Gerichtsgang nicht verhindert

Analyse: Der Luzerner Stadtrat hat in der Causa VBL versagt

Macht beim Fall VBL keine gute Falle: Der Luzerner Stadtrat. (Bild: jal)

Die Subventionsaffäre rund um die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) wird zum Fall für die Gerichte. Dass es so weit kommen konnte, liegt nicht zuletzt am Stadtrat. Nach dem Abbruch der Verhandlungen muss dessen bisherige Passivität in neuem Licht betrachtet werden.

Über 22 Millionen Franken an Steuergeldern stehen auf dem Spiel. Ein Gericht muss entscheiden, ob die Verkehrsbetriebe Luzern diese zurecht von Bund und Gemeinden erhalten haben oder sie dieses Geld durch einen Buchhaltungstrick unrechtmässig erwirtschaftet haben. Das ist die Ausgangslage, nachdem die Verhandlungen zwischen der VBL und dem Verkehrsverbund Luzern (VVL) und dem Bundesamt für Verkehr zusammengebrochen sind (zentralplus berichtete).

Es winkt nun also ein langwieriges und potenziell teures Rechtsverfahren. Eines, das am Ende möglicherweise ebenfalls die Steuerzahler berappen müssen. Einigermassen beeindruckend ist, wie sich der Luzerner Stadtrat bisher aus der direkten «Schusslinie» der öffentlichen Diskussion halten konnte.

Die Stadt ist alleinige Eignerin der VBL. Im Grossen Stadtrat wirft diese Tatsache nun die Frage auf, ob der Stadtrat mit der Strategie der VBL-Führung d'accord geht.

Stützt der Stadtrat diesen Weg?

In einer dringlichen Interpellation wollen Nico van der Heiden und Lena Hafen namens der SP-Fraktion vom Stadtrat wissen, inwieweit der Stadtrat in die Entscheidung der VBL, nicht auf den Vergleichsvorschlag von VVL und Bundesamt für Verkehr einzutreten, involviert war.

Der angesprochene Vergleichsvorschlag beinhaltete, dass die VBL die geforderten 16 Millionen zurückzahlen. Dafür hätten VVL und BAV auf die Zinsrückforderung im Zusammenhang mit dem Subventionsgesetz vorerst verzichtet. Diese Strafzinsen würden sich derzeit auf rund 5 Millionen Franken belaufen (zentralplus berichtete).

Die SP-Parlamentarier wollen wissen, ob der Stadtrat die Entscheidung stützt, auf den Vergleichsvorschlag nicht einzutreten. Mit anderen Worten: Segnet der Stadtrat diesen Gerichtsgang tatsächlich ab? Das ist schliesslich die logische Konsequenz des ausgeschlagenen Vergleichs. Die Antwort darauf muss der Stadtrat möglicherweise schon im Rahmen der nächsten Sitzung des Grossen Stadtrates vom 10. Juni liefern, sofern das Parlament die Dringlichkeit des Vorstosses dann bestätigt.

Bund und VVL vor den Kopf gestossen

Was der Stadtrat dazu sagen wird, ist vorhersehbar. Er dürfte einmal mehr betonen, dass aus seiner Sicht die unternehmerische Verantwortung allein bei Verwaltungsrat und Geschäftsleitung der VBL liegt. Diese Haltung haben sowohl der VVL wie auch der Bund kritisiert. Der Verbundrat des VVL sei «enttäuscht über die aus seiner Sicht passive Haltung der Stadt Luzern als Alleinaktionärin der VBL», hiess es in der Medienmitteilung zum Abbruch der Verhandlungen.

Auch Peter Füglistaler, Direktor Bundesamt für Verkehr (BAV), verlieh seinem Unmut über die Entwicklungen Ausdruck. In einem Post auf Linked-in schreibt der BAV-Direktor: «Der neue VR der VBL ist angetreten, die Situation schnell zu klären und neues Vertrauen zu schaffen. Das ist ihm in keiner Weise gelungen.»

Der Linked-in-Post von Peter Füglistaler

In erster Linie kritisiert Füglistaler damit den neuen VBL-Verwaltungsrat um Renzo Simoni. Indirekt ist es aber auch eine deutliche Kritik am Luzerner Stadtrat, der den aktuellen VBL-Verwaltungsrat gewählt hat.

Mutwillig oder nicht: Chance verpasst

Als Simoni Ende November 2020 ins Amt als VBL-Verwaltungsratspräsident gewählt wurde, gingen wohl die meisten davon aus, dass die Stadt mit ihm ein neues Kapitel aufschlagen will und Simoni das alte möglichst zuschlagen soll. Sogar Simoni selbst wusste, dass man in ihm einen «Brandlöscher» sah, wie aus einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» hervorgeht.

Gegenüber zentralplus erläuterte Simoni jedoch, dass der Stadtrat ihm keinerlei Signale in diese Richtung gegeben habe und stattdessen dem VR «freie Hand bezüglich des Handlings in diesem Fall gewährt» wurde (zentralplus berichtete). Die Aussage Simonis steht in starkem Kontrast zu den Aussagen von Stadtpräsident Beat Züsli, der kurz vor Simonis Wahl sich noch so äusserte: «Wir wollen keinen jahrelangen Rechtsstreit, sondern sind nach wie vor an einer schnellen Einigung interessiert.» Mit einem neuen Verwaltungsrat wolle man «nach vorne» blicken (zentralplus berichtete).

Hätte der Stadtrat ernsthaft einen Rechtsstreit verhindern wollen, wäre die damalige Wahl eines neuen Verwaltungsrates der ideale Moment dafür gewesen. Diesem hätte man den klaren Auftrag geben können, die Sache zu bereinigen – und zwar sofort. Als alleinige Eignerin der VBL wäre dies ohne Umschweife möglich gewesen. Mutwillig oder nicht, hat man diese Chance verpasst.

Wessen Interesse ist damit gedient?

Die VBL AG ist eine Aktiengesellschaft. Gemäss Finanzdirektorin Bitzi nimmt der Stadtrat darin die Aktionärsrechte wahr (zentralplus berichtete). Man ist also nicht direkt Vertragspartei (das sind VBL und VVL) und hat deshalb nicht eingegriffen. Das mag rechtlich stimmen, wirft aber neue Fragen auf.

Die Stadt Luzern ist Alleinaktionärin der VBL. Verständlicherweise liegt es deshalb nicht im Interesse des Stadtrates, der VBL zu schaden. Dennoch: Inwiefern nimmt der Stadtrat mit seiner passiven Haltung die Interessen der Aktionäre wahr?

Wie kann es im Interesse der Stadt – und damit der steuerzahlenden Bevölkerung – sein, dass die VBL in einen teuren Rechtsstreit rutscht? Im Zweifelsfall müssten es doch zu jeder Zeit die Interessen der Luzernerinnen und Luzerner sein, die der Stadtrat zu wahren hat. Die Aussicht auf ein solches Gerichtsverfahren kann nicht ernsthaft als «im Interesse» der Luzerner Bevölkerung zu deuten sein.

In der oben erwähnten Interpellation fragen sich die SP-Räte zu Recht, zu wessen Lasten die anfallenden Kosten des Gerichtsverfahrens gehen, falls die VBL vor Gericht unterliegt. Lena Hafen und Nico van der Heiden wollen vom Stadtrat denn auch wissen, welche finanziellen Folgen für die Stadt Luzern in diesem Fall zu erwarten sind.

Das grosse Schweigen im Stadtrat

Es ist freilich nicht das erste Mal in dieser Geschichte, dass sich der Stadtrat an eine rückblickend fragwürdige Rollendefinition klammert. Zur Erinnerung: Bis vergangenen November nahm ein Mitglied des Stadtrates jeweils im Verwaltungsrat der VBL Einsitz. Der im November 2020 veröffentlichte Untersuchungsbericht zur Subventionsgelderaffäre legte offen, dass die jeweiligen Stadträte, die bei der VBL im VR sassen, sich in erster Linie der Firma verpflichtet fühlten und deshalb von einer Schweigepflicht ausgingen (zentralplus berichtete).

In den Richtlinien über das Beteiligungsmanagement der Stadt Luzern, welche im Mai 2019 beschlossen wurden, heisst es jedoch klipp und klar: «Die zuständigen Mitglieder des Stadtrates oder das im strategischen Leitungsorgan vertretene Mitglied des Stadtrates kann die Behandlung eines Geschäfts im Stadtrat verlangen, wenn es um wesentliche öffentliche Interessen der Stadt geht.» 

Bedenkt man nun noch die Tatsache, dass der Stadtrat ebenfalls mit einer Vertretung im VVL präsent ist, lässt sich erahnen, wie viel früher man diesen aufziehenden Konflikt schon angehen und den Verlauf dieser Geschichte verändern hätte können.

Heft aus der Hand gegeben

Nun aber steht der Gang vor ein Gericht bevor. Die VBL sind überzeugt, dass ihnen dort kein Fehlverhalten nachgewiesen werden kann – sofern die Rückforderungen nicht sowieso schon verjährt sind. Bund und VVL haben durchblicken lassen, dass sie nun nicht Geringeres als die Maximalforderung anstreben werden.

Und die Eigentümerin der VBL, die Stadt Luzern? Nun, der Stadtrat hat es tunlichst vermieden, das Heft je wirklich in die Hand zu nehmen – mit dem Gang vor das Gericht wird es ihm nun endgültig aus der Hand genommen. Juristisch gesehen mag der Stadtrat durch seine Untätigkeit die Hände in Unschuld waschen, dennoch hat er in dieser Sache versagt.

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