Europaweite Daten zeigen

Diese Luzerner Anlage ist eine wahre Dreckschleuder

Die Verbrennungsanlage Renergia in Perlen (Gemeinde Buchrain) ist die grösste des Landes. (Bild: Renergia)

Die Renergia Zentralschweiz AG verbrennt den Abfall der Zentralschweiz. Wie eine neue Recherche zeigt, stiess sie seit 2015 mehr CO₂ aus als eine Million Berufspendler pro Jahr.

Jede zweite industrielle Tonne Treibhausgase, die in der Schweiz in der Luft landet, stammt aus der Abfallwirtschaft. Und jede dritte Tonne aus der Zementindustrie. Das zeigt eine neue Auswertung von Daten der Europäischen Umweltagentur (EUA), die «Correctiv.Europe» in Kooperation mit zentralplus vorgenommen hat.

Die Daten zeigen den Schadstoffausstoss grosser Industriefirmen und von Betrieben der Landwirtschaft aus den Jahren 2007 bis 2022. Sie stammen aus dem «European Pollutant Release and Transfer Register» und messen den Ausstoss von Treibhausgasen wie CO₂, Methan und Lachgas sowie anderer Schadstoffe, wie zum Beispiel Stickstoffdioxid und Schwefeloxide.

Luzerner Unternehmen in den Top 30

251 Schweizer Firmen sind auf der Liste erfasst, da sie aufgrund ihrer Grösse verpflichtet sind, ihren Schadstoffausstoss zu melden. Die Liste der 30 Konzerne mit den grössten Gesamtemissionen wird von Zementherstellern angeführt. Die Firma Holcim kommt in der Tabellenspitze mehrfach vor, mit drei ihrer Standorte.

Auch ein Luzerner Unternehmen hat es unter die Top 30 «geschafft»: Die Renergia Zentralschweiz AG aus Perlen liegt mit einem Gesamtausstoss von zwei Millionen Tonnen CO₂ auf Platz 25. Es handelt sich um Emissionen aus den Jahren 2015 bis 2021, da die Abfallverbrennungsanlage erst vor neun Jahren gebaut wurde.

Information zur Recherche

Diese Untersuchung ist Teil einer Kooperation von zentralplus mit «Correctiv.Europe», einem Netzwerk für Lokaljournalismus, das gemeinsam mit lokalen Redaktionen in ganz Europa datenbasierte und investigative Recherchen umsetzt. «Correctiv.Europe» ist Teil des gemeinnützigen investigativen Newsrooms Correctiv, der durch Spenden finanziert wird. Mehr dazu unter diesem Link.

Zum Vergleich: 2 Millionen Tonnen CO₂ entsprechen den jährlichen Emissionen von 1,3 Millionen Berufspendlern, die täglich 40 Kilometer mit dem Auto fahren.

Ausstoss der Renergia Zentralschweiz hat um 45 Prozent zugelegt

Eine nähere Analyse der Daten der Renergia Zentralschweiz AG zeigt, dass der CO₂-Ausstoss seit Eröffnung der Anlage im Jahr 2015 stetig zugenommen hat: von 231’000 Tonnen CO₂ im Jahr 2015 auf 334’000 Tonnen im Jahr 2021. Somit haben die Emissionen der Luzerner Kehrichtverbrennungsanlage in nur sechs Jahren um 45 Prozent zugelegt.

Das verwundert. Denn der Neubau solle mit «neuesten Technologien sehr vorbildlich in Bezug auf Umweltverträglichkeit und Energieeffizienz» sein. So steht es in einem Veranstaltungsbeschrieb auf der Website der Umweltberatung Luzern, einem Infoportal von Stadt und Kanton.

Das 320 Millionen Franken teure Kraftwerk verbrennt die Siedlungsabfälle der ganzen Zentralschweiz und produziert daraus Strom für 38’000 Haushalte. Zudem versorgt die Firma die Perlen Papier AG, die Fernwärme Luzern AG und die WWZ AG mit Wärme.

CO₂-Emissionen hängen direkt mit Abfallmengen zusammen

Hans Musch ist Geschäftsleiter der Renergia Zentralschweiz AG. Auf Anfrage erläutert er ausführlich, was für die Zunahme verantwortlich sei. «Das Wachstum der CO₂-Emissionen hängt eins zu eins mit dem Mengenwachstum an Abfällen zusammen, die bei uns angeliefert werden.» Die Daten von «Correctiv.Europe» kommentiert Musch nicht, da ihm die Quelle unbekannt sei.

Er sagt: «Unsere Anlage war für eine Kapazität von 200’000 Tonnen Abfälle pro Jahr geplant. Heute werden jedoch 280’000 Tonnen pro Jahr angeliefert.» Als die Renergia Zentralschweiz AG Anfang 2015 öffnete, übernahm sie die Aufgaben der inzwischen rückgebauten Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) Ibach. Ihre Emissionen waren deutlich niedriger, wie die Daten der EUA ebenfalls zeigen. Ihre Kapazität mit 90’000 Tonnen pro Jahr aber auch, betont Hans Musch.

Heute sei die Renergia Zentralschweiz AG die Kehrichtverwertungsanlage mit der grössten Kapazität in der Schweiz, sagt der Geschäftsleiter. «Deshalb gehören wir auch zu den grossen CO₂-Emittenten.» Insgesamt stiess die Schweizer Abfallwirtschaft im von «Correctiv.Europe» untersuchten Zeitraum 60 Millionen Tonnen CO₂ aus. Etwa 3,3 Prozent davon stammen aus Perlen.

Grüner Abfall für die Hälfte der CO₂-Emissionen verantwortlich

Soll der CO₂-Ausstoss sinken, muss die Abfallmenge sinken. So viel ist klar. Dabei sei der grüne Güsel nicht zu unterschätzen, erklärt Hans Musch. «Die Hälfte der CO₂-Emissionen haben keinen fossilen Ursprung, sondern stammen aus Rüstabfällen, Speiseresten oder Gartenabfällen.» 

Doch weil Abfälle vielleicht gesenkt, aber nicht gestrichen werden können, braucht es Lösungen. Bis 2030 soll eine Pilotanlage gebaut werden, die jährlich 100’000 Tonnen CO₂ speichern kann (Carbon Capture). Als Mitglied des Verbands der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen unterstützt auch die Renergia in Perlen die Pläne. Musch meint: Falls solche Anlagen technisch und logistisch Sinn ergäben, bestünden die Voraussetzungen, um die Renergia bis 2050 CO₂-neutral zu machen.

Verwendete Quellen
  • Mitteilung von «Correctiv.Europe»
  • Datensatz von «Correctiv.Europe»
  • Artikel von «Quarks»
  • Website der Umweltberatung Luzern
  • Medienmitteilung der Real aus dem Jahr 2011
  • Schriftlicher Austausch mit Hans Musch, Geschäftsleiter Renergia Zentralschweiz AG
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