Luzerner Fussballfans pilgern nach Schweden

Vom Schock zur Ekstase: So feiern die FCL-Fans in Stockholm

Mehr als 500 FCL-Fans finden den Weg nach Stockholm – und feiern dort einen überraschenden Sieg. (Bild: zvg)

«Do esch öppis ide Loft»: Der FC Luzern gewinnt in Stockholm etwas überraschend das Hinspiel gegen Djurgårdens IF. Doch bis zum Schlusspfiff müssen die FCL-Fans leiden. Ein Tag unter fussballverrückten Luzernerinnen.

Es muss die Hertensteinstrasse Stockholms sein, auf der sich viele FCL-Fans durch die flanierenden Touris und Einheimischen schlängeln. Ihr Ziel: der Hötorget, nördlich von Gamla Stan, der Altstadt der schwedischen Hauptstadt, wo auch der König einen Palast hat. Auf dem weitläufigen Platz finden sich am Donnerstagnachmittag immer mehr fussballverrückte Luzerner mit dem weissen Europapokal-Shirt der Fanorganisation USL ein.

Während einige ausrechnen, wie lange der Fanmarsch dauern könnte, wissen andere schon Bescheid: Die Reise führt via U-Bahn zum Stadion. Doch vorher werden auf dem Hötorget Hände geschüttelt und Freundinnen geherzt. «Was, du besch au do?» – eine Begrüssung, die am besagten Nachmittag noch öfters zu hören sein wird.

Während die schwedischen Alkoholgesetze – sie sollten auch im Stadion noch für Verwirrung sorgen – verhindern, dass die Fans palettenweise lauwarmes Dosenbier aus dem nahe gelegenen Discounter schleppen, fliesst das Getränk kühl und frisch aus den Zapfhähnen der an den Platz angrenzenden Bars und Pubs.

zentralplus spricht mit einem der Wirte. «Wir wurden von der Polizei darüber informiert, dass sich die FCL-Fans vor dem Spiel auf dem Hötorget besammeln werden», sagt er. Doch Sorge hätte ihm das keine bereitet. Zu Recht: «Sie respektieren mich, ich respektiere sie», beschreibt er sein Verhältnis zu den 520 mitgereisten Luzernern. Im Hintergrund skandieren diese: «Alles ausser Luzern ist scheisse.» Als der Wirt die Übersetzung hört, muss er lachen.

U-Bahn statt Fanmarsch

Im Zentrum des Hötorget die Fans, rundherum Touris und Stockholmer, die das Geschehen mit etwas Abstand und gezücktem Smartphone beobachten. Zwei von ihnen wollen mit dem Fussball nichts am Hut, dann aber doch eine Meinung zur Fankultur haben. «Solange sie sich nicht besaufen und alles kaputtmachen, stören sie uns nicht», sagt einer der beiden Männer im Alter von 30 Jahren. Zumindest den zweiten Wunsch erfüllen ihnen die FCL-Fans. Und ein paar Views in der Insta-Story gibts gratis dazu.

(Bild: zvg)

Dann, zweieinhalb Stunden vor Spielbeginn, setzt sich die Masse in Bewegung. Stimmen werden aufgewärmt, auf dem Weg zum Stadion der eine oder andere Feuerwerkskörper gezündet. Doch so richtig euphorisch wirkt das Ganze noch nicht. Was möglicherweise auch den Vortagen geschuldet sein könnte. Das Stockholmer Nachtleben habe auch unter der Woche einiges zu bieten, meinen ein paar Fans, die am Vorabend unter einer Brücke raven waren.

Die U-Bahn fährt mit den FCL-Fans zur Station Skärmarbrink. Die Stockholmer Polizei schätzt die Lage dermassen entspannt ein, dass es keine Extra-U-Bahn, sondern eine Wagenkombination des Regelverkehrs ist, die auch zahlreiche Personen transportiert, die sich ganz offensichtlich nicht in den Gästesektor der Tele2 Arena begeben wollen.

Bier geht auch kompliziert

Dort angekommen, folgt eine halbstündige Warterei. Dann der Einlass. Anders, als in der Schweiz üblich, müssen sich viele Fans einer Leibesvisitation unterziehen. Das freundliche Personal hilft, darüber hinwegzusehen. Freundlich sind auch die Bediensteten an den Bierständen – von denen es gleich zwei gibt. Beim einen gibt es alkoholarmes Bier, beim anderen «normales».

Doch aufgepasst: Das «Normale» darf nur im eingezäunten Bierstand – etwas gar liebevoll «Pub» genannt – getrunken werden. Zudem gilt: Pro Bestellung darf eine Person nur zwei Bier bestellen. In der Warteschlange werden zur Umgehung der Regel viele neue Freundschaften geknüpft – was das junge Personal an den Bierständen verdutzt und etwas hilflos zurücklässt.

Der Schock zum Einstand

Verunsichernd sei auch die Stimmung im Stadion für die junge Mannschaft des FC Luzern gewesen, sollte Trainer Mario Frick später gegenüber «Pilatus Today» zugeben. Kurz vor Einmarsch der Mannschaft trällert das Stockholmer Publikum – nicht bloss die Kurve – in beeindruckender Lautstärke die eigenen Texte zum Refrain eines Beatles-Songs.

Im Gästeblock geht ein Raunen durch die Reihen, bevor auch dort der Lautstärkepegel markant ansteigt. Gelb leuchten die Fackeln, in den Lüften die weissen Shirts der mitgereisten Luzerner. Doch «Marmor, Stein und Eisen bricht» hört man auf der anderen Seite des Spielfelds im Fanblock des Djurgårdens IF nicht.

Eine Fackel als Weckruf für die geschockten Luzerner: Sie zeigt offenbar Wirkung. (Bild: jdi)

Das sportliche Minimalziel vieler Luzernerinnen – das Vermeiden eines frühen Rückstands – verfehlt der FCL. Die Innerschweizer werden in den ersten Minuten überrollt. Auf und neben dem Rasen scheinen die Machtverhältnisse klar. Das 1:0 fällt viel zu früh, und zwei Gelbe Karten kommen obendrauf. Darunter selbstredend auch eine für den Abräumer und Aggressiv-Leader Nicky Beloko.

Die Wende

Der Stimmung im Gästeblock tut das Gegentor so lange Abbruch, bis die Luzerner allmählich den Zugang zum Spiel finden – und die Stockholmer gar zu dominieren beginnen. Nach einer knappen halben Stunde dann der erste überbordende Torjubel auf Seite der Luzerner: Kemal Ademi drückt den Ball mit dem Kopf über die Linie. Der Gästeblock tobt. Ein paar Fackeln und 50 Spielminuten später dann der Schocker für das Heimteam: Nach einer wunderschönen Ballstafette dribbelt sich Jakub Kadák im Strafraum vor dem eigenen Anhang an seinem Gegenspieler vorbei und schiebt den Ball ins nahe Eck.

Im sonst so lauten Stadion wird es still. Während die FCL-Fans ihrem Glück noch nicht wirklich trauen, ihrer Freude aber freien Lauf lassen, raffen sich die Heimfans nochmals auf und peitschen ihr Team in den Schlussminuten fast noch zum 2:2-Ausgleich.

Doch so weit kommt es nicht. Etwas überraschend geht der FCL als Sieger vom Platz. So überraschend, dass einige Spieler sich nach dem Beklatschenlassen vor der Kurve gleich zweimal fast einen französischen Abgang leisten, um dann doch noch die über die Sommerpause wohl etwas verlernten Siegesrituale mit den Fans zu zelebrieren.

Einer bekommt dabei besonders viel Liebe ab vom Luzerner Anhang. Der neue Captain Max Meyer. Sein Name wird skandiert, die Fans zitieren ihn nochmal vor die Kurve. Sie teilen wohl Mario Fricks Meinung, der Ardon Jashari nach dem Eklat rund um seinen gescheiterten Transfer zum FC Basel als Captain für nicht mehr tragbar erklärt hat (zentralplus berichtete).

Träumen wieder erlaubt

Viele Luzernerinnen müssen nach dem Spiel in Stockholm bestens geschlafen haben. Die Träume vom Erreichen der Gruppenphase in der Conference League – sie sollen für besonders gute Erholung sorgen. Und finden am nächsten Donnerstag nach dem Rückspiel auf der Allmend vielleicht ihre Fortsetzung.

Verwendete Quellen
  • Besuch des Spiels Djurgårdens IF gegen den FC Luzern in Stockholm
  • Persönliche Gespräche mit der Stockholmer Polizei, dem Wirt eines Pubs und mit mitgereisten FCL-Fans
  • Artikel auf «Pilatus Today»
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
    Hanspeter Flueckiger, 29.07.2023, 20:08 Uhr

    Die schwedische Liga ist tatsächlich viel schwächer einzustufen als die Super League. Gegen einen solchen Gegner kann Luzern nur gewinnen. Zudem hatte Luzern mit Max Meyer den besten Spieler in seinen Reihen. Überraschend wäre nur, wenn Luzern trotzdem noch ausscheiden würde.
    Jetzt ist auch klar, dass die Mannschaft auch ohne Jashari bestens aufgestellt ist.

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  • Profilfoto von Dave
    Dave, 28.07.2023, 14:55 Uhr

    Geiler Bericht, danke dafür und auch die Videos

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  • Profilfoto von Fredy
    Fredy, 28.07.2023, 14:11 Uhr

    Es geht auch ohne Jashiri

    Das war Fussball vom Feinsten

    Herzliche Gratulation

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 28.07.2023, 13:59 Uhr

    Diese Schweden sind eine biedere Mannschaft. Das Niveau der schwedischen Liga wird von aussen falsch – viel zu hoch – eingeschätzt, deshalb ist auch hier von einer Überraschung die Rede. Ein Weiterkommen gegen eine solch limitierte Mannschaft ist ganz einfach ein Muss. Hier noch das UEFA-Ranking über die letzten 5 Jahre: Schweiz Rang 13. Schweden Rang 23.

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    • Profilfoto von Dolfino
      Dolfino, 28.07.2023, 15:35 Uhr

      Hallo Franz. Dein Kommentar ist wieder mal typisch schweizer Büenzli. Statt sich am Sieg zu freuen redest du ihn noch schlecht resp. du machst den Gegner schwach und meinst Luzern sei entsprechend auch schlecht gewesen. Lass es sein wenn du an einem Sieg keine Freude haben kannst, egal wie er zustande kam.

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      • Profilfoto von Franz
        Franz, 28.07.2023, 16:09 Uhr

        Hoi Dolfino, ich erlaube mir, nicht durch die weissblaue Brille auf den Fussball zu schauen. Wenn das für dich ein Zeichen von Bünzlitum ist, darfst du das selbstverständlich so sehen.

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