Nach Missbrauchsstudie

Luzern: Selbst der reformierten Kirche laufen Leute davon

Die Lukaskirche an der Luzerner Morgartenstrasse. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Die katholische Kirche verzeichnet scharenweise Austritte. Auch die reformierte Kirche spürt die Auswirkungen nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie – wenn auch nicht so heftig.

Ein Monat ist vergangen, seit Forscherinnen der Universität Zürich eine Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche veröffentlicht haben (zentralplus berichtete). Seither flattern die Austrittsschreiben nur so in die Kirchen, Hunderte Luzerner wollen mit ihr nichts mehr zu tun haben.

Besonders drastisch zeigt sich das bei der katholischen Kirche Stadt Luzern. Diese verzeichnete im vergangenen Monat rund 440 Austritte – seit Veröffentlichung der Studie sind das etwas über 110 Austritte pro Woche. Im Vorjahr waren es im selben Zeitraum zwischen dem 12. September und 11. Oktober nur zirka 15 Austritte pro Woche beziehungsweise 60 Austritte im Monat (zentralplus berichtete).

Reformierte Kirche: 100 Austritte

Zulauf hat die reformierte Kirche deswegen nicht. Denn auch sie bleibt von Austritten nicht verschont. Zur Kirchgemeinde Luzern gehören die acht Teilkirchgemeinden Stadt Luzern, Kriens, Littau-Reussbühl, Emmen-Rothenburg, Ebikon, Buchrain-Root, Malters und Rigi-Südseite. Gemäss Albert Schwarzenbach, Vizepräsident der reformierten Kirchenpflege der Stadt Luzern, kam es in diesen acht Teilkirchgemeinden innerhalb zweier Wochen zu rund 100 Austritten. In früheren Jahren belief sich die Anzahl Kirchenaustritte während eines Monats auf 30 bis 40.

«Nicht alle differenzieren zwischen der protestantischen und der katholischen Kirche und setzen diese gleich.»

Albert Schwarzenbach, Vizepräsident reformierte Kirchenpflege Stadt Luzern

«In Einzelfällen dürfte die Missbrauchsstudie die Austritte ausgelöst haben, weil nicht alle zwischen der protestantischen und der katholischen Kirche differenzieren und diese gleichsetzen», sagt Albert Schwarzenbach gegenüber zentralplus. Zudem sei in einem Fernsehbeitrag kürzlich relativ plakativ gezeigt worden, wie einfach es sei, aus der Kirche auszutreten. Auch dies dürfte manche zu diesem Schritt bewogen haben, sagt Schwarzenbach.

Gesamtzahlen schwanken nur marginal

Von einem «Austrittsboom» oder einem «signifikanten Trend» möchte Schwarzenbach aber nicht reden. «Die Kirchenaustritte der letzten beiden Wochen wirken sich nur marginal auf die Gesamtzahl der Mitglieder der reformierten Kirche aus. Und diese Zahl ist für uns massgebend.» Ende August – also vor Veröffentlichung der Missbrauchsstudie – habe die Kirchgemeinde Luzern insgesamt 18'171 Mitglieder gezählt. Ende September – nach Publikation – seien es 18'123 Mitglieder gewesen. Aktuell (Stand 18. Oktober) seien es 18'047 Mitglieder. Die Zahlen würden kaum schwanken. Verantwortlich dafür seien Neueintritte und Zuzüger.

Doch den Mitgliederschwund spürt auch die reformierte Kirche. Im ganzen Kanton kehrten ihr letztes Jahr 926 Mitglieder den Rücken, 33 Personen traten ein. Um dem entgegenzuwirken, lud die reformierte Kirche Kanton Luzern gar zu einer Krisensitzung.

Das tut die reformierte Kirche, um Mitglieder zu halten

Ein Rezept dagegen gebe es nicht, hielt Synodalratspräsidentin Lilian Bachmann damals fest. In der Strategie, die die Kirche für die nächsten acht bis zwölf Jahre erarbeitete, setzten sich die Verantwortlichen jedoch 26 Ziele. Aus der Konferenz selbst entstanden neun Punkte, was die Kirche tun muss, damit Personen in der Kirche bleiben oder eintreten. Einerseits möchte die reformierte Kirche Kanton Luzern ihr Image, Auftritt und Erscheinungsbild modernisieren sowie ihren Mehrwert sichtbarer machen.

Viele wünschten sich, dass die Kirche agiler wird «und Mut für Veränderung» hat. Auch wurde der Wunsch geäussert, dass die Kirche Kooperationen eingeht und den «gewohnt gewöhnlichen» Kirchenraum verlässt – oder sich beispielsweise für Festivals öffnet (zentralplus berichtete). Ob dies den Austrittsboom aufhalten kann? Die Zahlen werden es zeigen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Albert Schwarzenbach
  • Medienarchiv zentralplus
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Karin
    Karin, 19.10.2023, 19:38 Uhr

    Die reformierte Kirche muss sich halt mehr um seine Schäfchen bemühen. Ausser das Bezahlen der Kirchensteuer habe ich in den 40 Jshren nichts , aber auch gar nichts gehört.
    Vor Jahren gab ich den Austritt.

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  • Profilfoto von Sapoerlotta
    Sapoerlotta, 19.10.2023, 10:54 Uhr

    Auch bei den reformierten Christen geht es um Glauben oder nicht (mehr) glauben. Die Missbrauchsfälle mögen ein Grund , aber auch der Katalysator für den Austritt sein. Wem ein Licht aufgeht, den kann man nicht mehr hinters Licht führen.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 19.10.2023, 05:58 Uhr

    Kommentar durch die Redaktion gelöscht

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