Happige Vorwürfe des Luzerner Mitte-Präsidenten

Christian Ineichen: «FCL macht nichts gegen Fangewalt»

Christian Ineichen stört sich ob Pyros, Fangewalt und Sachbeschädigungen rund um die Heimspiele des FCL. (Bild: zvg)

Während FCL-Fans am Samstag in Bern gegen Kollektivstrafen protestieren wollen, sammelt Parteipräsident Christian Ineichen mit seiner Mitte-Partei Unterschriften für eine Initiative, die auf genau diese Kollektivstrafen setzt. Im Gespräch mit zentralplus schiesst Ineichen auch scharf gegen den FC Luzern.

«Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass wir die Unterschriften beisammen haben werden.» Christian Ineichen gibt sich optimistisch, die Sammelfrist einhalten zu können. Die Luzerner Mitte-Partei lancierte die Initiative, nachdem es im Frühjahr 2023 rund um die Heimspiele des FC Luzern mehrfach geknallt hatte (zentralplus berichtete).

Mit personalisierten Tickets, über die vor gut einem Jahr noch hitzig debattiert wurde (zentralplus berichtete), und Kollektivstrafen wie Sektorschliessungen oder gar Geisterspielen möchte die Mitte-Partei der Fangewalt Herr werden. Darum erstaunt es kaum, dass Ineichen für die Proteste der FCL-Fans gemeinsam mit sämtlichen grösseren Fankurven der Schweiz jegliches Verständnis fehlt. Hinzu kommt: Ein Bewilligungsgesuch für die Fandemo ist gemäss Reto Nause, dem Stadtberner Sicherheitsdirektor, nicht eingereicht worden (zentralplus berichtete).

Kontrolle zurückerlangen – mit Kollektivstrafen

«Davon halte ich gar nichts», sagt der abtretende Luzerner Mitte-Präsident, dessen Hoffnungen auf einen Nationalratssitz im Herbst platzten (zentralplus berichtete). Jahrelang hätten Behörden und Politik versucht, auf die Fans einzugehen. Ganz ohne Zwang und Repressalien. Ohne Erfolg. Dass die Fans nun von unverhältnismässigen Kollektivstrafen schreiben würden, sei unverständlich. «Dass die Behörden einen Schritt weitergehen, ist nur sinnvoll», findet Ineichen.

FCL-Fans protestierten im Dezember beim Heimspiel gegen den FC Basel mit massenhaft schwarzem Rauch gegen Kollektivstrafen. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Rayonverbote, Stadionverbote, in der Vergangenheit bereits verhängte Sektorsperren, massive Polizeiaufgebote und der Einsatz von Zwangsmitteln wie Gummischrot, die Fussballfans auch schon das Augenlicht gekostet haben (zentralplus berichtete), nicht als Repression zu bezeichnen, ist selbstredend falsch. Die Verzweiflung, das Gefühl der Machtlosigkeit in der Politik sind aber nicht wegzureden.

Das Katz-und-Maus-Spiel

«Es scheint nicht möglich, die Einzeltäter in die Verantwortung zu ziehen», stellt Ineichen bezeichnenderweise fest. Die Masse schütze die Gewalttäter und Vandalen konsequent. «Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Fans und Polizei», beschreibt der im Entlebucher Marbach wohnhafte Mitte-Politiker den Status quo.

Dass Fangewaltexperten wie Tim Willmann Gästesektorsperren wie beim anstehenden Heimspiel des FCL gegen den FC St. Gallen als kaum wirksam, möglicherweise gar als kontraproduktiv, bezeichnen (zentralplus berichtete), stösst bei Ineichen genauso auf Unverständnis wie der Protest der Fankurven. «Diese Experten verschliessen die Augen vor der Realität», sagt er.

«FCL macht nichts gegen Fangewalt»

«Würden Sie oder ich dermassen grossen Schaden im öffentlichen Raum anrichten, sässen wir längst in der Kiste – oder würden Unsummen an Schadenersatz zahlen müssen», argumentiert Ineichen. Gewalttätige Fussballfans hingegen kämen ungeschoren davon.

Sachbeschädigungen und Drohungen gegen Busfahrer veranlassten die VBL dazu, die Transportvereinbarung mit dem FCL für Gästefans zu kündigen. (Bild: VBL)

Dazu trügen auch die Fussballclubs bei, indem sie die Täter deckten. «Der FCL macht gegen die Fangewalt rein gar nichts und zeigt null Verständnis dafür, dass es an der Zeit ist, endlich etwas zu unternehmen», so sein Vorwurf.

FCL bezeichnet Vorwürfe als haltlos

zentralplus hat FCL-Pressesprecher Markus Krienbühl gefragt, was er von den Aussagen Ineichens hält. Offenbar wenig: «Der FC Luzern nimmt die halt- und substanzlosen Vorwürfe von Herrn Ineichen irritiert zur Kenntnis und wird diese dementsprechend nicht weiter kommentieren.»

Belege dafür, dass der FCL Gewalttäter und Vandalen deckt, liegen Ineichen denn auch nicht vor. Seine Vermutung basiert darauf, dass der FCL die Machenschaften fehlerhafter Fans nicht etwa verurteile, sondern um Verständnis dafür werbe.

Fakt ist: Dass die FCL-Fans und Kurvengängerinnen anderer Schweizer Fussballvereine durch die Kollektivstrafen zu einer Verhaltensänderung bewogen werden, lassen Gespräche mit Szenenkennern und Fanarbeiterinnen bezweifeln. Stattdessen vermuten diese, dass das Drehen an der Repressionsschraube zu einer Verhärtung der Fronten führen wird. Droht die Lage vollends zu eskalieren?

Eskalation als Wendepunkt?

Christian Ineichen beruft sich auf Rechtsstaatlichkeit, auf Regeln, die im gesellschaftlichen Umgang gälten. Für ihn ist klar: «Wer Schaden anrichtet, muss dafür geradestehen.» Wenn Fans, Experten und der FCL fänden, dass die erlassenen Kollektivstrafen – also etwa die bereits verhängten Sektorsperren – nichts brächten, dann folge eben die nächste Eskalationsstufe: leere Stadien. «Darunter werden die Fussballclubs massiv leiden – und hoffentlich endlich zum Handeln bewegt», schliesst Ineichen.

Geisterspiele statt volle Bude – ist das die Lösung für die Probleme rund um Fangewalt? (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Im Vorfeld des FCL-Heimspiels am 4. Februar gegen St. Gallen äusserten sich Fangewaltexperten, aber auch die Luzerner Fanarbeit, besorgt ob der fehlenden Planungsunsicherheit, die sich aufgrund der besonderen Umstände ergäbe. Sie erschwere die Trennung der rivalisierenden Fanlager durch die Luzerner Polizei (zentralplus berichtete).

Grenzen des Rechtsstaats

Ineichen ist sich des Dilemmas bewusst. «Werden diese sogenannten Fans zu einem Spiel begrüsst, herrscht vor, während und nach dem Spiel Chaos. Werden sie von einem Spiel ausgeschlossen, ist es dasselbe.»

Mit diesem Wissen wünsche er den betroffenen Staatsanwaltschaften den Mut, Vandalenakte und Gesetzesbrüche entschieden zu ahnden und dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen. Auch gegenüber grosszügigen Interpretationen des rechtsstaatlichen Spielraums zeigt sich Ineichen nicht abgeneigt, wenn er sagt: «Dazu dürfen diese auch Exempel statuieren.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Christian Ineichen, Präsident der Luzerner Mitte
  • Schriftlicher Austausch mit Markus Krienbühl, Pressesprecher des FC Luzern
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