Gesetz schränkt Umsetzung ein

Das sind die Auswirkungen der Zuger Wohnungs-Initiative

In der Stadt Zug muss ein beachtlicher Teil der neuen Wohnungen künftig preisgünstig sein. (Bild: Stadt Zug)

Im Sommer nahm die Stadtzuger Bevölkerung die 2000-Wohnungen-Initiative an. Ein Rechtsgutachten zeigt nun, inwiefern die Initiative umgesetzt werden kann und wo ihre Grenzen liegen.

Im vergangenen Juni verbuchte die städtische Zuger SP einen grossen Erfolg. Die Volksinitiative «2000 Wohnungen für den Zuger Mittelstand» wurde mit 50,19 Prozent angenommen. Die Initiative fordert, dass bis 2040 mindestens 20 Prozent aller Wohnungen auf Stadtgebiet preisgünstig sind. Weiter ist in Verdichtungsgebieten vorgesehen, dass mindestens 40 Prozent der neu erstellten Wohnflächen preisgünstig sind.

Was die Linken in Euphorie versetzte, verursachte bei der Zuger Bauchefin Eliane Birchmeier Bauchschmerzen (zentralplus berichtete). An besagtem Abstimmungssonntag im Juni äusserte sie sich wie folgt: «Klar akzeptieren wir den Entscheid des Stimmvolkes. Dennoch tut es etwas weh. Nun müssen wir jedoch alle Bauverfahren stoppen und die Konsequenzen prüfen, welche dieser Volksentscheid mit sich bringt.»

Das wurde nun gemacht. Um zeitnah Rechtssicherheit für alle Beteiligten, sprich Initianten, Grundeigentümerschaften, Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit zu schaffen, gab die Stadt Zug im Juli 2023 ein unabhängiges Rechtsgutachten bei Beat Stalder in Auftrag. Stalder ist Lehrbeauftragter für Baurecht an der Universität Bern. Am Montag präsentierte er im Zuger Stadthaus die Ergebnisse des Gutachtens.

Zuerst muss Grundsätzliches geklärt werden

Die Initiative gelangte gemäss Stalder nicht mit einem konkreten Gesetzesentwurf an die Bevölkerung, sondern mit einem Auftrag an die städtischen Behörden. Demnach galt es zunächst, Grundsätzliches zu klären. Etwa Fragen wie: Gibt es für die Umsetzung der Initiative eine zeitliche Frist? Wo liegen in der Stadt Zug die Verdichtungsgebiete? Oder: Was ist preisgünstiger Wohnraum?

Stalders Antwort auf letztere Frage: Preisgünstig ist eine Wohnung dann, wenn die Anforderungen des kantonalen Wohnraumförderungsgesetzes erfüllt sind, die Mietpreise nicht über den Obergrenzen der Verordnung über preisgünstigen Wohnungsbau liegen, wenn es sich um innovative Wohnformen handelt, die einer dauernden Kostenmiete unterliegen oder aber der Wohnraum gemeinnützigen Wohnbauträgern gehört, die sich dem Prinzip der kostendeckenden Miete verpflichten.

Besitzerinnen von bestehendem Wohnraum können sich entspannen

Zur Forderung von 20 Prozent preisgünstigen Wohnraums bis 2040 sagt Stalder: «Politisch ist diese Forderung zwar verbindlich. Die Stadt wird jedoch nicht zaubern können. Für uns ist offen, ob diese Quote erreicht werden kann.» Dies insbesondere aus folgendem Grund: «Man kann nicht verlangen, dass Hauseigentümer die Mieten bestehender Wohnungen absenken, bis sie preisgünstig sind.» Das wäre gemäss Stalder verfassungsrechtlich problematisch. «Nach unserem Verständnis verlangt das die Initiative jedoch auch nicht.» Ein Nichteinhalten der 20-Prozent-Regelung führe aus juristischer Sicht zu keinen Sanktionen.

Als «rechtlich spannender» taxiert Stalder die Forderung nach den 40 Prozent preisgünstigen Wohnraums bei neu erstellten Wohnungen. Diese hält Stalder für grundsätzlich umsetzbar. «Das öffentliche Interesse an preisgünstigem Wohnraum ist zu bejahen. Ausserdem scheint uns die Verhältnismässigkeit gegeben. Der Leerwohnungsbestand liegt in der Stadt Zug seit mehreren Jahren unter einem Prozent.»

«Die Initiative ist sofort anwendbar und erfasst auch laufende Bebauungsplanverfahren.»

Beat Stalder, Rechtsanwalt und Verfasser des Gutachtens für die Stadt Zug

Seit der Annahme der Initiative herrscht bei Immobilienbesitzern, welche aktuell in Bebauungsplanverfahren stecken, grosse Unsicherheit. Gemäss Stalder zu Recht. Er hält fest: «Die Initiative ist sofort anwendbar und erfasst auch laufende Bebauungsplanverfahren. Noch nicht rechtskräftig beschlossene Bebauungspläne müssen an die Vorgaben der Initiative angepasst werden.» Hängige Baubewilligungsverfahren seien indes nicht betroffen.

Rund zehn Bebauungspläne sind in der Stadt Zug derzeit hängig. Der grösste davon: die Lorzenallmend im Westen der Stadt. Das Vorhaben umfasst fünf Bebauungspläne. Im kommenden Sommer soll dem Stadtzuger Parlament eine entsprechende Vorlage dazu unterbreitet werden. Weiter ist auch das L&G-Areal betroffen sowie der Bebauungsplan Metalli (zentralplus berichtete).

Problem zwischen kantonalem und kommunalem Recht

«Selbstverständlich muss die Umsetzung der Initiative im Einklang mit höherrangigem Recht sein», betont der Rechtsanwalt. Und genau hier liegt bei der Umsetzung die Krux. Denn je nach Bebauungsplan widerspräche die Forderung der Initiative der kantonalen Gesetzgebung.

Das Planungs- und Baugesetz des Kantons hält im Paragraf 18 fest: «In Wohn- und Mischzonen sind Mindestanteile für den preisgünstigen Wohnungsbau bei Neueinzonung, bei Umzonung sowie Aufzonung von einer Fläche von mehr als 5000 Quadratmetern und bei ordentlichen Bebauungsplänen jeweils maximal im Umfang der Mehrausnützung zulässig.»

Kantonales Recht könnte den Volkswunsch stark einschränken

Ein Beispiel für einen möglichen Konfliktfall: Ein Unternehmer will eine Liegenschaft von rund 230’000 Quadratmetern erstellen. Gemäss Regelbauweise möglich wären 205’000 Quadratmeter. Dank Bebauungsplan liegt die Mehrnutzung der anrechenbaren Geschossfläche bei 25’000 Quadratmetern.

Von den 230’000 Quadratmetern Gesamtfläche ist ein Wohnanteil von 170’000 Quadratmetern angedacht. Nun fordert die Initiative, dass 40 Prozent davon preisgünstig wird. Konkret also 70’000 Quadratmeter.

Gemäss kantonalem Gesetz darf jedoch bloss auf 25’000 Quadratmetern, also der Fläche der Mehrnutzung, günstiger Wohnraum entstehen. Was wiederum 45’000 Quadratmetern weniger entspricht, als gemäss Initiative gewünscht.

Oder wie es Stadtplaner Harald Klein im Video formuliert:

In anderen vorgestellten Fällen würde die neue städtische Regelung das gesetzliche Maximum des Planungs- und Baugesetzes hingegen unterschreiten.

Grundeigentümer sollen so bald wie möglich weiterarbeiten können

Zum weiteren Vorgehen äussert sich die Zuger Bauchefin Eliane Birchmeier wie folgt: «Wir haben nun zwei Pendenzen. Erstens geht es darum, die Initiative in kommunales Recht respektive in die Bauordnung der Stadt Zug zu überführen. Dann geht der Ball ans Stadtparlament, um die Gesetzgebung zu festigen. Zweitens sind wir mit den Urhebern der hängigen Bebauungspläne in Kontakt. Es ist uns wichtig, dass die Grundeigentümer möglichst bald vorwärts machen können mit ihren Bauvorhaben.»

Verwendete Quellen
  • Meldung der Stadt Zug zur Annahme der Initiative
  • Besuch Medienkonferenz mit Beat Stalder, Lehrbeauftragter für Baurecht an der Uni Bern
  • Gespräch mit Stadtplaner Harald Klein
  • Von der Stadt Zug beauftragtes Rechtsgutachten
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