Eindruck, dass man mit dem Stadttunnel eine alte infrastrukturpolitische Pendenz zügig erledigen will, weil man es sich leisten kann.» Der Kantonsrat hat die Tunnelkredite im Umfang von rund einer Milliarde Franken deutlich zugestimmt – aber gefordert, getrennt über die Umfahrungen in Unterägeri und der Stadt Zug abzustimmen (zentralplus berichtete).

Vorstudien seien schwer auffindbar

Weiter kritisiert er, dass die relevanten Vorstudien schwer zu finden sind. Sie gibt es nur auf der Website des Mobilitätskonzepts und nicht auf der kantonalen Website zu den Umfahrungen. Dabei würden sie zeigen, dass der Tunnel allein den Verkehr im Stadtzuger Zentrum nicht um die geplanten 75 Prozent verringern werden. Es brauche dazu flankierende Massnahmen wie elektronische Zugangskontrollen zum Zentrum.

Auch die Regierung hat in ihren Berichten und Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass Begleitmassnahmen zu den Tunneln zwingend nötig sind. Wie diese Massnahmen aussehen, soll nach der Abstimmung in der Planungsphase ausgearbeitet werden.

Velobahn könnte Tunnel in die Quere kommen

Ein weiteres Problem könnte eine Velobahn darstellen, führt Erath aus. Denn wegen des geplanten Tunnelportals an der Gubelstrasse, brauche es Strassenausbauten, um den Mehrverkehr aufzunehmen. Die Kreuzung Gubel-/Baarerstrasse müsste beispielsweise so umgestaltet werden, dass die Industrie- und Guthirtstrasse zu Umfahrungsrouten werden und dort Mehrverkehr entsteht, erklärt Erath.

Das Problem: Gemäss kantonalem Velonetzplan vom Dezember 2021 soll in diesem Korridor eine Velobahn mit dem höchsten Ausbaustandard entstehen. «Eine Untersuchung, ob und wie beide Vorhaben miteinander vereinbar sind, wurde bisher aber öffentlich nicht aufgezeigt.»

ÖV und Velos statt Tunnelbau

Dem Mobilitätsexperten bleibt unklar, ob Zug «echte Alternativen zum ‹weiter wie bisher› geprüft hat.» Durch konsequente Förderung von ÖV-Angeboten und Veloverkehr könnte gerade der Kanton Zug mit seinen kurzen Wegen viele Autofahrten überflüssig machen. Auch die Siedlungsentwicklung nach innen, wie bei der Rotkreuzer Suurstoffi, helfe, dass Einwohnerinnen auf ein Auto verzichten.

Zudem seien im Stadtzuger Zentrum die Verkehrszahlen rückläufig, schreibt Erath – trotz steigender Einwohnerzahl (zentralplus berichtete). Die Regierung erwidert, dass der Verkehr auf den Einfallachsen zugenommen habe und gemäss den Berechnungen bis zum Jahr 2040 weiter zunehmen soll.

Insgesamt kommt Alexander Erath zum Schluss: «Zug täte also gut daran, sich zu überlegen, ob man weiterfahren möchte wie bisher. Oder den Mut und Pioniergeist aufbringt, die Ausfahrt in eine zukunftsgerichtete Mobilitätswelt zu wählen.» Mit zwei Milliarden Franken Eigenkapital, aus dem auch die Tunnel finanziert werden sollen, sei das Geld dafür schliesslich vorhanden.

Hinweis: Alexander Erath wurde von unbekannten Privatpersonen aus dem bürgerlichen Lager für seine Einschätzungen zur Umfahrung Zug beauftragt. Das bestätigte er nach Erscheinen dieses Artikels gegenüber zentralplus. Schätzungsweise hat er für seine Arbeit 2000 Franken erhalten (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Paper von Alexander Erath «Findet Zug die Ausfahrt?»
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6 Kommentare
  • Profilfoto von David Meyer
    David Meyer, 19.02.2024, 13:49 Uhr

    Das ist so eine Sache mit den Experten. Prof. Ehrat forscht an der Fachhochschule an Simulationen des Verkehrs. Für Zug hat er nie eine Simulation gemacht, sonst könnte er uns vielleicht etwas Spannendes zeigen. Trotzdem referiert er über den Zuger Verkehr, basierend auf der Sekundärliteratur. Forschung ginge eigentlich anders. Schlussendlich hat er die Vorstudien des Kantons analysiert, ein paar Allgemeinplätze geäussert und ein Fazit, es "könnte" dem Tunnel eine Velobahn in die Queere kommen, oder vielleicht "könnte" sie auch nicht. Es ist halt so eine Sache mit den Experten.

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    • Profilfoto von Remo Hauser
      Remo Hauser, 19.02.2024, 14:51 Uhr

      Ja, das darf man kritisieren. Viel entscheidender aber noch: Auch der Kanton Zug (z.B. Baudirektion) hat nie solche Simulationen gemacht (oder zumindest nicht publiziert). Als Stimmbürger erwarte ich für eine Investition dieser Grössenordnung gut erforschte Fakten, damit ich beurteilen kann, ob eine Investition sinnvoll und effizient ist. Wenn die Faktenlage gut wäre, wäre es einfach Prof. Ehrat zu widersprechen, anscheinend sind die Fakten zu wenig gut, als ist wohl auch das Projekt nicht so gut…

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    • Profilfoto von Esther Ambuehl
      Esther Ambuehl, 19.02.2024, 16:51 Uhr

      Er hat die zur Verfügung stehenden Akten studiert, also die Akten, die auch den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern (oft nur mit viel suchen) zur Verfügung stehen. Daraus hat er sich ein Bild gemacht, genau wie wir dies machen müssen (um nicht nur auf ‚Vertrauensbasis‘ abzustimmen). In der Projektstudie zum Tunnel wird übrigens ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Veloerschliessung mit dem Stadttunnel nicht die nötige Qualität aufweisen kann, da der Platz fehlt. Eigentlich genügt schon ein Blick auf den Plan.

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    Daniel aus cham, 19.02.2024, 13:46 Uhr

    Von wem wurde der “Mobilitäts“ Experte beauftragt? Oder hat er dies in seiner Freizeit gemacht…..
    Ich nehme einmal an, dass die Verkehrsplanung auch durch und mit Verkehrsexperten geplant wurde……. Jetzt stellt sich die Frage — wer ist mehr Experte?

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    • Profilfoto von Esther Ambuehl
      Esther Ambuehl, 19.02.2024, 15:17 Uhr

      Zumindest ist er nicht darauf angewiesen, dass er auch zukünftig vom Kt/Stadt Zug Aufträge erhält. Seine Einschätzung ist daher in jedem Fall neutraler (und weniger ‚zensuriert‘).

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    • Profilfoto von Stöckli joseph
      Stöckli joseph, 19.02.2024, 23:45 Uhr

      Die Hauptkritik gegen den Tunnel ist gar nicht der Tunnel selbst, sondern das keine schlüssige Verkehrsplanung um den Tunnel steht. Das ist auch für die Autofahrer nicht zufriedenstellend. Eine andere Kritik ist, das man sich vom Tunnel eine erhebliche Reduzierung des Verkehrs in der Innenstadt erhofft und dies so auch verkauft. Nur ist die Faktenlage dazu sehr lau, und angesichts der Höhe der Investition, finde ich die Kritik der fehlenden Rahmenplanung durchaus gerechtfertigt. Das ein paar wenige Walchwiler vom Tunnel profitieren, egal wie schlecht die flankierenden Massnahmen sein werden, rechtfertigt die Investitionssumme auch nicht wirklich.

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