Abstimmung am 25. September

Alles, was du zur Luzerner Klimastrategie wissen musst

Damit das Hochwasser von 2005 ein einmaliges Ereignis bleibt, stimmt Luzern am 25. September über die künftige Klimapolitik der Stadt ab. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Die Stadt Luzern stimmt in drei Wochen über die Zukunft ihrer Klimapolitik ab. zentralplus fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vorlage für dich zusammen.

«Das wichtigste Geschäft der laufenden Legislatur.» So wurde die Klima- und Energiestrategie der Stadt Luzern wiederholt bezeichnet. Der entsprechende Bericht und Antrag des Stadtrats ist stolze 250 Seiten dick. Stundenlang hat sich der Grosse Stadtrat über kleinste Details und Protokollbemerkungen zur Vorlage gestritten.

Und jetzt, am 25. September, kommt es zum grossen Showdown. Die Stadtluzerner Stimmbevölkerung stellt an der Urne die Weichen der Luzerner Klimapolitik. zentralplus fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zur Mega-Vorlage für dich zusammen.

Darum geht es

Die Folgen des Klimawandels sind mittlerweile auch in der Schweiz nicht mehr übersehbar. Das hat der diesjährige Sommer eindrücklich gezeigt. Hitze, ausgetrocknete Bäche, überschwemmte Keller – solche Extremereignisse treten gemäss wissenschaftlichen Prognosen immer häufiger auf. Die Politik muss dringend handeln, will sie die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen.

Zur Erinnerung: Alle Länder der Welt haben 2015 in Paris vereinbart, Massnahmen zu treffen, um die nicht mehr vermeidbare Erderwärmung auf 1,5 Grad oder zumindest deutlich unter zwei Grad zu reduzieren. Mit der Klima- und Energiestrategie will die Stadt Luzern ihren Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten. Und hat sich dafür ambitionierte Ziele gesteckt: Bis 2040 sollen in der Stadt keine CO₂-Emissionen mehr ausgestossen werden. Und bis 2050 soll der Energieverbrauch der Stadt nur noch halb so gross sein wie heute.

Um diese Ziele zu erreichen, setzt die Stadt Luzern ihren Fokus primär auf zwei Bereiche: Gebäude und Mobilität.

Das passiert im Gebäudebereich

Im Gebäudebereich sieht die Vorlage einen massiven Ausbau von Solaranlagen vor. Heute wird der Stromverbrauch nur zu 2 Prozent mit Solarenergie gedeckt. Künftig sollen es 25 Prozent sein. Bereits bis 2030 soll in Luzern 6-mal mehr Solarstrom produziert werden als heute. Bis 2050 strebt die Stadt gar eine 18-mal grössere Stromproduktion durch Solaranlagen an.

Das Ja-Komitee präsentiert seine Kampagne (v.l.n.r.). Nadja Burri (Mieterverband), Lukas Bäuerle (Grüne), Marta Lehmann (VCS), Jona Studhalter (Junge Grüne), Christa Wenger (Grüne), Jörg Häfliger (WWF) und Mario Stübi (SP). (Bild: zvg)

Das Potenzial von Solaranlagen auf städtischen Gebäuden soll deshalb voll ausgeschöpft werden. Dreimal grösser noch schätzt die Stadt das Potenzial für Solarstrom auf privaten Gebäuden ein. Darum will sie ein Förderprogramm schaffen, das private Hauseigentümerinnen zum Bau möglichst grosser Solaranlagen motiviert.

Verbot von Öl- und Gasheizungen

Die Stadt kennt in ihrer Klimastrategie aber nicht nur Zuckerbrot, sondern auch die Peitsche. Nur mit Förderprogrammen wird es aus Sicht der Stadt schwer, die Ziele zu erreichen. Es brauche auch Verbote.

Die Vorlage der Stadt sieht darum vor, den Bezug von nicht erneuerbaren Energien zu verbieten. Wer künftig Strom bezieht, muss mittels Herkunftsnachweis beweisen, dass der Strom aus erneuerbarer Quelle stammt. Keine der 32 Massnahmen reduziert den Energieverbrauch fossiler Energien auch nur ansatzweise so stark wie diese. Sie ist demnach sozusagen das Kernelement der städtischen Klimastrategie.

Auch Öl- und Gasheizungen geht es an den Kragen. Am liebsten hätte der Grosse Stadtrat wohl ein allgemeines Verbot von Ölheizungen ausgesprochen. Denn in den Jahren 2019 und 2020 wurde in der Stadt Luzern beim Ersatz einer Heizung in 60 Prozent der Fälle erneut eine Öl- oder Gasheizung installiert. Das Ziel auf nachhaltige Heizungen umzustellen, sei ohne Vorschriften nicht erreichbar, hält der Stadtrat im Bericht und Antrag fest. «Eine finanzielle Förderung allein reicht nicht aus, da diese insbesondere für Eigentümerinnen und Eigentümer von Mietliegenschaften zu wenig Anreize bietet», heisst es weiter.

Das Komitee wurde vertreten durch (von links aus gesehen) Lucas Zurkirchen, Benjamin Koch, Rieska Dommann, Mirjam Fries, Lukas Blaser und Markus Mächler.
Das Referendumskomitee mit (v.l.n.r.) Lucas Zurkirchen (FDP), Benjamin Koch (Wirtschaftsverband Luzern), Rieska Dommann (FDP), Mirjam Fries (Mitte), Lukas Blaser (Jungfreisinnige) und Markus Mächler (Architekt). (Bild: PLU)

Ein generelles Verbot ist rechtlich nicht umsetzbar. Für bestimmte Gebiete ist ein Verbot aber zulässig. Diesen rechtlichen Spielraum will der Grosse Stadtrat in seiner Vorlage nutzen. In diesen Zonen soll es künftig verboten sein, eine Heizung mit einer Öl- oder Gasheizung zu ersetzen. Nebst Erdwärme kommen als alternative Wärmequellen je nach Gebiet Abwärme, Seewasser oder die Luft infrage.

Von insgesamt knapp 6'000 Öl- und Gasheizungen in der Stadt wären rund 4'250 vom
Verbot betroffen. Bis 2030 könnten so bereits 1'700 fossile Heizungen aus der Stadt verschwinden. Das Einsparpotenzial dieser Massnahme wäre riesig. Rund ein Zehntel der CO₂-Emissionen in der Stadt Luzern könnten so vermieden werden.

Das wird sich bei der Mobilität ändern

Die Mobilität ist neben dem Gebäudesektor das zweite wichtige Standbein der Energie- und Klimastrategie. Auch sie soll zur klimaneutralen Stadt Luzern beitragen. Der Autoverkehr in der Stadt soll darum im Vergleich zum Niveau von 2010 um 15 Prozent abnehmen. Das sind rund 20'000 Autos weniger pro Tag, die in der Stadt unterwegs sind.

Die Vorlage des Grossen Stadtrats sieht zudem vor, die Zahl der Parkplätze auf öffentlichem Grund bis 2040 zu halbieren. Demnach würden über 3'600 Parkplätze aufgehoben. Das entspricht einem Viertel der öffentlich benutzbaren Parkplätze in der Stadt Luzern. Weitere 8'000 Parkplätze könnten auf privaten Grundstücken wegfallen. Die Stadt will nämlich bei älteren Gebäuden überprüfen, ob die Zahl der dort verfügbaren Parkplätze der heute zulässigen maximalen Anzahl entspricht. Da es vor 1986 keine Regel für die Zahl der Parkplätze bei Neubauten gab, wurden früher grundsätzlich mehr Parkplätze gebaut, als heute erlaubt wären. Der Stadtrat erwartet hier darum ein grosses Reduktionspotenzial.

Weiter will die Vorlage bis 2040 alle Autos mit Verbrennungsmotor aus der Stadt verbannen. Ab dann dürfen nur noch elektrische Autos in der Stadt immatrikuliert sein. Ob das rechtlich überhaupt zulässig ist, ist jedoch unklar.

Gefällt das allen?

Nein. Die Vorlage, die der Grosse Stadtrat ausgearbeitet hat, ist der Mitte und der FDP zu extrem (zentralplus berichtete). Sie haben darum ein konstruktives Referendum lanciert. Nebst den beiden Parteien beteiligen sich die City Vereinigung sowie der Hauseigentümer- und der Wirtschaftsverband Luzern im Referendumskomitee (zentralplus berichtete).

Mit einem riesigen Wandbild am Kauffmannweg macht die Stadt Luzern seit dem Sommer 2021 auf den Klimawandel aufmerksam. (Bild: Stadt Luzern)

Für die Vorlage des Grossen Stadtrats sind die Grünen, die SP und die GLP. Im Komitee setzen sich zudem Organisationen wie der VCS, der WWF und der Mieter- und Mieterinnenverband für ein Ja zur Vorlage ein (zentralplus berichtete). Die SVP ist weder für die ursprüngliche Vorlage noch für den Gegenvorschlag.

Das sind die Unterschiede zwischen den Vorlagen

Wie das Referendumskomitee stets betont, unterscheiden sich das Referendum und die Vorlage des Grossen Stadtrats nur in wenigen Punkten. Es sind aber jene Punkte, die bei der Vorlage besonders herausstechen.

So wehrt sich das Referendum gegen den geplanten Abbau von 3'600 Parkplätzen auf öffentlichem Grund (zentralplus berichtete). Auch hält das Komitee nichts vom Ziel, den Autoverkehr in der Stadt um 15 Prozent im Vergleich zu 2010 zu reduzieren. Stattdessen strebt das Referendum an, den Verkehr auf dem Niveau von 2019 zu halten. Im Vergleich zum Verkehrsziel des Grossen Stadtrats macht das einen deutlichen Unterschied von 27'000 zusätzlichen Autos, die täglich in der Stadt unterwegs sind (zentralplus berichtete).

Eine weiterer, gewichtiger Unterschied zwischen den beiden Vorlagen besteht beim Bezug von nicht erneuerbaren Energien. Das vom Grossen Stadtrat vorgesehene Verbot will das Referendumskomitee kippen – obwohl es die Massnahme mit dem grössten Energiesparpotenzial ist.

Es schreibt dazu auf seiner Website: «Diese geplanten Verbote sind – wenn überhaupt – nur mit einem enormen Aufwand zu kontrollieren. Die Stromversorgung ist zudem in der Winterzeit nicht sichergestellt, weshalb es keinen Sinn macht, ein Verbot von nicht erneuerbarem Strom gesetzlich festzuschreiben.»

Der dritte, wesentliche Unterschied findet sich bei den Gebäudesanierungen. Beide Komitees sind sich einig, dass Sanierungen einen wichtigen Beitrag zur Energieeffizienz eines Gebäudes leisten. Eigentümer sollen deshalb bei Sanierungen finanziell unterstützt werden.

Der Grosse Stadtrat sieht aber eine spezielle Klausel vor. Diese untersagt Hauseigentümern den Anspruch auf finanzielle Unterstützung zur Wärmesanierung ihres Hauses, falls es deswegen zu ungerechtfertigten Leerkündigungen kommen sollte. Damit will der Grosse Stadtrat Mieterinnen vor Kündigungen schützen. Das Referendumskomitee hingegen will diese Klausel aus der Vorlage streichen und argumentiert, dass energetische Massnahmen in der Regel nicht zu Leerkündigungen führen würden.

So viel kostet die Klimastrategie

Unabhängig davon, welche Vorlage sich letztlich durchsetzt, ist schon jetzt klar, dass sich die Klimastrategie deutlich auf das Finanz- und Personalwesen der Stadt Luzern auswirken wird. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen kostet rund 190 Millionen Franken. Die Stadt Luzern müsste zudem 730 neue Stellenprozente schaffen.

«Nichts tun gegen den Klimawandel kommt teurer.»

Website Stadt Luzern

Deutlich mehr wird die neue Klimapolitik die Luzerner Energieversorgerin EWL kosten. Diese rechnet damit, über eine Milliarde Franken in den Ausbau des Fernwärmenetzes und der Solarenergie zu investieren (zentralplus berichtete).

Zuletzt wird die Klimastrategie auch das Portemonnaie der Luzerner Haushalte belasten. Sie zahlen künftig mehr Abgaben an die Stadt für den Strom und sollen ab 2025 einen Klimarappen von 0,5 Rappen pro Kilowattstunde entrichten. Die Stadt rechnet vor, dass die Luzernerinnen ab 2025 jährlich rund 60 Franken mehr für ihren Strom zahlen – ungeachtet sonstiger Preisschwankungen.

Die Stadt betont jedoch, dass das lokale Gewerbe von den Massnahmen profitieren könne. Und sie fügt auf ihrer Website zur Klimastrategie an: «Nichts tun gegen den Klimawandel kommt teurer.»

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 07.09.2022, 20:15 Uhr

    Mit der „Luzerner Klimastrategie“ soll eine Vollelektrifizierung der Stadt zu Gunsten des Monopolisten ewl eingeleitet werden: SeeEnergy und Erdsonden verbrauchen je nach Effizienz und Wirkungsgrad zusammen mit den nötigen Pumpen und Heizstäben für das Warmwasser rund 25% bis 40% elektrische Energie. Zählen wir noch die zu erzwingende Elektrifizierung des Verkehrs dazu, wird allen, die rechnen können klar: Die grünen Fundis wollen neue AKWs und provozieren mit diesem Alleingang den ökonomischen Harakiri der Stadt. Mir kommen sie vor wie ein Betrunkener, der in die Reuss pisst und glaubt, dass er damit die Probleme der Rheinschifffahrt mit den rekordtiefen Pegeln lösen könne. Wer es noch nicht gemerkt hat: Die Energiewirtschaft ist in Anbetracht der bedenklichen politisch-ökonomisch-ökologischen Entwicklung erzwungenermassen in einem rasanten Umbruch –alle sprechen jetzt schon von Gas- und Strommangellage. Beide Vorlagen sind als fachlich ungenügende, einseitige Wünsche zu werten und deshalb dingend abzulehnen. Ja, wir brauchen drastische Veränderungen, aber nicht so kurzsichtig, unausgegoren und einseitig. Gefordert sind das BFE und Pools ausgewiesener Fachleute, mindestens ETH/EPFL, – da genügt auch ein Blick auf die internationalen Entwicklungen und in die Fachliteratur: Es läuft auf eine Diversifizierung (Einsparung, Effizienz, Power to X, Biogas, Speicherung, WPs etc.) und Dezentralisierung hinaus und nicht auf eine zentralistische Elektrifizierung mit drastischen Verboten wie in der „Luzerner Klimastrategie“: Gut gemeint, aber unbrauchbar, daher abzulehnen, besser berechtigte Anliegen in überlegten Einzelschritten und harmonisiert zumindest mit der ganzen Schweiz umsetzen.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 07.09.2022, 07:08 Uhr

    Die Luzerner Bevölkerung sollte konsequent das Bewohnen von Altbauten vermeiden. Dies zwingt die Eigentümer zum Bau von energiesparenden Gebäuden. Ganz wichtig dass da jeder und jede mitmacht, Solidarität!

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    • Profilfoto von Michel von der Schwand
      Michel von der Schwand, 07.09.2022, 08:17 Uhr

      Warum?

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      • Profilfoto von Roli Greter
        Roli Greter, 07.09.2022, 18:05 Uhr

        Weil Solidarität wichtig ist. Das haben wir doch jetzt gelernt, schon vergessen?

        Energiesparend wohnen ist nur eine logische Konsequenz.

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    • Profilfoto von Hanswurst
      Hanswurst, 07.09.2022, 19:40 Uhr

      Ja, am besten reissen wir gleich die Altstadt und grosse Teile der spätviktorianischen Neustadt ab. ;-(

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