Historische Stürme im Kanton Zug

Als der Hagel sogar Katzen und Hasen erschlug

Ein überschwemmtes Gebiet bei der Maschwander Allmend/beim Reussspitz nach heftigem Regen 2021. (Bild: Andreas Busslinger)

Die Gewittersaison nimmt langsam, aber sicher Fahrt auf. Und mit ihr die Hoffnung, dass die Hagelkörner klein, der Regen mässig und die Temperaturen milde bleiben. Denn das Wetter hierzulande kann auch anders. Und wie!

Gewitter können grässlich sein. Selbst in der heutigen Zeit, in der die allermeisten Leute ein sicheres, stabiles Dach über dem Kopf haben und eine Versicherung, die für Schäden an Haus und Auto aufkommt, können uns Unwetter grossen Kummer bereiten und unsere physische und finanzielle Sicherheit gefährden – Regenradar hin oder her.

Ein Blick in die Geschichte der Unwetter und Stürme, die dereinst über den Kanton Zug einfielen, zeigen eindrücklich, wie erbarmungslos das Leben zu früheren Zeiten gewesen sein muss. Immerhin boten extreme Wetterereignisse den damaligen Journalisten die Gelegenheit, schwülstige, vor Poesie triefende Ergüsse in der Zeitung zu platzieren. Und nebenbei noch etwas Gottesfurcht zu lehren.

Hexenwerk und Gottes Zorn

Das Jahr 1874: Der Föhnsturm, der am 31. Juli wütete, liess diverse Gewässer über die Ufer treten und verursachte grossen Schaden. So auch im Kanton Zug. Dieses sei «schwer heimgesucht» worden, «die Lorze durchbrach unterhalb der Deinikerbrücke die Wuhren und verbreitete überall Verheerungen», wie das konservativ-katholische «St. Galler Volksblatt» kurz darauf schrieb. In einem «Leit- und Leidartikel» aus «allerhöchster Hand» nutzte der Autor die Gelegenheit, um einmal rigoros den Zeigefinger zu schwingen und an die Moral der Menschen zu appellieren.

«Wer will in der Heimsuchung des 31. Juli etwas anderes sehen, als die warnende Stimme Gottes?»

Leitartikel im «St. Galler Volksblatt» nach dem Föhnsturm 1874

Zur Einordnung: Kurz vor dem Unwetter fand das mehrtägige eidgenössische Schützenfest in St. Gallen statt, auf dem wohl ziemlich frivol gefestet wurde. Der Journalist beschloss, dass der Sturm als Gottes Strafe für dieses lasterhafte Feiern interpretiert werden musste. «Wer will in der Heimsuchung des 31. Juli etwas anderes sehen, als die warnende Stimme Gottes, der die in eitlem Hochmuth und Sinnenlust dahintaumelnden Menschen die Kraft und die Macht desjenigen fühlen lassen wollte, gegen den alle Macht der Menschenwerke und alle Berechnungen der ‹Wissenschaft› [sic] zu Schaden werden sollten?»

Der Artikel, verfasst in der «allmächtigen Frakturschrift», sollte der Warnung und Belehrung dienen. Genützt scheint es wenig zu haben: Das Eidgenössische Schützenfest wird nach wie vor alle fünf Jahre durchgeführt.

Apropos: Unwetter, und ganz besonders Hagelunwetter, wurden bis ins 19. Jahrhundert als Teufels- und Hexenwerk angesehen. So wurde 1660 die Chamerin Dorothea Meyer in Zug als Hexe verhört. Nach der Folter sagte sie aus, dass sie mit einer Rute im Namen des Teufels in den Zugersee geschlagen habe, um Hagelunwetter zu zaubern. Es sei aber «nur ein schwären Tropfrägen daruss worden». Dorothea Meyer wurde daraufhin zum Tode verurteilt.

Tornado im Zugersee

Im Sommer 1905 ereignete sich auf dem Zugersee Sonderbares. Der damalige Bademeister von Cham äusserte sich dazu wie folgt: «Im Anfang beobachtete man einen Wirbelwind, dann sah man in den Wolken einen Trichter bilden, hierauf stieg das Wasser des Sees in Gestalt einer oben zackig abgebrochenen Säule, dann bildete sich ein Kegel auf der Säule und es ging rasend schnell in die Höhe, in dem man ganz deutlich sah, wie das Wasser in rotierenden Wirbeln hinauffuhr.»

Der Tornado, respektive die Wasserhose, habe einen Durchmesser von 20 Metern gehabt und sei eine Viertelstunde wirbelnd und kerzengerade auf dem See gestanden, bis sie zu zerfleddern begann. «Dann erfolgte ein Blitz und Donner und das Phänomen verschwand. Die ganze Zeit über fiel Gewitterregen und vorher war ferner Donner gehört worden.» Damalige Fotografien zeigen ein unheimliches Bild.

Die Wasserhose von 1905 über der Stadt Zug. (Bild: Archiv Bibliothek Zug)

Auf die eigenartige Stille folgte die Hölle

Deutlich weniger harmlos waren die Wetterkapriolen, die sich 1927 vor allem in den Ennetsee-Gemeinden ereigneten. Im Gegenteil. Im Zuger Kalender wurde das historische Unglück zwei Jahre später vom Bauer Georg Weber-Fischlin wie folgt zusammengefasst: «Ein von Westen herkommendes Hagelwetter von seit Menschengedenken nie erlebter Heftigkeit überzog den untern Teil der Gemeinde Risch sowie die angrenzenden Hünenberger Gehöfte, wodurch schrecklichste Verwüstungen angerichtet wurden.»

«Hagelsteine in der aussergewöhnlichen Grösse einer Faust, dicht ineinander, mit mittleren und kleineren Geschossen vermengt, kamen fast waagrecht anher gsaust.»

Georg Weber-Fischlin im Zuger Kalender 1929

Alles begann mit einer «eigenartigen Stille», «die beim Anblick der finsteren, unheimlich drohenden Wolkenmasse eine allgemein beängstigende Gemütsdepression bewirkte.» Wenig später ertönte ein Hämmern und Gepolter. «Jetzt brach das Furchtbarste herein, das unendlich schädigende, noch nie gesehene, fast Unglaubliche! Nämlich Hagelsteine in der aussergewöhnlichen Grösse einer Faust, dicht ineinander, mit mittleren und kleineren Geschossen vermengt, kamen fast waagrecht anher gsaust und zwar mit einer Wucht, die fast eine geschossähnliche Durchschlagskraft hatte.»

«Überall lagen tote Vögel aller Art, selbst auch Hühner und Tauben, dann auch Katzen und Wild, wie Hasen, Eichhörnchen …»

Georg Weber-Fischlin im Zuger Kalender 1929

Die Auswirkungen waren grausam. Die Ernte war kaputt, die Bäume waren kahl, «auf abgemähten Wiesen schlug die Wucht der Hagelsteine förmliche Vertiefungen, eigentliche Löcher in den Erdboden, wie solche noch nie gesehen worden». Schlecht erging es nicht nur der Flora. «Auch der Tierwelt ging es gleich übel. Überall lagen tote Vögel aller Art, selbst auch Hühner und Tauben, dann auch Katzen und Wild, wie Hasen, Eichhörnchen …»

Dem Unglück wurde knapp achtzig Jahre später sogar eine Ausstellung in Rotkreuz gewidmet, in der unter anderem zerborstene Dachziegel gezeigt wurden.

Als die Lorze noch ungezähmt war

Fünf Jahre später wurden insbesondere die Berggemeinden von einer Wetterkatastrophe heimgesucht. Ein gewaltiges Unwetter zerstörte 1934 das Kanalsystem der Spinnereien im Ägerital und überschwemmte die Lorzenebene mit Geröll und Schlamm. Der «Zugerbieter» sprach in seiner damaligen Berichterstattung über einen Fluss «voller Heimtücke und Arglist».

Doch nicht nur in Lorzennähe, auch in Morgarten war der Schaden gigantisch. Dort hatten Murgänge grosse landwirtschaftliche Flächen ausradiert. Die Verkehrsverbindungen von Zug nach Arth-Goldau und ins Ägerital waren unterbrochen. Innerhalb 24 Stunden wurden in Ägeri Wassermengen von 185 Millimetern gemessen. Der Gesamtschaden wurde auf drei Millionen Franken geschätzt, der Kanton beteiligte sich mit 200’000 Franken daran (zentralplus berichtete).

Neuägeri nach dem verheerenden Unwetter 1934. Auch im Kantonsrat war das Unglück Thema. 200’000 Franken sprach dieser für den Wiederaufbau. (Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Unbekannt / Ans_05144-01-016-AL / Public Domain Mark)

Mit dem Velo und wollenen Unterhosen über den See

Bei einem Wetterphänomen, das wohl warme Kleider verlangte, doch nicht weiter dramatisch war, verwandelte sich Zug im Winter 1963 für kurze Zeit in ein Volksfest. Über Wochen blieben die Temperaturen weit unter der Nullmarke, sodass der Zugersee während kurzer Zeit gänzlich gefroren war. Während der Seegfrörni trieb es jeden hinaus aufs Eis. Wenn nicht mit Schlittschuhen, dann zu Fuss oder mit dem Velo (zentralplus berichtete).

Nicht über Wasser halten konnte sich Oberägeri im Sommer 1976. Das Dorf stand nach wolkenbruchartigen Gewittern bis zu einem halben Meter unter Wasser. 171 Millimeter Wasser fielen innert 24 Stunden.

Nicht das Wasser, sondern der Wind wurde kurz vor der Jahrtausendwende das Problem. Das nicht nur in Zug, sondern auch in den umliegenden Ländern. Über hundert Menschen verloren ihr Leben aufgrund des Orkans Lothar. Im Kanton Zug knickte der Sturm 120’000 Kubikmeter Wald, was wiederum drei durchschnittlichen Jahresnutzungen entsprach.

Zug liegt am stürmischen Meer. Jedenfalls schien es so während des Sturms Lothar 1999. (Bild: Andreas Busslinger)

2021: Ein fieser Sommer

Nicht nur das Ägerital, auch die Stadt Zug kennt das Thema Hochwasser. Vor zwei Jahren ereigneten sich im Abstand von nur wenigen Tagen zwei zünftige Hagelstürme. Am 21. Juni regnete es derart stark innert weniger Zeit, dass Unterführungen geflutet wurden und Autos steckenblieben. Auch der Bahnhof Zug stand kurzzeitig unter Wasser. Ebenso der Freiruum (zentralplus berichtete).

Am 28. Juni folgte der nächste Sturm, der mit grosser Kraft und noch grösseren Hagelkörnern wütete, sodass gar zwei Menschen verletzt wurden. An diesem Tag waren im Kanton Zug insbesondere die Gemeinden Cham, Steinhausen und Baar betroffen (zentralplus berichtete).

Die Hagelkörner waren bis zu sechs Zentimeter gross. (Bild: Zuger Polizei)

Und wieder einige Tage später beschloss das Wetter, nicht mehr aufhören zu wollen mit dem Regen. Dies wiederum führte dazu, dass Bäche und Seen über die Ufer traten. Die Seestrasse entlang des Ägerisees war zeitweise nur beschränkt befahrbar, Parks entlang der Seen waren teils unter Wasser.

Man befürchtete, dass der Reussdamm in Hünenberg brechen könnte und das umliegende Land von der Reuss geflutet würde. Der Damm wurde entsprechend verstärkt, Anwohner wurden auf eine mögliche Evakuation vorbereitet.

Möge das Wetter heuer gnädig mit uns sein. Trotz den anstehenden Festivitäten. Zwar steht in Zug kein eidgenössisches Schützenfest an, jedoch ein Jodlerfest, bei dem es bestimmt frivol und lustig zugehen wird.

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8 Kommentare
  • Profilfoto von C. Bucher
    C. Bucher, 13.06.2023, 14:25 Uhr

    Früher die Ausnahme, heute die Regel.

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    • Profilfoto von LD
      LD, 06.08.2023, 21:11 Uhr

      Ist Ihnen bewusst, dass es im Mittelalter wesentlich wärmer war mit hohen Ernten, die Menschen weniger arbeiten mussten,  in England erfolgreich Wein angebaut wurde? Mit dem Mounder Mininum wird kälter, nehmen die Sonnenflecken zu, wird’s wärmer. Die Menge an CO² geht der Temperatur rund 800 Jahre hinterher und nicht umgekehrt! Wer glaubt, dass CO² ein Klimagas ist, hat keine Ahnung von Physik und klebt an den Narrativen der Klimahysterikern.

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    Franz, 13.06.2023, 12:04 Uhr

    Frei nach einer Wirtshausweisheit: Irgendwo spinnts immer. War so, ist so, bleibt so.

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  • Profilfoto von Martin May
    Martin May, 13.06.2023, 10:05 Uhr

    Damals war Gott der Schuldige,heute ist es die Klima Hype was ist morgen wohl schuld?

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 13.06.2023, 12:14 Uhr

      Diejenigen, die aktuell gerade gehypt werden. Aus Gründen des Geschlechtes, der Hautfarbe, der sexuellen Vorlieben, der angepassten Sprache, des Essverhaltens oder anderer imaginärer Benachteiligungen. Wir werden sehen.

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      • Profilfoto von C. Bucher
        C. Bucher, 13.06.2023, 14:27 Uhr

        Ich finde es nicht okay, wie Sie hier kommentieren. Ihr Kommentar hat auch nichts mit dem Thema des Artikels zu tun.

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        • Profilfoto von Ruedi Rüssel
          Ruedi Rüssel, 13.06.2023, 15:07 Uhr

          Peter Bitterli’s Kommentare haben sehr selten was mit dem Thema zu tun. Aber Hauptsache er kann jeweils sein Senf dazu geben….

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 13.06.2023, 08:29 Uhr

    1874 nennt man es die Strafe Gottes.
    2023 nennt man es „Klimawandel“.
    Die Rhetorik bleibt sich gleich, und menschengemacht ist das Unheil allemal:
    „Die warnende Stimme Gottes [der Mutter Natur], der die in eitlem Hochmuth und Sinnenlust [Konsum] dahintaumelnden Menschen die Kraft und die Macht desjenigen fühlen lassen wollte, gegen den alle Macht der Menschenwerke […] zu Schaden werden sollten.»
    Charmant die zwei Aperçus, dass es ein Journalist ist, der hier apokalyptisch auf die Pauke haut, und dass er „alle Berechnungen der ‹Wissenschaft›“ für obsolet erklärt, was ja bei der drittmittelfinanzierten Aktivisten-Wissenschaft der heutigen computergestützten Kaffeesatzleserei genauso der Fall ist.
    Nur fallen eben heute Apokalyptiker und Wissenschaftler in eins.

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