Mehr Fragen als Antworten

Urs Meier und Partner wollen Rezept gegen Fangewalt haben

Ex-Schiedsrichter Urs Meier ist Mitinitiator des Forums Gelb-Rot. (Bild: Beat Baschung Fotografie)

Drei Männer wollen die Lösung für das Ende der Fangewalt im Fussball parat haben. Einer von ihnen ist der bekannte Ex-Schiedsrichter Urs Meier. Bei der Vorstellung bleibt aber vieles konfus.

So geheimnisvoll und exklusiv wie rund um die Pressekonferenz des Forums Gelb-Rot geht es in Luzern nur zu und her, wenn irgendwo in einem Keller eine illegale Technoparty stattfinden soll. Nur wer in einem ausführlichen Telefonat für vertrauenswürdig und fachkundig befunden wurde, erhielt eine Einladung. Per Mail flatterte diese am Dienstag ins Postfach. Später erste Details: «Morgen Znüni-Zeit erhalten Sie die Medienmitteilung und die Adresse auf Ihre Handynummer – Showbeginn um 13.15 Uhr.» Am Mittwochmorgen dann tatsächlich kurz nach 10 Uhr die Durchsage per SMS: «PK FG-R vor Matrix Bar.»

Und tatsächlich: Vor der «Matrix-Bar» stehen die beiden Initianten Dan Schindler und Peter Acél (Ex-Schiedsrichter Urs Meier ist leider verhindert), während Fiona Meyer von der «Meyer Kulturbeiz» um eine kalte Flasche Prosecco und einen Kübel mit Eis bemüht ist. Schliesslich soll sie später als Postkartenpatin des Forums Gelb-Rot mit dem Sujet «Grüsse aus Luzern» den Korken knallen lassen.

Das ist die präsentierte Postkarte: «Das Forum Gelb-Rot präsentiert eine Motivation für Luzern zur bestmöglichen Fankultur ‹Neu denken – fertig Chaoten›», steht auf der Rückseite geschrieben. (Bild: zvg)

Mit dieser Postkarte soll also das neue Forum Gelb-Rot lanciert werden. Für die Kartentaufe begeben wir uns zum Flachdachhäuschen mit der öffentlichen Toilette auf dem Bundesplatz, wo dereinst ein Bistro entstehen soll (zentralplus berichtete). Dort hätte man beste Sicht auf den «Tatort vom 20. Mai» gehabt. Damals kam es vor der Zone 5 zu Ausschreitungen zwischen Fans des FC St. Gallen und der Luzerner Polizei – und offenbar beinahe zu einer Massenpanik (zentralplus berichtete).

So möchte das Forum Gelb-Rot der Fangewalt Herr werden

Am selben Abend, ein paar Stunden zuvor, wurde auch das Postkartenfoto geschossen. In der Pressemitteilung des Forums Gelb-Rot lautet der treffende Bildbeschrieb: «Mit viel bengalischer Wärme und beissender Rauchbildung.» Die Postkarte solle möglichst viele Luzernerinnen motivieren, nachzudenken und zu verstehen, dass all die wiederkehrenden Ausschreitungen rund um die FCL-Heimspiele nicht sein müssten und abgestellt werden könnten.

Das Forum Gelb-Rot habe dazu ideale, taugliche Module entworfen. Was konkret unternommen werden soll, verraten Dan Schindler und Peter Acél während der Vorstellung jedoch nicht. Denn sie wollen der Fussball-Schweiz, den Bewilligungsbehörden und der Politik vor Ort angedachte, konkrete und taugliche Optionen anbieten, «um das leidige Chaoten-Getue einzudämmen und bald in jeder Stadionstadt weg zu haben» – und als bezahlte Coaches die Umsetzung begleiten.

Weiter kann der vorab verfassten und versandten Pressemitteilung entnommen werden, dass der geplante Postkarten-Taufmarsch der Initianten Dan Schindler und Peter Acél entlang der Route der echten Fans mit viel Daumen-hoch-Beifall und Top-Idee-Zurufen durch die betroffenen Anwohner beklatscht worden sei. «Es blieb genauso ruhig, wie es sein soll, die Ordnungskräfte haben den Marsch nicht mal bemerkt», so das Fazit in der Pressemitteilung. Doch der Marsch findet gar nicht erst statt – nicht etwa, weil die Bewilligungsbehörde ihn verboten hat, sondern weil ein Quartiervereinspräsident aufgrund einer Terminkollision passen muss.

Dann lief’s schief

Das hindert Schindler und Acél nicht daran, ihre Vision zur endgültigen Beendigung der Fangewalt rund um Fussballspiele mit viel Überzeugung und Elan vorzutragen. Später sollten sie einige der frisch getauften Postkarten in der Bahnhofspost aufgeben. Darunter auch eine an FCSG-Präsident Matthias Hüppi, der das Postkartenmotiv damals live in der VIP-Lounge der Swissporarena mit tiefen Furchen auf der Stirn beobachtete, wie eine Leserreporterin berichtete.

Zurück auf den Bundesplatz: Das Gesagte darf zentralplus an dieser Stelle nicht wiedergeben. Denn Dan Schindler blockiert im Nachgang sämtliche Zitate. Anstelle einiger Anpassungen und Umformulierungen erhält der Autor die rote Karte. Und ist damit nicht der einzige Journalist, den dieses Schicksal ereilt. An der Berichterstattung der «Luzerner Zeitung» hat Schindler ebenfalls keine Freude. Er intervenierte bei der Chefredaktion, wie zentralplus weiss.

Urs Meier ist das Gesicht

Doch einer steht zu seinen Aussagen: Urs Meier, der international bekannte Ex-Schiedsrichter, erklärt seine Motivation, beim Forum Gelb-Rot mitzuwirken: «Es müssen andere, bessere Lösungen her, um der Fangewalt Herr zu werden», sagt er am Telefon zu zentralplus. «Man diskutiert schon viel zu lange über die Problematik in und um die Stadien. Aber ändern tut sich nichts», fährt Meier fort. «Wir wollen den Versuch starten, die Thematik neu anzugehen. Mit neuen Perspektiven und neuen involvierten Personen.» Fans hätten ihre kreativen Gesänge und tolle Choreos – aber Pyros brauche es nicht, meint er.

Immer wieder verweist Urs Meier auf die Situation in England, wo eben keine Pyros gezündet würden. Wenn er das Bild des brennenden Fanblocks auf der Allmend sehe, würde er seine Kinder nicht dort drin wissen wollen. «Warum soll England, das Mutterland des Fussballs, nicht auch als Vorbild für die Fankultur in der Schweiz dienen?», fragt er. «Was befähigt einen Schiedsrichter dazu, sich als Experte für Fangewalt in die nationale Diskussion einzuschalten?», will zentralplus stattdessen wissen. Denn der Vergleich mit England hinkt, wie auch der Luzerner Fanarbeiter Fabian Achermann weiss (zentralplus berichtete).

Meier beruft sich denn auch auf seine Zeit als aktiver Fan des FC Basel. «Ich war 1975 Gründungsmitglied des ersten, ältesten und bis heute aktiven FCB-Fanclubs St. Jakob.» Damals habe es keine Ausschreitungen gegeben. «Es verlief alles friedlich. Es kam höchstens mal vor, dass einer eine Holzlatte von einer Baustelle mitnahm», erinnert er sich. Doch nicht nur seine Erfahrungen als jugendlicher Fussballfan in den 70ern, sondern auch seine Beziehungen und Bekanntheit dienten dem Forum Gelb-Rot.

FCL hat keine Kenntnis vom Forum Gelb-Rot

Mit ihren Ideen sind die Initiatoren offenbar auch auf den FCL zugegangen, wie Präsident Stefan Wolf bestätigt. «Der FC Luzern hatte vor rund eineinhalb Jahren einmal lose Kontakt zu diesem Thema. Dass sich nun jedoch ein solches Forum gebildet hat, davon hatte der FC Luzern keine Kenntnis», sagt Wolf gegenüber zentralplus. Er verrät auch, dass der FCL keinesfalls untätig auf Lösungen der Politik oder der Polizei wartet: «Wir diskutieren mit allen involvierten Parteien verschiedene Lösungen, um Ausschreitungen zu verhindern.» Auch das möglich Fanperron (zentralplus berichtete).

Zu den «involvierten Parteien» gehört das Forum Gelb-Rot also nicht. Was auch damit zusammenhängen könnte, dass sich der Autor dieses Artikels und der Kollege von der «Luzerner Zeitung» nach der Pressekonferenz vor allem darüber einig waren, das vorgestellte, wenig konkrete Konzept des Forums Gelb-Rot nicht so richtig verstanden zu haben.

Verwendete Quellen
  • Pressemitteilung des Forums Gelb-Rot
  • Besuch der Pressekonferenz des Forums Gelb-Rot
  • Telefonat mit Ex-Schiedsrichter Urs Meier
  • Schriftlicher Austausch mit FCL-Präsident Stefan Wolf
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Christian Scherrer
    Christian Scherrer, 29.06.2023, 15:41 Uhr

    Gelb oder Rot? Fragte Madame Amgarten schon vor Jahren.

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  • Profilfoto von schaltjahr
    schaltjahr, 29.06.2023, 12:50 Uhr

    Muss man über diese Selbstdarsteller wirklich einen solchen Bericht schreiben ? Ist hier ein «Mehrwert» ersichtlich, oder ist es nur Palaver ?

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 29.06.2023, 12:50 Uhr

    Theoretiker Blaah,blaa,
    und so wirds weitergehen! Mir ist’s eigentlich gleich,wenn die Hulligans sich gegenseitig die Köpfe verschlagen,aber es leiden die unschuldigen Anwohner des Fanmarsches darunter!
    Ich fand das genial,wie die Polizei die Agressoren aus der Demo in BL,ZH herausgefischt und Neutraliesiert haben.
    Und das find ich der Beste Weg solche Raudis zu Eliminieren und nicht
    Unschuldige Fans Kollektiv zu bestrafen

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