Secondhand-Lädele in Luzern

In der Maihof-Kirche wird tonnenweise Kleidung vertickt

Mode aus zweiter Hand wird zunehmend beliebter. (Bild: Vinokilo)

Im Maihof in Luzern findet am Wochenende ein Event von Vinokilo statt. Hunderte von Kleidungsstücken aus zweiter Hand werden verkauft. Gelockt wird mit zwei Tonnen Kleidung zum Kilopreis. Ist das noch bewusstes Kaufen?

Wo früher vor allem gebetet und gebeichtet wurde, wird nun an diesem Sonntag zum Secondhand-Lädele geladen: Im Maihof, der umgenutzten Kirche an der Weggismattstrasse, findet an jenem Tag ein Event von Vinokilo statt. Tausende Kleiderbügel werden an montierte Kleiderstangen gehängt. Nicht weniger als 4800 Kleidungsstücke aus zweiter Hand sind es, die auf neue Trägerinnen warten. Das entspricht rund 2,2 Tonnen Kleidung. Bezahlt wird pro Kilogramm Kleidung 70 Franken.

Vinokilo verkauft an Pop-up-Veranstaltungen europaweit Secondhand-Kleidung. Das heisst, sie ziehen von Stadt zu Stadt. Bereits zum zweiten Mal sind sie in Luzern. Die Organisatoren erwarten am Sonntag zwischen 600 und 900 Besucher.

«Es geht nicht darum, möglichst viel zu kaufen.»

Robin Balser, Gründer von Vinokilo

Kleidung zum Kilopreis und tonnenweise Kleidung: Werden so Besucherinnen nicht angeregt, möglichst viel in den Jutebeutel zu legen? «Es geht nicht darum, möglichst viel zu kaufen», sagt Robin Balser, der Gründer und CEO von Vinokilo. «Sondern darum, die perfekten Stücke zu entdecken und sie kreativ miteinander zu kombinieren. Und das alles zu einem Preis, der problemlos mit den Angeboten der Fast-Fashion-Industrie mithalten kann – als nachhaltige Alternative.» Balser ist der Meinung, dass keine neue Kleidung produziert werden muss, weil es bereits mehr als genug für alle gebe.

Wie Vinokilo entstanden ist

Alles begann in einer Bar in Estland, als Robin Balser, ein gebürtiger Deutscher, einen Gin Tonic und einen Schal gegen eine Jeans-Jacke getauscht habe, wie er bereits in früheren Medienberichten erzählte. Die Idee, Kleider zu tauschen, gefiel ihm. In Groningen (Niederlande) baute er sich eine kleine Kleiderbibliothek auf, in der einzelne Teile aus- und eingetauscht werden konnten. Als ihm der Mietvertrag gekündigt wurde, musste er die Kleidung irgendwie anders an die Menschen bringen.

Mit guten Freunden kam er auf die Idee, in einer 100 Quadratmeter grossen Wohnung die Kleidung per Kilo zu verkaufen. Sie erstellen auf Facebook eine Veranstaltung für ihren Bekanntenkreis. Und staunten nicht schlecht, als schliesslich über 400 Menschen vor der Haustür gestanden seien.

Die Geschäftsidee von Vinokilo war geboren. In den letzten Jahren wuchs die Organisation immer weiter, mittlerweile ist sie in 14 Ländern vertreten.

Die Kleidung, die Vinokilo verkauft, bezieht das Unternehmen von Recyclinglagern. Diese befinden sich von Kanada bis Norwegen überall. Rund 90 Prozent befänden sich laut Balser in Europa. Die Kleidungsstücke werden gereinigt, wenn nötig repariert und schliesslich online verkauft – oder in jene Städte, in denen Events von Vinokilo stattfinden, transportiert.

Gemäss Balser würden die positiven Auswirkungen der Events die Emissionen durch den Transport überwiegen. Zudem kurven sie nicht extra für einen Event in andere Länder, sondern laden in mehreren Städten zum Secondhand-Shopping ein. In der Schweiz sind sie neben Luzern auch in Bellinzona.

Einblick in eine Veranstaltung von Vinokilo:

Der «Maihof»: Erste Kirche, die umgenutzt wurde

Und nun eben auch nach Luzern. In den «Maihof» – die frühere Maihof-Kirche. Diese ist eine der ersten umgenutzten Kirchen schweizweit. Vor über zehn Jahren wurden der Pfarreisaal und das Pfarreizentrum umgebaut, die fixen Kirchenbänke abmontiert. Seither steigen in der einstigen Kirche klassische Konzerte, Frauendiscos oder ein Sitzen in Stille. Nach wie vor finden auch noch Gottesdienste statt.

«Hintergrund ist das ‹Kleid› – also Bauten und Infrastruktur –, das unseren Pfarreien mit immer weniger Mitgliedern zu gross wird.»

Ingrid Schmid, Mediensprecherin Katholische Kirche Stadt Luzern, zum Projekt «Zwischenraum»

Die Katholische Kirche Stadt Luzern vermietet die Räume stundenweise an jene, die einen Anlass planen. «Die Philosophie von ‹Der Maihof› ist es, Räume für Menschen zu bieten, die sich begegnen möchten», sagt dazu Mediensprecherin Ingrid Schmid. Das Konzept habe Erfolg. Die Kirche vermiete auch andere Räume im Pfarreizentrum.

Im «Maihof» finden verschiedene Events statt. (Bild: zvg)

Katholische Kirche Stadt Luzern vermietet Räume nun auch dauerhaft

Bestimmte Räume vermietet sie auch dauerhaft für mehrere Monate. Dies im Rahmen des neuen Projekts «Zwischenraum». Dazu gehören vier Räume – unter anderem der Pfarreitreff Bachstei und die Borromäus-Kapelle.

Die Kirche räumt Sitzungs- und Büroräume leer, um neue Nutzungen von kirchlichen Räumen zu erproben. Denn die Räume sollen nicht leer bleiben. Die Kirche hat seit Jahren mit Mitgliederschwund zu kämpfen. Auch die Studie über Missbrauch in der Katholischen Kirche in der Schweiz löste im vergangenen Herbst eine Austrittswelle aus (zentralplus berichtete).

Ingrid Schmid sagt zum Projekt Zwischenraum: «Es ist ein Experiment. Hintergrund ist das ‹Kleid› – also Bauten und Infrastruktur –, das unseren Pfarreien mit immer weniger Mitgliedern zu gross wird.» Das Interesse sei bis anhin «eher verhalten». Bis anhin hätten sich rund fünf Interessenten gemeldet aus den Sparten Kunst, Musik und Mode. Menschen mit künstlerischen und sozialen Ideen würden die Kirche bevorzugen. Die Katholische Kirche der Stadt Luzern erhofft sich, dadurch Erfahrungen für «mittel- und langfristige Umnutzungen» der Immobilien zu sammeln.

Hinweis: Im Text wurde nach Publikation ergänzt, dass im Maihof nach wie vor Gottesdienste stattfinden.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Ingrid Schmid, Mediensprecherin der Katholischen Kirche Stadt Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Robin Balser, CEO von Vinokilo
  • Website von Vinokilo
  • Medienmitteilung der Katholischen Kirche Stadt Luzern
  • Interview mit Robin Balser bei «Reclecta»
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 06.03.2024, 18:58 Uhr

    Die frühere Maihof-Kirche. Diese ist eine der ersten umgenutzten Kirchen schweizweit. Toll, aber die Glocken können sie abstellen, wenn es keine Kirche ist.

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    • Profilfoto von Seppel
      Seppel, 07.03.2024, 13:11 Uhr

      Es ist eben noch eine Kirche. Das wurde leider nicht genau recherchiert bzw. im Text falsch geschrieben…!
      Der Kirchensaal MaiHof ist "umgenutzt" in Anführungszeichen. Der Kirchenraum ist weiterhin geweiht und es finden regelmässig kirchliche Feiern statt. Sie können gerne diesen Sonntag um 10 Uhr in den Gottesdienst kommen. Daneben kann der Kirchensaal für verschiedenste Veranstaltungen vom klassischen Konzert bis zur Uni-Prüfung verwendet werden kann.

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      • Profilfoto von Redaktion zentralplus
        Redaktion zentralplus, 07.03.2024, 15:29 Uhr

        Vielen Dank für den Kommentar! Wir haben im Text entsprechend ergänzt, dass im Maihof nach wie vor auch Gottesdienste stattfinden. Beste Grüsse, die Redaktion von zentralplus

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        • Profilfoto von André Bachmann, Kirchenrat
          André Bachmann, Kirchenrat, 07.03.2024, 19:35 Uhr

          Geschätzte Redaktion – Das ist nicht dasselbe. Der MaiHof ist noch immer eine geweihte Kirche mit allen entsprechenden Einrichtungen und Elementen. Einen Gottesdienst können Sie auch in einer Halle, einem Sportstadion oder im Freien durchführen. Der Maihof ist ein sakraler geweihter Raum.
          Der MaiHof ist ein tolles Beispiel für neue Nutzungsformen von Kirchenräumen – jedoch keine Umnutzung. Das Modell MaiHof lässt sich daher nicht beliebig auf andere Kirchen übertragen. Die Katholische Kirche Stadt Luzern will und muss sich mittel- und längerfristig im Bereich der Unterhalts- und Betriebskosten entlasten. Hierzu sind echte Umnutzungen angedacht, wie sie beispielsweise in Italien oder den Niederlanden zwangsläufig bereits vielfach umgesetzt wurden. Ehemalige Kirchen als Wohnraum, als Hotel oder Restaurant, als (Klein)-Theater, als Bibliothek oder auch als Büro oder Schulraum, usw. Solche Umnutzungen sind uns zur Zeit vielleicht noch fremd. Den Prozess hat die Katholische Kirche Stadt Luzern aber gestartet und es gilt nun zu Sensibilisieren. Die Mitglieder in den Pfarreien, die Bevölkerung, die kirchlichen und weltlichen Behörden, die Denkmalpflege und viele mehr. Loslassen ermöglicht Neues!

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