Kanton und Stadt ergreifen Massnahmen

So will Luzern das Crack-Problem eindämmen

Stadt und Kanton gehen gegen den zunehmend öffentlichen Konsum von Crack vor. Im Bild: Stadtrat Martin Merki. (Bild: Jutta Vogel/jwy)

In Luzern wird zunehmend an öffentlichen Orten Crack konsumiert. Jetzt ergreifen Kanton und Stadt mehrere Massnahmen. Unter anderem wird die Gassechuchi – Kontakt- und Anlaufstelle künftig länger offen haben.

Crack ist billig, gefährlich – und wird zunehmend öfter auch in Luzern konsumiert (zentralplus berichtete). Insbesondere an Brennpunkten wie dem Bahnhofplatz sieht man immer wieder Menschen, welche die Droge durch eine Pfeife rauchen.

Grosse Städte wie Genf und Zürich, aber auch kleinere Städte kämpfen gegen Crack an. Aktiv würden nun ebenfalls die Stadt und der Kanton Luzern, wie sie am Dienstag in einer gemeinsamen Medienmitteilung mitteilen. Denn auch hier hat sich die Situation verschärft. Dagegen wollen sie angehen.

Gassechuchi – K+A hat bald länger offen

Unter anderem soll die Gassechuchi – Kontakt- und Anlaufstelle (kurz K+A) künftig länger offen haben. In dieser können Drogensüchtige etwas essen, aber auch in einem sauberen und sicheren Rahmen ihre mitgebrachten Drogen konsumieren. Dadurch wird auch der öffentliche Raum entlastet. Heute hat die Gassechuchi – K+A bis 17 Uhr offen – sobald sie ihre Pforten am Luzerner Geissensteinring schliesst, verlagert sich der Konsum zunehmend in den öffentlichen Raum (zentralplus berichtete).

Ab Juli soll die Gassechuchi – K+A neu bis 18 Uhr offen haben und ab September unter der Woche von 10 bis 19 Uhr. Die verlängerten Öffnungszeiten gelten vorerst im Rahmen eines zweijährigen Pilotprojekts.

Angst vor Kontrollen

Adrian Klaus ist der Betriebsleiter der Gassechuchi – K+A. Er findet es schwierig abzuschätzen, inwiefern diese neue Massnahme den öffentlichen Raum entlastet. Letztlich ist das davon abhängig, ob die Konsumierenden von den verlängerten Öffnungszeiten auch Gebrauch machen. Die Polizeipräsenz spielt ebenfalls eine Rolle.

«Drogenkonsumierende halten sich da auf, wo es Stoff gibt.»

Adrian Klaus, Betriebsleiter der Gassechuchi – K+A

Er betont: «Drogenkonsumierende halten sich da auf, wo es Stoff gibt. Markiert die Polizei zu viel Präsenz rund um die Gassechuchi – K+A, könnten Konsumierende Angst haben, kontrolliert zu werden, und deswegen die Konsumräume meiden. Dann können wir unsere Pforten so lange geöffnet haben, wie wir wollen.» Bereits in der Vergangenheit haben sich Suchtbetroffene immer wieder über zu viel Repression beklagt (zentralplus berichtete).

Eine nachhaltigere Lösung könnte es sein, Wohnraum für Drogenabhängige zu schaffen. Denn wer kein Dach über dem Kopf hat, wird wohl immer wieder im Licht der Strassenlaternen sichtbar.

Offene Drogenszenen in anderen Städten

Auch andere Städte kämpfen gegen Crack an. In manchen Städten entwickelte sich gar eine offene Drogenszene, so etwa in Genf und Chur.

«In Luzern hat sich das Crack-Problem im öffentlichen Raum intensiviert, aber es hat nicht die Dimensionen wie in anderen Städten wie Genf, Zürich oder Chur angenommen.»

Martin Merki, Luzerner Stadtrat

Bestehende Kontakt- und Anlaufstellen kommen an den Anschlag. Etwa in Zürich, wo vergangenes Jahr eine solche Stelle an den Stadtrand gedrängt wurde. In der Folge entwickelte sich in der Zürcher Bäckeranlage eine neue, offene Drogenszene. Deswegen wurde im November eine provisorische K+A im Zürcher Kasernenareal eröffnet. Chur kämpft derzeit gegen eine der grössten offenen Drogenszene in der Schweiz – auch da ist ein neuer Konsumraum geplant.

«In Luzern hat sich das Crack-Problem im öffentlichen Raum intensiviert, aber es hat nicht die Dimensionen wie in anderen Städten wie Genf, Zürich oder Chur angenommen», sagt der städtische Sozial- und Sicherheitsdirektor Martin Merki auf Anfrage. Er beobachte in Luzern auch keine offene Drogenszene, obwohl der Konsum an gewissen Plätzen sichtbarer oder konzentrierter sei.

Was bringen längere Öffnungszeiten?

Doch wie effektiv sind die eine respektive zwei Stunden, in denen die Gassechuchi – K+A länger offen haben wird? Merki spricht von «zwei wichtigen Stunden», insbesondere da zwischen 17 und 19 Uhr viele Leute unterwegs seien. Zugleich räumt er ein, dass man wohl dynamisch reagieren müsse. So habe sich in den kälteren Wintermonaten die Situation deutlich beruhigt – Stadt und Kanton würden jedoch davon ausgehen, dass sich die Lage in den wärmeren Monaten wieder verschärfen könne.

Merki hofft aufgrund der Erfahrungen in anderen Städten, dass die neuen Massnahmen den öffentlichen Raum entlasten und beruhigen. Und Konsumierende besser unterstützt werden, indem sie in einem geschützten Raum konsumieren können.

Eine schnellere Anpassung der Öffnungszeiten wäre zudem «wünschenswert», liess sich jedoch aus betrieblichen Gründen nicht realisieren.

SIP wird um 50 Stellenprozent aufgestockt

Stadt und Kanton ergreifen darüber hinaus noch weitere Massnahmen. So wird die SIP (Sicherheit Intervention Prävention) um 50 Stellenprozente aufgestockt. Die SIP nimmt eine Brückenfunktion zwischen sozialer Arbeit und Ordnungsdiensten wahr und kennt viele Suchtbetroffene. Im Rahmen der aufsuchenden Arbeit sollen sie Konsumentinnen verstärkt «ansprechen und sie motivieren», für den Drogenkonsum die Gassechuchi –K+A aufzusuchen.

Weiter werde die Luzerner Polizei im öffentlichen Raum und an den Hotspots weiterhin «sehr präsent» sein, wie es in der Mitteilung heisst. Bereits umgesetzt seien kleine bauliche Anpassungen beim Spielplatz im Vögeligärtli.

Die Kosten des zweijährigen Pilotbetriebs in der Höhe von 668’000 Franken werden je zur Hälfte von Stadt und Kanton Luzern übernommen. Gemäss Merki erwarten Kanton und Stadt, dass danach der Zweckverband für institutionelle Sozialhilfe und Gesundheitsförderung (ZiSG) die Kosten übernimmt. Die Gassechuchi – K+A arbeitet im Auftrag des ZiSG.

Crack-Konsum in Luzern: steigend, aber nicht explodierend

Gemäss Aussagen von Adrian Klaus konsumieren die meisten Besucher, die in der Gassechuchi – K+A ein und aus gehen, Crack. Vergangenes Jahr haben sich 546 Besucherinnen registriert – rund 80 Prozent von ihnen würden Crack konsumieren. Das entspricht über 400 Personen.

Der Anteil jener, die Drogen inhalativ – also über die Lunge aufnehmen – hat stetig zugenommen, ist aber nicht explodiert. 2011 wurden im Erweiterungsbau auf der Gassechuchi die Konsumräume (K+A) eingerichtet. Bereits damals wurden mehr Plätze für den inhalativen – 14 an der Zahl – als für den intravenösen Konsum, beispielsweise das Spritzen von Heroin, bereitgestellt.

In der Gassechuchi – Kontakt und Anlaufstelle können Abhängige mitgebrachte Drogen in einem geschützten und sauberen Rahmen konsumieren. (Bild: ida)

Das Rauchen von Kokain ist gemäss Klaus in Luzern seit über 15 Jahren ein Thema in der Szene. «Dementsprechend war die Gassechuchi – K+A gut gewappnet für den zunehmenden Crack-Konsum – auch personell.» Neu ist, dass in den vergangenen drei, vier Jahren vermehrt gebrauchsfertige Crack-Steine im Umlauf sind. Diese werden mit der Pfeife direkt geraucht und müssen nicht mehr aufgekocht werden.

Gassechuchi – K+A plant Ruheraum

Unabhängig von den verlängerten Öffnungszeiten richtet die Gassechuchi – K+A ihr Angebot mehr auf die Bedürfnisse von Crack-Konsumierenden aus. So sind am Geissensteinring zusätzliche Plätze geplant, wo Crack geraucht werden kann. Auch das Verpflegungsangebot wird erweitert. «Weiter planen wir einen Ruheraum, in dem sich Besuchende für einige Stunden hinlegen und erholen können.»

Viele der Crack-Konsumentinnen würden nicht mehr daran denken, zu trinken, zu essen oder zu schlafen. Zudem seien sie in einem zunehmend schlechten körperlichen und psychischen Zustand. Die Pausen zwischen dem nächsten Konsum würden immer kürzer, und ein Sättigungsgefühl stelle sich beim Crack nicht ein. Mit den zusätzlichen Möglichkeiten, sich auszuruhen oder etwas Kleines zu essen, erhofft sich Klaus, Konsumenten «aus höchstintensiven Suchtdynamiken herauszuholen».

Der zunehmende Crack-Konsum ist auch für die Mitarbeiterinnen der Gassechuchi – K+A herausfordernd. Crack-Konsumentinnen sind oftmals hektisch, können auch aggressiv werden. Das Team muss deswegen sehr präsent sein, um rechtzeitig zu intervenieren. Durch den intensiven Konsum kommt hinzu, dass mehr Klienten als früher psychische Krisen hätten.

Hinweis: Der Text wurde nach Publikation mit Aussagen von Martin Merki und Adrian Klaus ergänzt.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung von Stadt und Kanton Luzern
  • Telefonat mit Martin Merki, städtischer Sozial- und Sicherheitsdirektor
  • Telefonat mit Adrian Klaus, Betriebsleiter der Gassechuchi – K+A
  • Jahresbericht 2023 der Gassenarbeit Luzern
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Corinne
    Corinne, 03.04.2024, 17:40 Uhr

    Es muss etwas geschehen..soviel weiss ich. wenn ich abends am Bahnhof Luzern ankomme, fühle ich mich sehr unwohl. Werde jeweils von mind. 2-3 Personen angequatscht und angebettelt. Öffentlicher Drogenkonsum keine Seltenheit. diese Menschen brauchen einen Ort, aber nicht den Bahnhof/Busbahnhof der Stadt Luzern.

    Ich meide es jedenfalls, mich dort abends aufzuhalten. Kein sicherer Ort. Schade was aus Luzern geworden ist

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  • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
    Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 03.04.2024, 11:18 Uhr

    Das ist Code-Sprache.
    Entziffert man das "Mitgemeinte" kommt man aufgrund der pragmatischen Erfahrungen aus der Vergangenheit zum Schluss: Passieren wird genau gar nix! Man lässt das Problem einfach weiter ungestört oszillieren und schaut mit offenen Mündern, paralysiert und teilnahmslos den weiteren Geschehnissen zu.

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  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 02.04.2024, 16:10 Uhr

    Wieder so eine 0815 Lösung.
    Die Süchtigen die die Gassechochi besuchen, machen nicht 1/3 der Süchtigen aus.
    Es braucht mehr Repression und Polizisten die das Gesetz durchsetzen und nicht noch mehr Kuscheljustiz, die wie wir sehen nichts bringt. Cracksüchtige sind aggressiv und gefährlich, ihr Rausch hält je nach Qualität 10 Minuten an und sie brauchen immer mehr. Wo denken diese Leute denn, wo her sie die Kohle beschaffen, vom Singen? Bei Cracksüchtigen, ist der Beschaffungsdruck extrem hoch und es braucht restrijktives handeln, bevor das Problem total entgleist.

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    • Profilfoto von Kevin Klak
      Kevin Klak, 04.04.2024, 09:47 Uhr

      sehe ich auch so. Man "dämmt" das Problem damit sicher nicht ein. Man versteckt es für ein paar Stunden mehr von der Öffentlichkeit. – Die Szene (Obdachlose, Drogen, Alkohol, …) hat sich zudem die letzten Jahre verstärkt ins Neustadt-Quartier verlagert – auf Spielplätze, zwischen Wohnungen und Geschäften. Mal überlegen: Wieso hat denn der Turm beim Vögeligärtli Spielplatz keine Wände mehr…?

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      • Profilfoto von Setzen, sechs!
        Setzen, sechs!, 04.04.2024, 10:21 Uhr

        Sollten Sie gewählt werden, machen Sie was dagegen! Ich zähle auf Sie und überlege mir derweil, ob ich dies entsprechend in die Urne werfe.

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        • Profilfoto von Kevin Klak
          Kevin Klak, 04.04.2024, 19:53 Uhr

          Danke. Ja, wer in der Stadt aktiv lebt, trifft diese Situationen täglich mehrfach an. Das empfinde ich in den letzten Jahren immer mehr als unerträglich und ist auch ein Grund weshalb ich politisch aktiv geworden bin…

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