Polizei übt sich in Selbstkritik

FCL-Spiel: Gummischrot-Schüsse waren laut Polizei unnötig

Die Polizei sichert nach dem Spiel die Route der schottischen Fans in Richtung Innenstadt. (Bild: jdi)

Erneut hat die Polizei Wasserwerfer und Gummischrot rund um ein Fussballspiel des FCL eingesetzt. Noch in der Nacht schreibt sie, das Geschoss wäre «nicht nötig» gewesen.

Die Anspannung vor dem Rückspiel des FC Luzern gegen Hibernian Edinburgh war bei der Luzerner Polizei hoch. Bloss keine Ausschreitungen, wie vor rund zwei Wochen, als die Schweden zu Gast waren (zentralplus berichtete). Ganze drei Tage wurden daher alle Posten im Kanton geschlossen, um genug Polizisten für das Spiel zur Verfügung zu haben (zentralplus berichtete). Gar als «Hochrisikospiel» bezeichnete die Polizei das Qualifikationsspiel zur Conference League.

Ob das gerechtfertigt war? Gegenüber zentralplus sagten bereits vor dem Spiel mehrere Personen, die Fans aus Schottland seien friedlich (zentralplus berichtete). Das breite Aufgebot der Luzerner Polizei sei nicht nachvollziehbar. Gestern Abend fand das Spiel statt und noch bevor der Ball in der Arena rollte, schoss die Polizei mit Gummischrot – erneut.

Hat die Polizei vergessen abzusperren?

Kurz nach 20 Uhr meldet ein Leserreporter, die Polizei hätte an der Moosmattstrasse einen Wasserwerfer und Gummischrot eingesetzt. Sein Video zeigt, wie sieben Polizisten neben einem sprühenden Wasserwerfer stehen und die Strasse blockieren. Einer von ihnen gibt einen Schuss ab, in Richtung der etwa 50 Meter entfernten Fangruppe.

«Die Polizei hat vergessen beim Denner abzusperren», schreibt der Leserreporter. «Die Schotten seien daher in Richtung Allmend und nicht nach Hubelmatt gelaufen.» Ähnliches bestätigt auch Marco Liembd, der Geschäftsleiter des Konzerthauses Schüür. Er war am Ort des Geschehens, wie er auf Facebook schreibt. Die schottischen Fans seien an besagter Stelle verwirrt gewesen, weil die Luzerner Fans «den anderen Weg über die Moosmattstrasse Richtung Horwerstrasse wählten.» Sie seien zwar alkoholisiert gewesen, hätten aber nicht provoziert.

Vor den Schüssen habe Liembd keine mündliche Vorwarnung der Polizei mitbekommen. Ein anderer zentralplus Leserreporter schreibt, er habe eine Vorwarnung gehört, allerdings auf Deutsch. «Ja ich mein, die sind aus Schottland! Da versteht man ‹Weichen sie zurück!› nicht», sagt er. Gegen halb 1 Uhr nachts bezieht die Luzerner Polizei dann Stellung. Und gesteht einen Fehler ein.

Luzerner Polizei gesteht Fehler ein

Die Luzerner Polizei schreibt, schottische Fans hätten auf dem Weg zum Stadion die Anordnungen der Luzerner Polizei nicht befolgt. Die Einsatzkräfte hätten daher den Wasserwerfer eingesetzt und «nach einer mündlichen Abmahnung» drei Schüsse abgegeben. Verletzt worden sei dabei niemand.

Trotzdem übt sich die Polizei in Selbstkritik. «Diese Schussabgabe auf Distanz wäre jedoch nach ersten Erkenntnissen nicht nötig gewesen», heisst es in der Mitteilung. Die Luzerner Polizei werde deshalb den Vorfall «in der eigenen Analyse» kritisch aufarbeiten.

Ob die Polizei den Fehler eingesteht, weil zentralplus und andere Medien den Einsatz von Gummischrot am Rande des Spiels gegen die Schweden hinterfragten? Nach dem Spiel hatten die Einsatzkräfte die Fanlager vor dem Stadion mit Gummischrot getrennt. Dabei verletzten sie einen FCL-Fan schwer am Auge. Ob er auf diesem je wieder sehen kann, ist ungewiss (zentralplus berichtete).

Tatsache ist, dass der Besuch der Fans aus Edinburgh friedlich verlief. Am Mittwochabend hätte die Polizei mehrere Personenkontrollen durchgeführt und etwa eine Handvoll Personen aus der Altstadt formlos weggewiesen, heisst es in einer Mitteilung. Von Gewalt ist keine Rede.

Anm. d. Red.: Der Artikel wurde im Nachhinein durch Bildmaterial und die Aussagen von Marco Liembd und einem zentralplus Leserreporter ergänzt.

Verwendete Quellen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


19 Kommentare
  • Profilfoto von LD
    LD, 18.08.2023, 23:50 Uhr

    Die Fähigkeiten der Luzerner Polizei zur Kontrolle der Bevölkerung in jeder Bedrohungslage lässt noch zu wünschen übrig.

    👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Rosie Bitterli Mucha
    Rosie Bitterli Mucha, 18.08.2023, 19:47 Uhr

    Tja, das ist wirklich absolut unverständlich und peinlich, wie sich die Polizei in der selbst ernannten offenen Tourismusstadt verhalten hat. Was ist denn das für eine Strategie des Kommandos? Wie soll man dann noch zwischen echtem Hooliganismus (wo Durchgreifen und Massnahmen nötig sind) und friedlichen Fans unterscheiden? Will man das ev. gar nicht? Goot‘s no?

    👍4Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Caruso
    Caruso, 18.08.2023, 14:35 Uhr

    Es ist schon eigenartig….die Polizei ist schuld!
    Ich bin für hartes durchgreifen und vor allem für Verursacher gerechtes bezahlen der Kosten. Geld scheint ja im Fussball genügend vorhanden zu sein.

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎7Daumen runter
    • Profilfoto von Manuel
      Manuel, 18.08.2023, 15:23 Uhr

      Ist nun mal so, dass da die Polizei einen Bock geschossen hat, indem die Strasse nicht blockiert wurde (war bei früheren Fällen jedoch anders). Bin ebenfalls ein Augenzeuge. Der darauffolgende Einsatz von Gummischrot und Wasserwerfer war absolut unverhältnismässig. Man kann Leuten nicht mit Gummischrot den Weg weisen.

      👍8Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Rene
      Rene, 18.08.2023, 20:35 Uhr

      Es gab keinen Grund durchzugreifen. Luzerner und Schotten spazierten gemeinsam gemütlich in die Allmend.

      👍5Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
  • Profilfoto von Markus Fuchs
    Markus Fuchs, 18.08.2023, 14:02 Uhr

    Langsam fängt die Fassade an zu bröckeln liebe Luzerner Polizei. Ich durfte dem «Spektakel» hautnah beiwohnen. Was sie sich hier geleistet haben (oder eben nicht), ist an Dilettantismus nicht mehr zu überbieten. 4-5 schottische besoffene Fans, welche ein paar Fluchwörter in eure Richtung schreie (aus 30-40m Entfernung!!!) und ihr ballert drauflos und setzt den Wasserwerfer ein? Zuerst schätzt man die ganze Lage komplett falsch ein und dann im Einsatz folgen weitere absurde Fehleinschätzungen, worauf Handlungen folgen, welche an Überhärte und Unverhältnismässigkeit kaum zu überbieten sind. Ich hoffe, dass nun diverse andere Vorgehensweisen und Verfehlungen aufgearbeitet werden. Dies muss zwingend auch zur Folge haben, dass gewisse Positionen umbesetzt werden und gewisse Personen ersetzt oder zumindest versetzt werden. So kann es nicht weitergehen. Wir sind doch hier nicht im alten Rom. Um noch eine letzte vielleicht etwas ketzerische Frage zu stellen – könnte es sein, dass der Fisch allenfalls auch von ganz oben stinkt? Herr Achermann macht mir da seit Längerem keinen wirklich sattelfesten Eindruck. Vielleicht würde auch ihnen mal eine gewisse Portion Selbstreflektion gut tun. Kann eigentlich nur besser werden.

    👍9Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von schaltjahr
    schaltjahr, 18.08.2023, 12:32 Uhr

    Nach dem Abgang von Regierungsrat Winiker, welcher den Polizeikommandanten immer geschützt hat, wird es nun wirklich Zeit, die Probleme dieses Corps und vor allem seiner obersten Führung zu Durchleuchten und notwendige Schritte anzugehen. Moderne Fürung und Polizeitaktik sieht anders aus.
    Ich hoffe, dass sich Frau Fanaj nicht vom Führungszirkel der Polizei einlullen lässt, sondern durchgreift und dem Kanton eine funktionierende, aber effiziente Polizei zur Verfügung stellt.

    👍10Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Libero
    Libero, 18.08.2023, 09:27 Uhr

    Ein erster Schritt in die hoffentlich richtige Richtung…kritisch hinterfragen…und zu Fehlern stehen…

    👍6Gefällt mir👏1Applaus🤔3Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Reto Meier
    Reto Meier, 18.08.2023, 09:22 Uhr

    Mit jedem Schuss Gummigeschoss nimmt die Polizei billigend in Kauf, dass Fans gravierend verletzt werden, dass etwa jemand das Augenlicht verliert. Der Einsatz von Gummigeschossen muss daher auf das absolute Minimum beschränkt bleiben. Von Verhältnismässigkeit scheint die Polizei aber noch nie was gehört zu haben, dermassen inflationär werden Gummigeschosse eingesetzt. Aber ja, jetzt hat man mal taktisch einen Fehler eingestanden in der Hoffnung, so könne man schneller zur Tagesordnung übergehen. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass die Polizeieinsätze der letzten Wochen endlich einer kritischen Beurteilung unterzogen werden. Dann wird man auch unschwer erkennen, dass personelle Konsequenzen wohl ein Muss sind. So kann es nicht weitergehen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis dem nächsten Fan ein Auge weggeballert wird.

    👍11Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
    Hanspeter Flueckiger, 18.08.2023, 09:12 Uhr

    Warum die UEFA solche kleinen Vereine nicht per se aus seinen Wettbewerben ausschliesst, bleibt schleierhaft. Man stelle sich vor, nächste Woche wären dann die Aston Villa Hardcore in der Stadt Luzern eingefallen. Offenbar ist Luzern tatsächlich nicht in der Lage. Die zuständige Regierungsrätin und die Politik müssen sich dringenst überlegen, ob solche Spiele künftig nochmals bewilligt werden. Sportlich ist diese Erfahrung für den FC Luzern vermutlich wertvoll. Für die Stadt haben solche Begegnungen kaum einen Nutzen. Biertrinkende und johlende Anhänger sind eher der marketingtechnische Supergau, bedenkt man die grössenteils rechtsbürgerliche Einstellung in gewissen Fankurven.

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎8Daumen runter
    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 18.08.2023, 10:34 Uhr

      Es waren übrigens die FCL Ultras die einigen Hibs beim Stadion blaue Augen verpassten. Wer sich jedoch einseitig informiert kann es halt nicht wissen…

      👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔3Nachdenklich👎1Daumen runter
      • Profilfoto von Peter Müller
        Peter Müller, 18.08.2023, 15:14 Uhr

        Definiere «Die FCL-Ultras»?

        Die Kurve lief als geschlossene Gruppe ruhig und geordnet zurück an den Bundesplatz ohne Zwischenfälle.

        👍4Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
        • Profilfoto von Michael Zopfi
          Michael Zopfi, 18.08.2023, 19:20 Uhr

          ach Herr Greter urteilt immer einseitig, wetten er war nicht mal am Match? Ich war auch vor Ort und hab nur gesehen wie die Hibs den FCL-Fans applaudiert haben, als sie vor dem grossen Zelt vor dem Stadion vorbeiliefen. Viele schottischen Fans haben die Stimmung im Stadion als toll empfunden. war es auch, besonders nach dem 2:1…aber dann kam Burch 🙁

          👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
          • Profilfoto von Roli Greter
            Roli Greter, 19.08.2023, 12:23 Uhr

            Braucht zentralplus einen Quellennachweis oder will man den Kommentar schlicht nicht veröffentlichen?

            👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runter
            • Profilfoto von Redaktion zentralplus
              Redaktion zentralplus, 19.08.2023, 13:34 Uhr

              Wir publizieren keine fremdsprachigen Kommentare.

              👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Rocco Tornado
    Rocco Tornado, 18.08.2023, 09:08 Uhr

    Sorry, aber dieser erneute, grundlose Gummischrot-Einsatz, zwei Wochen nach den von der Polizei vertuschten Vorkommnissen mit schwerverletzten Opfer gegen die Schweden…… Da zweifle ich schon etwas an der Restintelligenz der Luzerner Polizei und ob wir es da wirklich mit ausgewiesenen Fachkräften zu tun haben! Doch ich vermute, dass dieser Vorfall erneut vom Establishment der Luzerner Politik vertuscht wird. Also nichts neues aus dem Landkanton!

    👍10Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Anonym
    Anonym, 18.08.2023, 09:03 Uhr

    Der erneute Einsatz von Gummischrot durch die Luzerner Polizei, diesmal gegenüber den Fans von Hibernian, offenbart ein ernstes Problem in den Reihen der Einsatzkräfte. Nachdem David Z. ein Auge verloren hat, erhalten wir nur scheinbare Selbstreflektion und unbegründete Versprechungen. Dies ist nicht nur eine Beleidigung für das Opfer und seine Familie, sondern ein Beweis dafür, dass die Polizeiführung, einschliesslich Adi Achermann, die ernsten Bedenken der Öffentlichkeit ignoriert. Wie viele Menschen müssen noch verletzt werden, bevor echte Massnahmen ergriffen werden? Wie lange müssen wir noch leere Versprechungen und oberflächliche Selbstkritik akzeptieren? Es ist an der Zeit, eine unabhängige Untersuchung einzuleiten und die Luzerner Polizei für ihr wiederholtes Versagen zur Rechenschaft zu ziehen. Wir brauchen echte Veränderungen und Transparenz, nicht nur Lippenbekenntnisse und Ausflüchte. Genug ist genug!

    👍11Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Rocco Tornado
      Rocco Tornado, 18.08.2023, 09:37 Uhr

      @Giandalf – Bin mit Ihrer Meinung absolut einverstanden und sie deckt sich auch in weiten Teilen mit meiner Meinung…… bis zu dem Punkt der unabhängigen Untersuchung. Wer soll die Ihrer Meinung nach leiten? In die Vorgehens- und Arbeitsweise der Polizei erhält wahrscheinlich nur ein Kadermitglied einer anderen Polizeiabteilung oder ein Kantonsrat Einblick. Schon sind wir wieder beim Establishment…… Nun glauben Sie echt, dass ein Kollege einen Kollegen rasiert? Die Folge wären jahrelange Untersuchungen, welche sich irgendwann im Sande verlaufen mit der Hoffnung in Vergessenheit zu geraten. Sollte sich jedoch irgendein Journalist irgendwann mal daran erinnern und nachfragen, dann kommt ein Bericht welche so schwammig ist, dass sich alle bei der Polizei weiterhin ordentlich gegenseitig auf die Schultern klopfen können. Das ist Politik!

      👍8Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
      • Profilfoto von Anonym
        Anonym, 18.08.2023, 10:22 Uhr

        Sie treffen den Nagel auf den Kopf, und ich teile Ihre Bedenken vollkommen. Wer würde bei einer Untersuchung wirklich unparteiisch sein, wenn die Polizei sich immer gegenseitig den Rücken stärkt? Das ganze System ist darauf ausgerichtet, sich selbst zu schützen, und einige Medien wie die Luzerner Zeitung wirken oft wie ein Sprachrohr der Polizei. Zum Glück haben wir noch Zentralplus, das unabhängig berichtet. Ich wäre auch dafür, unabhängige Experten und Betroffene zusammenzustellen, aber die Chancen, dass die Polizei so etwas zulässt, sind wohl gleich null. Die Frustration wächst, und das Verlangen nach einem Gummischrot-Verbot wird immer drängender. Aber ich sehe nicht, wie sich das durchsetzen liesse. Es fühlt sich an wie ein hoffnungsloser Kampf, und es macht mich wütend und frustriert.

        👍7Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon