Behörden kommen an ihre Grenzen

Luzerner Kesb schlagen wegen Arbeitslast Alarm

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden im Kanton Luzern kämpfen mit grossen Aktenbergen. (Bild: Adobe Stock)

Immer mehr Fälle, die gleichzeitig komplexer und dringlicher werden: Die sieben Luzerner Kesb ächzen unter der Arbeitslast. Sie fordern einen Ausbau – und zwar dringend.

Es ist nur ein kleiner Absatz im aktuellen «Kriens Info». Trotzdem lässt er aufhorchen: «Im ganzen Kanton Luzern stellen die Kesb eine starke Zunahme an offenen Verfahren und Massnahmen fest.» Die Fälle von Personen mit psychischen Erkrankungen würden immer komplexer, zudem stelle auch der Platzmangel in Institutionen eine grosse Herausforderung dar.

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) des Kantons Luzern scheinen am Anschlag zu sein. Das zeigt auch die Medienanfrage von zentralplus an Janique Häfliger-Jans. Sie ist Präsidentin der Kesb Region Entlebuch, Wolhusen und Ruswil und heuer auch Vorsitzende der Präsidialkonferenz der sieben Luzerner Kesb. Gefragt zu einer Einschätzung, ob die Luzerner Kesb-Stellen überbelastet seien, vertröstet sie auf einen späteren Zeitpunkt. Sie könne erst in zwei Wochen Stellung nehmen.

Der Grund: mangelnde Zeit.

Anwälte schalten sich immer öfter in Fälle ein

Nun sind die Antworten da. Und darin beschreibt Häfliger-Jans einen prekären Zustand: «Die Arbeitslast der Kesb im Kanton Luzern hat seit Jahren deutlich zugenommen.» Es zeige sich ein Trend hin zu mehr Fällen. Zudem würden sie komplexer und dringlicher. Viel öfter und schneller würden ausserdem Rechtsanwälte in den Verfahren beigezogen. «Diese werden auch deshalb immer zeitintensiver und erfordern vermehrt fundierte Rechtskenntnisse.»

Konkrete Zahlen, beispielsweise wie stark der Anstieg ausfällt, nennt Janique Häfliger-Jans keine. Die Anzahl Fälle variiere von Kesb zu Kesb, sie habe in den vergangenen Jahren jedoch bei allen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden zugenommen.

Pandemie, Drogen und streitlustige Eltern

Die Gründe für die Zunahme seien vielschichtig. «Sie umfassen insbesondere vermehrte psychische Probleme der Betroffenen, Drogenkonsum, Armut, Folgen von Covid-19, Medienkonsum, zunehmend knappe stationäre und ambulante Angebote, den gesellschaftlichen Wandel im Gesamten sowie die auf der Welt herrschenden Kriege», führt Häfliger-Jans aus. Ausserdem sei die Kesb in der Gesellschaft inzwischen bekannter geworden, sodass vermehrt Meldungen von Privatpersonen, welche sich Sorgen um einen Mitmenschen machen würden, eingehen würden.

Die Vorsitzende der Luzerner Präsidialkonferenz der Kesb erläutert zudem, dass die Behörden vermehrt mit «hochstrittigen Eltern» konfrontiert seien. «Die professionelle Arbeit mit solchen Familiensystemen ist besonders zeitaufwendig und bindet viele personelle Ressourcen.»

Luzerner Kesb sind auf ausserkantonale Therapieplätze angewiesen

Die sieben Kesb im Kanton Luzern stehen also unter Druck. Das merken sie gemäss Häfliger-Jans auch punkto Infrastruktur. Die Nachfrage an Therapieplätzen sowie an geeigneten Institutionen übersteige bei Weitem das Angebot. Deshalb stellt Häfliger-Jans eine Forderung an die Politik: «Es müssen dringend mehr Therapieangebote und Institutionen geschaffen werden.» Denn die Kesb habe einen gesetzlichen Auftrag, die entsprechenden Massnahmen müssten demnach umgesetzt werden können.

Häfliger-Jans erklärt, dass es im Kanton an Unterstützung von psychisch belasteten Personen im Rahmen des ambulanten und stationären Settings mangle. «Die Wartefristen im ambulanten und stationären Bereich sind lang, und die Betroffenen haben regelmässig mehrere Monate auf einen Therapieplatz zu warten. Dies zwingt die Kesb des Kantons Luzern dazu, vermehrt nach ausserkantonalen Lösungen zu suchen.»

Fachkräftemangel hält sich in Grenzen

Immerhin bei einem Thema scheint es derzeit weniger Sorgen zu geben: beim Fachkräftemangel. Die Luzerner Kesb haben gemäss Häfliger-Jans momentan genügend qualifiziertes Personal, die Fluktuation ist relativ tief. Anders sieht es beispielsweise im Nachbarkanton Zug aus. Wie zentralplus kürzlich berichtete, musste die Zuger Kesb im vergangenen Jahr – und auch zuvor – auf externe Mitarbeiter zurückgreifen. Die Behörde stand gehörig unter Druck. Sie erreichte ihre Ziele nur teilweise. Im Kindesschutzbereich beispielsweise klärte sie nur 70 Prozent der Fälle innerhalb von sieben Monaten ab – das Ziel liegt bei 80 Prozent.

Janique Häfliger-Jans spricht denn für Luzern auch eine Warnung aus: «Mit der zunehmenden Fallbelastung steigt der Druck auf die Mitarbeitenden.» Um deren Arbeit mit hoher Qualität sicherstellen zu können sowie Krankheitsausfälle zu vermeiden, würden sie genügend personelle und finanzielle Ressourcen brauchen.

Denn etwas können die Luzerner Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden in dieser angespannten Situation sicher nicht gebrauchen: Mitarbeiter, die ihnen reihenweise davonlaufen.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Janique Häfliger-Jans, Präsidentin Kesb Region Entlebuch, Wolhusen und Ruswil sowie Vorsitzende der Luzerner Kesb-Präsidialkonferenz 2024
  • Beitrag im «Kriens Info»
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