Harsche Kritik von Parlamentariern

Zuger Regierung weigert sich, das Amtsblatt zu reanimieren

Gute alte Zeiten: Viele vermissen das blaue Zuger Amtsblatt. (Bild: ber)

18 Zuger Parlamentarier wollen das ehemalige Amtsblatt wieder zum Leben erwecken. Doch der Regierungsrat hält nichts davon – was ihm von links bis rechts harsche Kritik einbringt.

Es war handlich, aussen hellblau, innen grau – und es widersprach allen Regeln der Ästhetik. Dennoch wurde das Zuger Amtsblatt in seiner ehemaligen Form heiss geliebt. Doch seit Ende 2022 gibt es das wöchentlich erscheinende Heft nicht mehr in dieser Form.

Heute findet man den amtlichen Teil des Amtsblattes online, ausserdem liegt das sogenannte P-Amtsblatt wöchentlich gratis auf der Gemeinde- oder Stadtverwaltung auf. Bloss: Mit dieser Lösung scheinen viele nicht so richtig warm zu werden. Oder wie es die 18 Kantonsräte pointiert formulierten, die im vergangenen August mit einem Postulat an den Zuger Regierungsrat gelangten: «Die Qualität dieser Scheinlösung ist unterirdisch schlecht.»

Bemerkenswert am Vorstoss: Die 18 Unterzeichner stammen aus fast allen politischen Lagern (zentralplus berichtete). Sie wollten erreichen, dass die Exekutive eine öffentliche Ausschreibung macht. Dies, um ein Unternehmen zu finden, das ein Papieramtsblatt mit Marktblatt herausgibt – mit der Möglichkeit für Gemeinden, Vereine und Non-Profit-Organisationen, kostenlos Veranstaltungen zu publizieren. Das heutige P-Amtsblatt ist die gedruckte Version des Amtsblatts, enthält aber nur amtliche Meldungen und wird von vielen Zugern als optische Zumutung wahrgenommen.

Es hätte dem Unternehmen überlassen werden sollen, wie es den Vertrieb organisiert und die Herausgabe finanziert. «Dem Kanton sollen dadurch keine Kosten entstehen, er darf aber auch keine Konzessionsgebühren erheben. Der Kanton liefert die amtlichen Mitteilungen kostenlos an das Unternehmen», hiess es im Vorstoss.

Was bisher geschah

Nun liegt die Antwort des Regierungsrats vor. Diese präsentiert sich auffallend pointiert, ja, man will fast sagen genervt. Darin rollt die Exekutive auf, was vorgängig der Abschaffung des Amtsblattes passierte. So habe der Regierungsrat dem Kantonsrat im Rahmen der Teilrevision des Publikationsgesetzes bereits im Herbst 2020 beantragt, das Amtsblatt nur noch in digitaler Form herauszugeben und auf den nichtamtlichen Teil, also den «Marktplatz», zu verzichten. «Dabei betonte er, dass es nach dem heutigen Staatsverständnis keine staatliche Aufgabe mehr darstelle, die Herausgabe eines Marktblatts zu ermöglichen», so die Exekutive in ihrer Antwort.

An der 1. Lesung im August 2021 habe der Kantonsrat im Gesetz keine Pflicht zur Herausgabe eines nichtamtlichen Teils verankert. Die vorberatende Kommission habe hingegen selber Anpassungen vorgeschlagen, die vom Kantonsrat getragen worden seien. Etwa, dass das Amtsblatt sowohl in elektronischer als auch gedruckter Form erscheinen möge. Dieses solle bei verschiedenen Stellen der öffentlichen Hand allwöchentlich und unentgeltlich aufliegen.

«Der Regierungsrat hat zu keinem Zeitpunkt in Aussicht gestellt, das bisherige ‹Blaue Büchlein› mit dem amtlichen sowie einem nichtamtlichen Teil (Marktblatt) weiterzuführen. Im Gegenteil hat er stets betont, dass er eine rein elektronische Form bevorzugt.»

Auf die 2. Lesung der Änderung des Publikationsgesetzes habe kein Kantonsratsmitglied einen Antrag auf Änderung der entsprechenden Gesetzespassagen gestellt. Auch die Referendumsfrist sei am 4. Januar 2022 ungenutzt abgelaufen.

Seit dem ersten Erscheinen des neuen Amtsblatts häuft sich die Kritik seitens der Politik (zentralplus berichtete). Das P-Amtsblatt findet nur mässig Anklang in der Bevölkerung (zentralplus berichtete). Viele Menschen, insbesondere ältere, wünschen sich das blaue Heft zurück. Nach einer kleinen Anfrage von Seiten der SVP folgte im Sommer das hier behandelte Postulat.

Ein rechtsstaatlich unzulässiges Ansinnen?

Die Regierung ist wenig amüsiert über diesen Vorstoss: «Das Postulat verlangt, die vom Kantonsrat auf Gesetzesstufe festgelegten Rahmenbedingungen für die Herausgabe des Amtsblatts grundlegend zu ändern. Der Regierungsrat erachtet ein solches Vorgehen einerseits als inopportun, weil er alle im Publikationsgesetz enthaltenen Vorgaben umgesetzt und genau das Angekündigte veranlasst hat.» Und weiter: «Anderseits ist es rechtsstaatlich unzulässig, wenn die gesetzgebende Gewalt nicht akzeptiert, dass das vollziehende Organ den von genau diesem Gremium eingeräumten Ermessensspielraum ausschöpft», also im vorliegenden Fall auf ein Marktblatt verzichtet.

«Letztlich würde dies dazu führen, dass auf dem Umweg der Erheblicherklärung eines Postulats und damit ohne vorgängige Gesetzesänderung versucht wird, eine im Gesetz verankerte Ermächtigung zu übersteuern», kritisiert der Regierungsrat. Ein solches Vorgehen würde den Grundsatz der Gesetzmässigkeit verletzen. Der Regierungsrat teile somit die Einschätzung nicht, dass er für die im Postulat gewünschte Umsetzung (bereits) zuständig sei und dass es keiner Gesetzesänderung bedürfe.

Zu aufwendig, zu unwirtschaftlich, zu unzeitgemäss

Weiter sei es auch nicht wirtschaftlich und äusserst aufwendig, die bestehenden Abläufe anzupassen. Es bestehe bereits ein Vertrag mit der Multicolor Print AG in Baar. «Nebst einer kostspieligen Kündigung dieses Vertrags müsste eine neue öffentliche Ausschreibung für die Vergabe des Drucks und der Auslieferung des P-Amtsblatts durchgeführt werden», so die Regierung.

Ebenfalls erachtet sie ein Marktblatt als «offensichtlich nicht mehr zeitgemäss» und weist auf den Konkurs der Marktblatt AG sowie der Speck Medien AG im vergangenen Sommer hin. Letztere produzierte und vertrieb das Amtsblatt bis 2022. Die Zahl der Amtsblattabonnenten habe sich in den 12 Jahren zwischen 2010 und 2022 auf 11’083 halbiert.

Die Regierung erachtet es als unwahrscheinlich, jemanden zu finden, der auf eigenes finanzielles Risiko ein P-Amtsblatt mit einem amtlichen und einem nichtamtlichen Teil herausgebe und dabei Veranstaltungsinserate kostenlos publiziere.

Wenig überraschend beantragt die Exekutive dem Kantonsrat entsprechend, das Postulat nicht erheblich zu erklären.

Postulanten unzufrieden mit dem Verhalten der Exekutive

Ebenfalls wenig überraschend: dass Hauptpostulant Emil Schweizer (SVP) nicht sonderlich begeistert ist von der Antwort des Regierungsrats. Er bezeichnet diese als «Trotzreaktion». «Die Antwort ist sehr unfreundlich und belehrend geschrieben. Dem Regierungsrat ist es offensichtlich zuwider, dass wir uns für die Bürger, die das Amtsblatt vermissen, wehren.» Das sei keine neue Erkenntnis.

«Bereits in der vorberatenden Kommission, in der ich dabei war, hatte man das Gefühl, dass der Regierungsrat keine Lust auf eine Diskussion über eine Printausgabe des Amtsblattes hat.» Die Papierausgabe, die nun doch umgesetzt wurde, bezeichnet er als unbrauchbare Scheinlösung.

(Zu) grosses Vertrauen in die Regierung

Den Vorwurf der Regierung, dass sich die Kommission sowie der Kantonsrat früher hätten wehren können, lässt Schweizer nicht gelten. «Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder sprach sich für eine Papierversion aus. Leider liessen wir der Regierung jedoch freie Hand dabei, selber eine gute Lösung zu kreieren.» Und weiter: «Wir vertrauten ihr diesbezüglich.»

Auch später, bei der Kantonsratsdebatte, sei es noch zu früh gewesen, sich zu wehren. Denn bis dahin hätten die Parlamentarierinnen noch nicht gewusst, wie das Endprodukt letztlich aussehen würde. «Es wäre unsinnig gewesen, hätten wir während der Referendumsfrist angefangen, Unterschriften zu sammeln, ohne zu wissen, was der Regierungsrat betreffend der Papiervariante plant.»

Der SVP-Mann gibt zu bedenken: «Mit dem Postulat zwingen wir den Regierungsrat zu nichts. Wir bitten ihn einzig, eine Ausschreibung zu machen, damit sich mögliche Leistungserbringer melden können. Das wäre doch kein Aufwand. Sollte sich niemand melden, wäre die Sache erledigt.»

Kommissionsmitglieder haben ihre Lektion gelernt

Tabea Zimmermann Gibson hat das Postulat mitunterzeichnet. Auch die ALG-Politikerin, die Teil der Ad-hoc-Kommission war, spricht von einer zunächst vertrauensvollen Haltung der Regierung gegenüber. «Rückblickend war es vielleicht naiv von der Kommission, zu glauben, dass der Regierungsrat die Publikation mit Marktplatz nicht Knall auf Fall absägen würde. Wir hätten uns beim Gesetzesentwurf nicht für eine Kann-, sondern eine Muss-Formulierung entscheiden sollen – und dann in fünf, zehn Jahren noch einmal über das Ende des Amtsblattes diskutieren können. Diese bittere Lektion haben wir nun gelernt.»

«Für viele, insbesondere ältere Menschen ist es sehr umständlich, das P-Amtsblatt bei den Behörden abzuholen.»

Tabea Zimmermann Gibson, ALG-Kantonsrätin

Dass die Wirtschaftlichkeit des Amtsblatts eine Herausforderung sei, kann Zimmermann nachvollziehen. «Doch es gäbe auch mit diesem Anliegen im Hinterkopf deutlich bessere Lösungen. Bei der Kommissionssitzung wurde uns als mögliches Beispiel ein Online-Amtsblatt mit Marktplatz aus dem Kanton Zürich gezeigt, das durchaus ansprechend gestaltet war.» Aus Sicht der Zuger Vereine sowie Organisationen und des Gewerbes bedaure sie es sehr, dass es aktuell keine Alternative für den Marktplatz-Teil im Amtsblatt gebe.

«Die Regierung scheint in der Sache so weit vom Bürger entfernt zu sein, dass sie nicht merkt, wo die Bedürfnisse liegen.»

Jean Luc Mösch, Zuger Mitte-Kantonsrat

«Ausserdem ist es für viele, insbesondere für ältere Personen, sehr umständlich oder gar nicht möglich, das P-Amtsblatt bei den Behörden abzuholen. Darum müsste es zumindest die Option eines Abonnements geben», sagt Zimmermann.

Hoffnung auf Erheblicherklärung

Ins gleiche Horn wie Schweizer und Zimmermann Gibson bläst Mitte-Parlamentarier Jean Luc Mösch: «Die Regierung scheint eine Meinung gefasst zu haben und will von dieser nicht mehr abrücken. Sie will für den Kanton wirtschaftlich denken. Sie scheint in der Sache so weit vom Bürger entfernt zu sein, dass sie nicht merkt, wo die Bedürfnisse liegen.»

«Im Nachhinein ist man schlauer. Der Kantonsrat liess sich von den Überzeugungen des Regierungsrates blenden.»

Jean Luc Mösch, Zuger Mitte-Kantonsrat

Auch er blickt bedauernd auf den politischen Prozess zurück. «Im Nachhinein ist man schlauer. Der Kantonsrat liess sich von den Überzeugungen des Regierungsrates blenden. Doch hat dieser letztlich etwas, was sich über Jahrzehnte bewährt hat, bachab geschickt.»

Für Mösch ist klar, wie es bezüglich der Causa Amtsblatt weitergehen soll. «Da gibt es nur eines: das Postulat trotzdem erheblich zu erklären. Dann ist es zumindest klar, dass die gedruckte Amtsblattversion einem Bedürfnis entspricht.» Und weiter: «Der Regierungsrat stützt sich darauf, dass er selbst das Sagen über diese Sache hat. Bloss: Über dem Regierungsrat steht der Kantonsrat.»

Das letzte Wort in Sachen Amtsblatt ist also noch nicht gesprochen.

Verwendete Quellen
  • Postulatstext
  • Antwort des Zuger Regierungsrates
  • Mündlicher Austausch mit drei Postulanten
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10 Kommentare
  • Profilfoto von blaze35
    blaze35, 08.12.2023, 13:27 Uhr

    Nach meiner Meinung ist der Regierungsrat massgeblich für den Konkurs der beiden Firmen verantwortlich. Die Aussage «offensichtlich nicht mehr zeitgemäss» ist daher ein Affront gegen die Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz dadurch verloren haben.

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  • Profilfoto von Karl
    Karl, 01.12.2023, 13:23 Uhr

    Es ist tragisch, dass ein solch reicher Kanton die Finanzierung des Amtsblattes nicht übernehmen will. Das Zuger Amtsblatt war Kult. Alles muss dem digitalen Wahn unterliegen. Dass aber das Digitale gar nicht umweltfreundlicher ist wissen die Wenigsten. Server müssen gekühlt werden, dafür braucht es Energie und Wasser. Sever müssen hergestellt werden, was enormen Rohstoffverbrauch benötigt, Regenwald wird abgeholzt etc. Aber Hauptsache jeder denkt der digitale Wandel sei der richtige und klimaneutrale Weg

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  • Profilfoto von Marcel
    Marcel, 25.11.2023, 12:27 Uhr

    Das Zuger Amtsblatt war schweizweit das einzige Amtsblatt, welches von vielen Leuten regelmässig gelesen wurde. Heute ist vieles digital. Dieser Wandel machte auch vor dem Amtsblatt nicht halt. Als dann die Abogebühren massiv stiegen, läutete das definitiv den Untergang des gedruckten Amtsblatt ein. Einige vermissen es. Wirtschaftlich ist es nicht mehr. Online kommt man aber zu allen notwendigen Informationen und das auch rückwirkend.

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    Experte, 25.11.2023, 06:33 Uhr

    Seit wann muss eine amtliche Publikationen rentieren? Mir scheint eher, es geht darum die vielen Konkurse, Handänderungen usw. etwas geheim zu halten.

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  • Profilfoto von Phil
    Phil, 24.11.2023, 18:33 Uhr

    Könnte man das Amtsblatt nicht in die Barni-Post integrieren? Wäre eine Überlegung wert. Das kann nicht teurerer sein als die sonstigen Hoch»glanz»unterlagen, welche den Bürgern zugestellt wird

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    • Profilfoto von Alois Iten
      Alois Iten, 24.11.2023, 19:18 Uhr

      Barni Poscht? Im Kanton Zug gibt es sowas nicht. Der Name ist aber lustig. Geht es hier um Bären, Hunde oder ein Kindermagazin?

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      • Profilfoto von Phil
        Phil, 25.11.2023, 10:49 Uhr

        Googlen hilft oft bei Unwissenheit: Die Barni-Post erscheint wöchentlich am Mittwoch mit einer Auflage von 78’000 in der Stadt Luzern und Agglomeration, Stadt Zug sowie zwischen Luzern – Zug, Luzerner Seetal, Michelsamt und in der Region Sempachersee.

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      • Profilfoto von Ursi Fuchs
        Ursi Fuchs, 25.11.2023, 14:53 Uhr

        100 Seiten unnötige Werbung, die ungefragt auch bei Stop Werbung verteilt wird. Sie haben nichts verpasst!

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  • Profilfoto von Peter Joe
    Peter Joe, 24.11.2023, 12:48 Uhr

    Das Amtsblatt gedruckt in blauem Cover war immer der grosse Hit in unserer Familie. Jeder hatte es durchgelesen von hinten nach vorne oder von vorne nach hinten und man wusste Bescheid und war im Bild was in Zug los ist.
    Wir sind alle furchtbar traurig und uns fehlts.

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 24.11.2023, 12:39 Uhr

    Auf eine solche Ausschreibung, wie sie den Postulanten vorschwebt, wird sich kein einziges Unternehmen melden. Das rechnet sich niemals.

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