Vor Abstimmung in Zug

Unbekannte bezahlen Experte für Tunnel-Einschätzung

Private haben einen Professor beauftragt, den Zuger Tunnel unter die Lupe zu nehmen. (Bild: Adobe Stock)

Ein Professor gibt mehreren Medien kritische Auskünfte zu dem geplanten Tunnel in der Stadt Zug. Er wurde von bürgerlichen Auftraggebern für seine Expertise bezahlt. Nur: Das macht niemand kenntlich.

Der Abstimmungskampf zu den Zuger Umfahrungen wird erbittert geführt. In der Presse, den Zuger Parlamenten und den Leserbrief- und Kommentarspalten werfen sich Gegner und Befürworter die Argumente an den Kopf. Dabei fällt immer wieder ein Name: Alexander Erath.

Mobilitätsexperte sorgt für Wirbel im Abstimmungskampf

«Nach den NEUTRALEN Ausführungen von Prof. Erath gibt es nur eine Antwort: NEIN! Also bitte: sich neutral informieren und daraus die Schlüsse ziehen», kommentierte eine zentralplus-Leserin vergangene Woche. Diese Woche fiel Eraths Name auch im Grossen Gemeinderat.

Michèle Willimann (ALG) zitierte seinen Satz: «Der Stadttunnel ist eine alte infrastrukturpolitische Pendenz, die der Kanton zügig erledigen will.» Benny Elsener (Mitte) mutmasste über Verstrickungen: «In einem Interview verwendet er verdächtigerweise dieselben Worte wie das Nein-Komitee.»

Alexander Erath forscht an der Fachhochschule Nordwestschweiz. (Bild: FHNW)

Eraths Analysen haben den Meinungskampf im Vorfeld der Abstimmung augenscheinlich beeinflusst. Erst berichtete die «NZZ» über seine Kritik am Stadtzuger Tunnel, dann die «Zuger Zeitung». Beide Berichte basieren auf einem zweiseitigen Paper, das auch zentralplus eingesehen hat (zentralplus berichtete).

Doch wer ist eigentlich Alexander Erath? Und warum kennt er sich mit dem Tunnelprojekt in der Stadt Zug aus? In der Zentralschweiz trat der Mobilitätsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz bereits mehrfach als Experte in Erscheinung.

Alexander Erath schrieb Gutachten zu «Spange Nord» und «Bypass»

Mit einem Gutachten zur «Spange Nord» in Luzern kamen er und ein ETH-Forscher zum Schluss, der Kanton überschätze die Zunahme des Autoverkehrs (zentralplus berichtete). Ein Jahr später kritisierte er das Luzerner Autobahnprojekt Bypass aufs Schärfste (zentralplus berichtete). In beiden Fällen hatte er Auftraggeber, deren Namen bekannt gemacht worden sind.

Für die Einschätzungen zur «Spange Nord» erhielten er und sein Partner 20’000 Franken von der Gegenbewegung des kantonalen Projekts. Für das Gutachten zum «Bypass» hatten ihn ebenfalls die Gegner beauftragt, nämlich die Verbände WWF und VCS. Und bei der Umfahrung Zug?

«Vor knapp drei Wochen wurde ich von Privatpersonen aus dem bürgerlichen Lager beauftragt.»

Alexander Erath, Mobilitätsexperte

Im Gegensatz zu den früheren Projekten ist die Situation unklar. Im Artikel der «Zuger Zeitung» heisst es lediglich, Alexander Erath habe «sich mit der Verkehrspolitik im Kanton Zug und speziell mit jener in der Stadt Zug auseinandergesetzt». In der «NZZ» wird er als «unabhängiger Experte» ausgewiesen.

Bürgerliche haben dem Experten rund 2000 Franken gezahlt

Tatsächlich wurde der Experte erneut bezahlt. «Vor knapp drei Wochen wurde ich von Privatpersonen aus dem bürgerlichen Lager beauftragt, eine unabhängige Einschätzung zu den Tunnelvorlagen zu erstellen», bestätigt Erath telefonisch. Dafür habe er etwa eineinhalb Tage gebraucht und einen üblichen Stundenlohn für einen Experten verrechnet.

Ungefähr 150 Franken pro Stunde erhalten Gutachter mit seiner Position. Erath hat mit dem Auftrag also rund 2000 Franken verdient. Wer bezahlt hat, will der Professor nicht sagen. Auch zentralplus konnte die Auftraggeber nicht ermitteln. Stattdessen versichert Erath, dass ihn die Medien getrennt davon kontaktiert hätten. Da sein Paper bereits fertig war, habe er seine Expertise den Journalisten zur Verfügung gestellt.

Ex-Angestellter kritisiert Artikel der «Zuger Zeitung»

Wie die «Zuger Zeitung» über sein Paper berichtet hat, sorgte diese Woche für Wirbel. In einem Leserbrief kritisierte der Kantonsrat Adrian Risi (SVP) vom Pro-Komitee, Erath sei «voreingenommen» und «unglaubwürdig». In der Zeitschrift «Nebelspalter» torpedierte Charly Keiser, langjähriger Sprecher der Zuger Baudirektion und Ex-Redaktor der «Zuger Zeitung», seinen früheren Arbeitgeber.

«Experten tragen immer unterschiedliche Hüte.»

Kommunikationsstelle CH Media

Eraths Analysen seien ungeprüft veröffentlicht worden, Tunnelbefürworter seien nicht zur Wort gekommen und es sei unklar, ob der Experte beauftragt war, schrieb er in einem Gastkommentar, den er auch zentralplus zugestellt hat.

Auf Anfrage schreibt CH Media, der «Zuger Zeitung» sei Eraths Interessenbindung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht bekannt gewesen – Experten würden aber immer «unterschiedliche Hüte» tragen. Zudem habe die Zeitung dem Zuger Baudirektor in einem Folgeartikel die Stellungnahme ermöglicht. Florian Weber durfte sich zu den Hauptkritikpunkten von Alexander Erath in einem Interview äussern.

Baudirektor antwortet auf Eraths Argumente gegen den Tunnel

Die da wären: Zweifel, ob es ein übergeordnetes Verkehrskonzept gibt. Eine geplante Velobahn soll im Perimeter des Nordportals des Tunnels liegen. Die Vorstudien seien zwar gut, aber nicht auf der Website zu den Tunneln auffindbar. Und die Verkehrsreduktion von 75 Prozent lasse sich nur durch Begleitmassnahmen erzielen.

Der Baudirektor antwortete: Es gibt ein kantonales Mobilitätskonzept. Veloinfrastruktur sei mitgedacht. Die Vorstudien befänden sich auf der Kantonsseite zu den Tunneln – und nicht auf der Website umfahrungen.ch, die von der Stadt Zug und Unterägeri betrieben wird. Und: «Auf das Erfordernis der flankierenden Massnahmen haben auch wir immer hingewiesen.»

Hinweis: zentralplus hat die Interessenbindung von Alexander Erath in den bereits erschienenen Artikeln nachgetragen.

Verwendete Quellen
  • Profil von Alexander Erath auf der Website der FHNW
  • Artikel in der «Zuger Zeitung» mit Alexander Erath
  • Artikel in der «NZZ» mit Alexander Erath
  • zentralplus-Medienarchiv
  • Telefonischer Austausch mit Alexander Erath
  • Schriftlicher Austausch mit der Kommunikationsstelle von CH Media
  • Gastkommentar im «Nebelspalter»
  • Interview in der «Zuger Zeitung» mit Baudirektor Florian Weber
  • Leserbrief von Adrian Risi, Kantonsrat SVP
  • Abklärungen von zentralplus zum Lohn für Gutachter
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15 Kommentare
  • Profilfoto von Reto Müller
    Reto Müller, 24.02.2024, 17:49 Uhr

    Hat dann ebp für den Regierungsrat gratis gearbeitet und „Expertise“ zur Verfügung gestellt? Ist es Zufall, dass die Baudirektion bei jedem verunglückten Tunnelprojekt mit der gleiche Beratungsfirma zusammenarbeitet? Wird die Firma von Adrian Risi gratis den Tunnelaushub wegschaffen? Wer von den kritisierenden Bürgerlichen arbeitet gratis? Fragen über Fragen!

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  • Profilfoto von Ruedi Halter
    Ruedi Halter, 24.02.2024, 14:55 Uhr

    Angesichts der immensen Investitionssumme muss der Regierungsrat klare Belege für die Notwendigkeit des Tunnels, die Reduktion des Verkehrs in der Stadt, sowie die Erhöhung der Lebensqualität in den betroffenen Quartieren sicherstellen. Die Taktik, die Beweislast für die nicht Notwendigkeit bzw. Nicht-Wirksamkeit auf die Gegner abwälzen, ist unethisch. Die Befürworter argumentieren auch nicht für den Tunnel, sondern verstricken sich im Kampf gegen die Argumente der Gegner.

    Als analog kann man die Freigabe von medizinischen Therapien und Medikamenten sehen: Die Wirksamkeit muss klar belegt werden. Ansonsten könnte jeder Handaufleger von den Gegnern Beweise für die Nicht-Wirksamkeit verlangen. Dass der Tunnel für wenige Leute zu Hauptverkehrszeiten eine Erleichterung bringt, reicht nicht als Beleg für den Nutzen der Investition. Es geht hier nicht um den Kampf zwischen Bürgerlichen und Alternativen oder Autofahrern und Velofahrern, sondern um ethische Grundsätze, die eingehalten werden müssen. Eine Durchtunnelung der Stadt ist meiner persönlichen Meinung nach gar nicht verkehrt. Nur braucht es stichhaltige Konzepte und Belege für den Nutzen. Das Vertrauen in die Regierung ist leider nicht vorhanden, um den Kredit blauäugig freizugeben.

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  • Profilfoto von Kurt Müller
    Kurt Müller, 24.02.2024, 10:39 Uhr

    Eine Analyse des geplanten Tunnels in der Stadt Zug kann jeder selber machen.
    1. Jahrelanger Baulärm für die Stadtbewohner.
    2a. 747 Millionen für 2,5 km Tunnel der eine Stadtdurchfahrt von 1 km ersetzt.
    2b. Ein Umweg, der oft nicht benutzt würde und die Autofahrer in die Quartiere leitet.
    3. Portal mitten in der Stadt beim Bahnhof. Staus Chamerstrasse Artherstrasse sind vorprogrammiert.
    4. 75 % der Autofahrer fahren in die Stadt mit dem Ziel Parkhäuser, Restaurants und Einkaufen.
    5. Für 1,5 h am Morgen und 1,5 h am Abend ist der Tunnel mehrheitlich nicht ausgelastet.
    6. Für 47 Millionen könnte man die Katastrophenbucht aufschütten und eine goldige Promenade realisieren und 700 Millionen für andere Projekte, die zeitnah gebaut werden, einsetzen.
    Fazit: Dieser Tunnel ist vermutlich getrieben von emsigen Bauunternehmern mit enger Verbindung zu Kantons- und Stadtrat. Eine offensichtliche Fehlplanung.

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  • Profilfoto von Esther Ambuehl
    Esther Ambuehl, 23.02.2024, 13:35 Uhr

    Wird eine unabhängige Beurteilung gewünscht, bieten sich Hochschulen an. Sie sind nicht auf Folgeaufträge angewiesen. Private Büros sind auf diese angewiesen. Würde mich interessieren, was in der Entwurfsphase bei z.B. der Projektstudie des Kantons (Generelles Projekt Umfahrung Zug) noch alles auf Geheiss des Auftraggebers rausgestrichen werden musste. Zu glauben, dass diese Studie vollumfänglich und ohne Abstriche die Meinung des Büros ist, ist naiv. Dafür kenne ich Verwaltungen zu gut.
    Und nebenbei: der Autor dieses Beitrags hat sich gestern als bekennender und ziemlich undifferenzierter Befürworter des Stadttunnels geoutet. Der Bericht liest sich entsprechend.

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  • Profilfoto von Reto
    Reto, 23.02.2024, 12:22 Uhr

    Das Projekt wurde sicher auch mit Experten zusammen erarbeitet, nehme ich an. Dafür gibt es ja diese Experten. Falls das Projekt jedoch von einem Bäcker, Florist oder Lehrer ausgearbeitet wurde ist natürlich eine Kontrolle durch einen unabhängigen ExperteN super.

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    • Profilfoto von Gerry W.
      Gerry W., 23.02.2024, 13:40 Uhr

      Das Projekt wäre wohl besser mit einem Bäcker, Floristen oder Lehrer geplant worden. Es wäre wohl besser gelungen. Zudem leisten diese Berufsgruppen oftmals einen tollen Job.

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      • Profilfoto von Reto
        Reto, 23.02.2024, 17:41 Uhr

        Die Leisten einen super job. Aber auf ihrem job. Das wollte ich auch nicht anzweifeln. Hoffen wir das jeder seinen job gut kan.

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    Adrian Risi, 23.02.2024, 12:07 Uhr

    Super Bericht! So unbekannt sind diese Personen nicht. Wer den NZZ Artikel vom 14.2. gelesen hat, weiss wer dahinter steckt. Halt unglaublich, dass sich sogenannt liberale Leute so auf Abwege begeben.
    Zu Experte Erath sage ich nichts mehr. Der hat sich selber aus dem Rennen genommen!

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    • Profilfoto von Kurt Müller
      Kurt Müller, 24.02.2024, 14:23 Uhr

      Es wäre angebracht, in Leserbriefen Argumente zu bringen. Auszudrücken welche Personen einem Kantonsrat nicht genehm sind, ist für die Bevölkerung nicht von Bedeutung. Bei einem solchen Tunnelprojekt ist Sachverstand gefragt. Politik darf auch sachlich sein.

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  • Profilfoto von Charly Keiser
    Charly Keiser, 23.02.2024, 09:29 Uhr

    Ich habe die Zuger Zeitung in meinem Gastkommentar nicht torpediert, sondern behauptet und begründet, dass diese eine Kampagne gegen die Umfahrung Zug fährt. Dass der Baudirektor erst Tage später und auf seine Intervention hin Eraths Worthülsen und Vorwürfe entgegnen kann, macht das vorherige journalistisch unkorrekte Verhalten der Zuger Zeitung nicht besser.

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    Benny Elsener, 23.02.2024, 07:52 Uhr

    Ein Bürgerlicher soll bezahlt haben? Kann ja sein, wir können es nicht nachweisen können, nur Herr Erath, sie werden nie mehr glaubwürdig sein. Aus Geldgier betrügen sie unser Zuger Stimmvolk. Unterste Schublade. Viel Freude mit ihrem Gewissen in Zukunft

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    • Profilfoto von HaraldT
      HaraldT, 23.02.2024, 09:12 Uhr

      Reichen diese Aussagen für eine Ehrverletzungsklage?? Als wenn die Verkehrsgutachten des Kantons völlig objektiv wären… Von Geldgier zu reden bei SIA-Ansätzen ist wohl im Vergleich zu einem Anwalts-Honorar auch völlig daneben. Unterste Schublade, Herr Elsener!

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    David Meyer, 23.02.2024, 07:07 Uhr

    Der Herr Professor ist ja noch weniger als billig. Er macht Gefälligkeitsstudien. Diese war schon unglaubwürdig, dass ihn ein "Bürgerlicher" bezahlt hätte glaubt dann schon gar niemand mehr. Weit sind wir gesunken in diesem Land.

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      Kommentarschreiber, 23.02.2024, 08:36 Uhr

      "Diese war schon unglaubwürdig, dass ihn ein "Bürgerlicher" bezahlt hätte glaubt dann schon gar niemand mehr." Klar, kann ja nicht sein, was nicht sein darf, das war sicher ein "Linker". So weit sind wir also gesunken in diesem Land.

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    • Profilfoto von HaraldT
      HaraldT, 23.02.2024, 09:20 Uhr

      Dass ein "Grün"liberaler für mehr Autoverkehr und und riesige Umweltbelastung durch den Bau und Betrieb von Autotunnels einsteht ist auch mehr als unglaubwürdig! Schön zu lesen, dass Sie offenbar in Sachen Verkehrsfragen kompetenter sind als Professor Erath, sodass sie einschätzen können, dass es sich um eine Gefälligkeitsstudie handelt! Können Sie in diesem Fachgebiet Referenzen aufweisen? Wenn ja bitte veröffentlichen! Danke.

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