Luzernerinnen eröffnen neuen Vintage-Laden

«Sicherlich ist es manchen hier zu schräg und abgefahren»

Die beiden Ladeninhaberinnen Florina Moser und Simone Blank. (Bild: ida)

Luzern kriegt einen neuen Vintage-Laden an der Pfistergasse. Dahinter stecken Florina Moser und Simone Blank von «The Secondhand». Auch anderswo floriert das Geschäft mit gebrauchter Ware.

Wer den Laden an der Pfistergasse 10 betritt, fühlt sich 20 Jahre jünger. Mindestens.

An den Kleiderstangen hängen Trainerjacken in grellen Farbkombinationen – von Türkis mit Violett zu Blau mit Orange. Neben gemütlichen Adidas-Jacken funkeln Paillettentops. Es gibt Kleider und Blusen in Leoparden- und Zebramuster, Wilderlederjacken und Häckeloberteile, die auf eine neue Trägerin warten. Zweifellos: Wer durch die Kleider stöbert, fühlt sich in die 90er- und 00er-Jahre zurückkatapultiert.

Mittendrin stehen Simone Blank und Florina Moser. Sie eröffnen am kommenden Samstag, 1. April, ihren neuen Vintage-Shop «Neo Vintage» in der Luzerner Kleinstadt. Es ist ihr zweites Geschäft: Seit Sommer 2019 führen die beiden bereits den «The Secondhand» an der Bruchstrasse (zentralplus berichtete).

Secondhand an oberster Stelle

An der Pfistergasse 10 hat sich in den letzten Tagen einiges getan. Die Wände wurden schwarz angestrichen, jedes Kleidungsstück wurde an seinen Kleiderbügel gehängt. An jedes muss noch ein Etikett angetackert werden, bis zur Eröffnung alles bereit ist.

«Wir lieben unser Geschäft an der Bruchstrasse so, wie es ist», sagt Florina Moser bei einem Rundgang durch das neue Geschäft. Die beiden fanden aber: Wenn sie ihr Geschäft mit Secondhand-Kleidung ausbauen, dann wollen sie nicht zweimal dasselbe anbieten. Während man im Bruchquartier, wo die Kundschaft zwischen 16 und 85 Jahre alt sei und eher aktuelle Mode findet, zieht das Geschäft an der Pfistergasse wohl vor allem ein jüngeres Publikum an, das vom Kleidungsstil der 90er- und 00er-Jahre angesprochen wird.

«Wir sind überzeugt, dass der Secondhand-Boom nicht eine kurzfristige Sache ist, sondern wirklich einem Bedürfnis entspricht.»

Florina Moser

Die Kleidung an der Pfistergasse kaufen Moser und Blank vom Vintage-Grosshandel ein – anders als in der Bruchstrasse, wo Privatpersonen ihre Kleidung vorbeibringen. Gemeinsam ist beiden Geschäften: Jede Bluse und jede Jacke ist Secondhand – und somit ein Einzelstück. «Das ist das, was Secondhand-Liebhabende auch so schätzen», sagt Simone Blank. «Man stöbert durch die Kleiderstangen und entdeckt etwas, das niemand anderes trägt.» Das sei Teil des individuellen Ausdrucks.

Nachhaltige Mode ist den beiden wichtig: Simone Blank und Florina Moser. (Bild: ida)

Der Boom flacht nicht ab

Den beiden ist es wichtig, Menschen die Freude an Secondhand-Kleidung zu vermitteln. Für die Ladeninhaberinnen ist es eine Herzenssache. «Wir sind überzeugt, dass der Secondhand-Boom nicht eine kurzfristige Sache ist, sondern wirklich einem Bedürfnis entspricht», sagt Florina Moser. So sind die beiden denn auch überzeugt, dass Secondhand künftig noch gefragter sein wird als jetzt.

«Sicherlich ist es manchen hier zu schräg und abgefahren.»

Simone Blank

An der Pfistergasse wird zwischen Leopardenkleidern, wild gemusterten Blusen und Bauchtaschen vermutlich nicht jeder fündig. Simone Blank meint: «Eine unifarbene Secondhand-Bluse haben die meisten, die kann man überall kaufen. Hier findet man einzigartige Stücke. Sicherlich ist es manchen hier zu schräg und abgefahren. Aber Mode ist schliesslich immer eine Stilfrage.»

Freuen sich auf die Eröffnung am 1. April: Erin, Sarah, Florina, Siv (v.l.n.r. oben), sowie Simone und Larissa. (Bild: ida)

Bei «Marta» wird man selbst zur Unternehmerin

Auf den Verkauf getragener Ware setzt man auch bei «Marta». Im Geschäft an der Bundesstrasse können sich alle, die Kleidung weiterverkaufen möchten, gleich selbst einmieten. Wer will, kann eine Verkaufsfläche ab 9 Franken pro Tag mieten, die Kleidung vorbeibringen und an die Kleiderstange hängen. Wie viel man für seine «alten» Kleider möchte, kann jeder selbst festlegen.

«Bei uns wird jede Person für ein paar Wochen zur Mini-Unternehmerin oder zum Mini-Unternehmer», erklärt Mitgründer Daniele Albertinelli. «Jede Person, die bei Marta verkaufen will, kann ihr Angebot selbst gestalten. Wir selektieren nicht einzelne Stücke aus.» Dabei würden gleich mehrere Denkprozesse angestossen. Beispielsweise, ob es für ein gekauftes Kleidungsstück überhaupt noch eine Nachfrage gibt und wie viel es anderen Menschen wert sein könnte.

«Es findet ein toller Austausch zwischen ganz verschiedenen Menschen zum Thema soziale und nachhaltige Mode statt.»

Daniele Albertinelli

Auch die Frage, wann das Geschäft rentabel war, definiere jede für sich selbst. Zudem nähmen die Menschen ihren Beitrag an eine nachhaltigere und stärker kollaborative Gesellschaft mehr oder weniger bewusst wahr und schätzen ihn als wichtig ein. «Man kann sich ‹Marta› als echten Marktplatz vorstellen, auf dem nicht nur Waren gehandelt werden. Es findet auch ein toller Austausch zwischen ganz verschiedenen Menschen zum Thema soziale und nachhaltige Mode statt.»

Secondhand-Mode ermögliche es, dass das Kaufen weiterhin Freude mache – und dass dabei der Kreislauf aktiv mitgestaltet werden könne. Mit den Einnahmen werden Kosten wie Löhne und Miete gedeckt und ein Teil in das weitere Wachstum investiert, was auch gelinge.

Luzerner Brockenhaus: eine «erfolgreiche Geschichte»

Doch nicht nur Kleidung aus zweiter Hand ist gefragt, sondern auch Möbel, Dekoartikel & Co sind es. Fündig wird man beispielsweise im Brockenhaus Luzern. Seit gut 13 Jahren betreibt die IG Arbeit dieses. Im Bruchquartier finden Luzernerinnen auf den drei Stockwerken alles an gebrauchter Kleidung, Möbeln und Geschirr.

«Das Brockenhaus ist eine erfolgreiche Geschichte», sagt Patrizia Furrer, Leiterin MarktPlatz bei der IG Arbeit. In den vergangenen Jahren habe ein Umdenken stattgefunden, Secondhand habe an Wert gewonnen. «Viele Menschen möchten, dass etwas Gebrauchtes nicht mehr weggeworfen, sondern behalten und weiterverwendet wird.» Früher meinten noch viele, dass nur jemand Secondhand-Ware kaufe, der sich Neues nicht leisten könne. «Heutzutage realisierten viele, dass man in Brockis und Secondhandläden viele individuelle Schätze findet.» Dennoch würde sie sich ein noch grösseres Umdenken erhoffen.

Umsatz zu generieren ist indes nicht das grösste Ziel des Brockenhauses. «In erster Linie geht es der IG Arbeit um Arbeitsintegration», sagt Furrer. 17 Personen arbeiten im Brockenhaus – primär Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, die wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen.

Verwendete Quellen
  • Augenschein vor Ort und persönliches Gespräch mit Florina Moser und Simone Blank 
  • Telefonat mit Patrizia Furrer, Brockenhaus Luzern
  • Telefonat mit Daniele Albertinelli, «Marta» Luzern
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