Wegen «Hochrisikospiels»: Polizeiposten sind zu

Wie gefährlich sind die schottischen Fans wirklich?

Schottische Fussballfans am Donnerstagmittag in der Luzerner Altstadt. (Bild: jdi)

Der FC Luzern spielt am Donnerstagabend gegen den Hibernian FC aus Edinburgh. Die Luzerner Polizei stuft die Europapokal-Partie als Hochrisikospiel ein – und schliesst dafür aus Personalnot im ganzen Kanton Polizeiposten. Zu Recht?

«Hier wird ein Kasperlitheater veranstaltet», meint ein FCL-Fan gegenüber zentralplus leicht belustigt, aber auch etwas verärgert. Dass die Luzerner Polizei vor dem Europapokal-Heimspiel des FC Luzern gegen Hibernian Edinburgh die Schotten dicht macht und fast all ihre Posten im Kanton schliesst (zentralplus berichtete), hält er für komplett übertrieben.

«Die Polizei war der Aufgabe rund um das Spiel gegen Djurgårdens IF offensichtlich nicht gewachsen», so der FCL-Anhänger weiter. Er spricht auf die Ausschreitungen direkt vor dem Stadion auf der Allmend an, wo rund 30 schwedische Fans auf Heimfans einprügelten, nachdem sie der Polizei entwischt waren.

«Fussballfans dienen einmal mehr als Bauernopfer für den Schrei der Luzerner Polizei nach mehr personellen Ressourcen und repressiven Mitteln.»

FCL-Fan

Zur Unterbindung der Gewalt setzte die Luzerner Polizei Gummischrot ein. Mutmasslich traf dieses den 34-jährigen Luzerner David Z. und verletzte ihn schwer. Ob er auf dem linken Auge je wieder sehen wird, ist derzeit unklar (zentralplus berichtete).

«Die Polizei schiesst mit Kanonen auf Spatzen»

Nach dem seiner Meinung nach missglückten Einsatz vor genau zwei Wochen solle nun ein Grossaufgebot Krawalle verhindern, vermutet der FCL-Fan. «Doch die schottischen Fans sind harmlos», will er wissen – weil er sich auch für die Fankultur im Ausland interessiere. Die Einstufung als Hochrisikospiel sei mehr als fragwürdig. «Die Polizei schiesst mit Kanonen auf Spatzen. Und leider auch mit Gummischrot auf Unbeteiligte, wie zuletzt vor dem Stadion Allmend.»

Dass die Luzerner Polizei derart aktiv kommuniziert – an der Pressekonferenz vom vergangenen Freitag informierte Kommandant Adi Achermann zusammen mit Regierungsrätin Ylfete Fanaj über die temporären Postenschliessungen –, ist für den FCL-Unterstützer kein Zufall. «Fussballfans dienen einmal mehr als Bauernopfer für den Schrei der Luzerner Polizei nach mehr personellen Ressourcen und repressiven Mitteln», wirft er den Verantwortlichen vor.

Nicht nur für den erwähnten FCL-Fan, sondern auch für die Nutzer im FCL-Forum ist klar: Von den Schotten geht keine Gefahr aus. Der Tenor: Das Polizeiaufgebot sei völlig übertrieben, das grösste Sicherheitsrisiko würden schottische Bierfürze und Alkoholfahnen darstellen.

Luzerner Polizei verweist auf Pressekonferenz

Wieso die Luzerner Polizei die Begegnung zwischen dem FC Luzern und dem Hibernian FC als Hochrisikospiel einstufe, möchte sie auf Anfrage gegenüber zentralplus nicht präziser beantworten. Das gelte auch für weitere Fragen, die Kommunikationschef Christian Bertschi am Mittwoch schriftlich zugestellt wurden.

«Bei den Schweden hatten wir mehr Sicherheit, wie sie sich verhalten.»

Adi Achermann, Kommandant der Luzerner Polizei

«Ihre Fragen wurden im Rahmen der Medienkonferenz von vergangener Woche beantwortet. Wie Sie in Ihrem eigenen Medium nachlesen können, war ‹zentralplus› an der Medienkonferenz mit dabei und hat die Gründe dargelegt bekommen. Wir verzichten deshalb auf eine erneute Beantwortung dieser Fragen», erklärt Bertschi.

Darum macht die Luzerner Polizei mobil

Ohne auszuführen, was das Conference-League-Qualifikationsspiel zu einem Hochrisikospiel macht, zählte Polizeikommandant Adi Achermann an der Pressekonferenz einige Gründe auf, welche die sicherheitstechnische Brisanz der Partie aufzeigen sollte: etwa die unbekannte, auf über 1’000 geschätzte Zahl der anreisenden Fans aus Schottland. Oder deren mehrtägiger Aufenthalt in Luzern. Ausschreitungen seien nicht nur am Matchtag, sondern auch am Vorabend und am Tag danach möglich. Quasi eine Dreifachbelastung für die Einsatzkräfte.

Tatsächlich markierte die Luzerner Polizei schon am Mittwochabend Präsenz am Rathausquai, wie eine Leserreporterin beobachtet hat. Dort, wo sich die schwedischen Djurgårdens-Fans auf das Spiel einstimmten (zentralplus berichtete), dürften sich auch heute wieder Hunderte Schotten zum Bier treffen. Denn der Hibernian FC rät seinen Fans, sich auf der Altstadtseite des «grossen Flusses», zum Beispiel beim Pickwick Pub, zu treffen. Das sei das beste Lokal und «very nice».

«Der FC Luzern erwartet ein friedliches Fussballspiel innerhalb, aber auch ausserhalb des Stadions.»

Markus Krienbühl, Pressesprecher des FC Luzern

Offenbar wurden die schottischen Clubverantwortlichen von der Luzerner Polizei gewarnt. Auf der Website des Auswärtsclubs heisst es weiter, die Neustadt sei Gebiet der FCL-Fans und zur Verhinderung von Konflikten zu meiden.

Sind die Schotten unberechenbar?

Zurück zur Medienkonferenz, wo Achermann abschliessend sagte: «Bei den Schweden hatten wir mehr Sicherheit, wie sie sich verhalten.» Verharmlosen die FCL-Fans das Gewaltpotenzial der Gäste aus Edinburgh?

zentralplus hat beim Heimverein nachgefragt. Pressesprecher Markus Krienbühl schätzt die Fans des Hibernian FC aufgrund der dem FCL vorliegenden Informationen und den Erfahrungen aus dem Hinspiel in Edinburgh als singfreudig und stimmungsvoll ein – ein Risiko gehe von ihnen aber nicht aus. «Darum erwartet der FC Luzern ein friedliches Fussballspiel innerhalb, aber auch ausserhalb des Stadions.»

Ob auch der FCL die Europapokal-Partie als Hochrisikospiel einstufe? Krienbühl antwortet: «Wir wollen die Überlegungen der Luzerner Polizei nicht kommentieren, erwarten jedoch keine Vorfälle rund um das Spiel von heute Abend.»

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit FCL-Fan
  • Schriftlicher Austausch mit der Luzerner Polizei
  • Schriftlicher Austausch mit dem FC Luzern
  • Website des Hibernian FC
  • FCL-Forum
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