Sommergefühle in Luzern und Zug

Will es denn gar nicht mehr Herbst werden?

Prächtiges Wanderwetter im Entlebuch – seit Wochen. (Bild: ewi)

Eine Schönwetterperiode liegt über der Schweiz, ihr Ende ist kaum absehbar. In Luzern und Zug freuen sich aber nicht alle über das Prachtwetter.

Baden im Oktober. Das ist dieses Jahr kein Hobby für all jene Hartgesottenen, die Freude darin finden, sich wie ein Pinguin in eiskalte Gewässer zu stürzen. Nein, baden im Fluss oder im See ist in diesem Herbst völlig normal.

Wohlige 18,5 Grad beträgt die Wassertemperatur im Vierwaldstättersee Anfang Oktober. Das ist fast 4 Grad wärmer als im langjährigen Durchschnitt. Perfekte Bedingungen für Warmduscher.

Die aktuelle Schönwetterperiode in der Schweiz ist auffällig. Seit Wochen strahlt die Sonne, es ist warm, und der letzte Regen ist gefühlt drei Monate her. Doch nicht nur das Gefühl lässt vermuten, dass es meteorologisch bisher ein aussergewöhnlicher Herbst war (zentralplus berichtete). Auch die Zahlen unterstreichen das. Der September war schlichtweg ein Monat der Wetterrekorde.

Rekordwetter zieht Wanderfreunde in die Berge

Die Wetterstation in Luzern registrierte im September die wärmste 14-Tages-Periode seit Messbeginn. In Luzern war es im September 3,8 Grad wärmer als im langjährigen Mittel. In der über 100-jährigen Messreihe von Luzern war es der sonnigste September seit Messbeginn. Und wer auf einen herbstlichen Oktober hoffte, wurde bislang enttäuscht.

«Die 27 Grad stellen für Luzern einen neuen Oktoberrekord dar.»

Thomas Schlegel, Meteorologe Meteoschweiz

«Die ausgesprochen warme Wetterphase fand bisher auch im Oktober ihre Fortsetzung», sagt Meteorologe Thomas Schlegel von Meteoschweiz auf Anfrage von zentralplus. Und nicht nur das: Im Oktober kamen weitere Rekorde hinzu. Am 3. Oktober wurde es in Luzern 27 Grad warm. Das sei «sehr aussergewöhnlich», stellt Schlegel fest. «Die 27 Grad stellen für Luzern einen neuen Oktoberrekord dar.»

Die Sonnenanbeterinnen unter uns geraten angesichts dieser Wetterdaten ins Frohlocken. Und so mancher Freizeitbetrieb ebenso. Bei den Bergbahnen etwa klingeln diese Tage die Kassen. Es herrscht perfektes Wanderwetter, und viele zieht es in die Berge, um dem Schweizer Volkssport Nummer eins zu frönen. Ausflügler berichten gegenüber zentralplus etwa von Wartezeiten von über einer Stunde bei der Talstation der Luftseilbahn Niederbauen. Ähnliches wurde bei der Talstation der Stoosbahnen beobachtet, wo Wanderfreunde sich gegenseitig auf den Füssen standen.

Nach rund einer Stunde Wartezeit an der Talstation der Seilbahn herrscht auf dem Gipfel des Oberbauenstocks weniger Dichtestress. (Bild: zvg)

Lange Schlangen vor den Gelaterias

Doch auch wer im Tal bleibt, wird von langen Warteschlangen nicht verschont – zum Beispiel vor der Speck-Gelateria am Zugersee. Auf die maximalen Wartezeiten angesprochen, meint Geschäftsführer Walter Speck zwar: «Wir sind mit Schöpfen beschäftigt, wenn der Andrang gross ist, und haben keine Zeit für solche Messungen.» Doch ein Blick zur Kulteisdiele Gelateria di Berna in Bern zeigte, dass man sich dort zeitweise über dreissig Minuten gedulden musste, ehe man Himbeer-Ingwer- und Heiti-Glace zu schlecken bekam.

«Den Oktober wage ich noch nicht zu beurteilen. Nach acht Tagen sieht der Umsatz gut aus.»

Walter Speck, Geschäftsführer Confiserie Speck

Trotz Prachtwetter gibt sich Speck zurückhaltend, was das Herbstgeschäft betrifft. Das Geschäft sei extremen Schwankungen unterworfen. Dieses Jahr war der Umsatz im September rund 30 Prozent höher als im Vorjahresmonat – aber gleich hoch wie vor zwei Jahren. «Den Oktober wage ich noch nicht zu beurteilen. Nach acht Tagen sieht der Umsatz gut aus», so Speck. «Aber vielleicht haben wir dann Ende Monat eine Woche geschlossen, wegen Dauerregen, dann gleicht sich das wieder aus.»

Herbst ist es zwar noch nicht – aber Vermicelles gehen immer. (Bild: zvg)

Ruhige Zeiten für Museen

Anders als bei den Bergbahnen und den Gelaterias ist bei den Museen kein Sturm der Begeisterung wegen des Wetters zu erwarten. So antwortet Verkehrshaus-Sprecherin Beatrice Rüttimann denn auch nüchtern auf die Frage nach dem bisherigen Herbstgeschäft: «Wir sind trotz des schönen Herbstwetters in den vergangenen Wochen mit unseren Besucherzahlen zufrieden.» Die aktuellen Zahlen seien vergleichbar mit den präpandemischen Besucherinnenzahlen.

«Man sieht aktuell viele Bienen, Hummeln und Schmetterlinge, welche nach Nektar suchen, jedoch kaum noch blühende Pflanzen finden.»

Miriam Peretti, Pro Natura Luzern

«Das Wetter ist sicherlich ein relevanter Faktor für die Eintritte», räumt Rüttimann ein. Das grösste Museum der Schweiz hat darum in den letzten Jahren an einem wetterunabhängigen Angebot getüftelt. Dazu gehöre etwa der grosse Freiluftbereich mit Spielmöglichkeiten für Kinder. «Dies trägt dazu bei, dass unsere Besuchenden auch bei schönem Wetter auf ihre Kosten kommen.»

Die Tiere sind verwirrt

Die Freude über das schöne Herbstwetter hält sich im Reich der Tiere am meisten in Grenzen. Unser Mitleid gilt dieser Tage aber nicht den knuffigen Säugetieren wie dem Murmeltier oder dem Siebenschläfer, die sich auf den Winterschlaf vorbereiten. Denn ihr Biorhythmus richtet sich nach der Tageslänge und nicht nach der Temperatur, erklärt Miriam Peretti von Pro Natura Luzern. Die Tiere werden ihren Winterschlaf also nicht verpassen.

«Letzte Woche kam es bereits zu einer Abfischung aufgrund der Trockenheit im Gebiet Horw.»

Sybille Roos, Fischereiaufseherin Kanton Luzern

Kritisch ist die Situation jedoch für Insekten, Vögel und Fische. Denn Insekten orientieren sich nur an der Temperatur. «So sieht man zum Beispiel aktuell viele Bienen, Hummeln und Schmetterlinge, welche nach Nektar suchen, jedoch teilweise kaum noch blühende Pflanzen finden. Dies führt zu einem grossen Energieverlust.» Erfolglose Nahrungssuche – hier kann wohl jeder nachvollziehen, wie frustrierend das sein muss.

Auch für die Vögel ist das aktuelle Wetter verwirrend. «Bei Vögeln kann das warme Herbstwetter dazu führen, dass sie eine Zugfaulheit entwickeln», so Peretti. Der Rotmilan oder auch der Weissstorch verbringen den Winter vermehrt in der Schweiz, anstatt sich auf die lange Reise in Richtung Spanien und Portugal zu machen. Für diese Vögel kann das aber sogar von Vorteil sein, weil sie dadurch viel Energie sparen.

Fische in Horw mussten gerettet werden

Den hohen Temperaturen und der Trockenheit sind die Fische am stärksten ausgeliefert (zentralplus berichtete). «Die meisten Gewässer führen deutlich weniger Wasser als durchschnittlich im Herbst», schreibt Sybille Roos, Fischereiaufseherin im Kanton Luzern. «Letzte Woche kam es auch bereits zu einer Abfischung aufgrund der Trockenheit im Gebiet Horw.»

Auch die Wassertemperatur ist wie eingangs erwähnt überdurchschnittlich hoch. Das macht den Fischen jedoch weniger zu schaffen, da sich die Gewässer tagsüber aufgrund der kürzeren Sonnenscheindauer nicht mehr so stark erhitzen wie im Sommer. Für Fische ist es unter diesen Umständen wichtig, dass sie Rückzugsmöglichkeiten finden, wo das Wasser tiefer und somit kühler – oder gut beschattet ist. Langfristig bringt jedoch nur ein Wetterumschwung Entspannung.

Dieser erfolgt gemäss Prognosen am kommenden Wochenende. Langfristig gehen die Klimamodelle jedoch davon aus, dass die Herbstmonate in der Schweiz wärmer werden. Ob es gleichzeitig auch trockener wird, ist gemäss Meteorologe Thomas Schlegel noch nicht erkennbar.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Thomas Schlegel, Miriam Peretti, Sybille Roos, Walter Speck, Beatrice Rüttimann
  • Wetter- und Klimadaten der Messstationen von Luzern
  • Daten zur Wassertemperatur im Vierwaldstättersee
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 10.10.2023, 08:30 Uhr

    Wer um Himmels oder des Planeten B Willen hofft denn „auf einen herbstlichen Oktober“ und ist nun „enttäuscht“? Ein paar junge Grüne? Ihnen zum Trost sei gesagt, dass auch die spätpubertäre Phase schwarzer Kleidung und depressiver Verstimmungen irgendeinmal vorbei geht. Sogar Herr Knuttli dürfte sich freuen, bekommt er doch mit jedem Temperaturereignis „über dem langjährigen Mittel“ einen hochleistungsfähigen Computer und ein paar Mitarbeiterinnen mehr bewilligt. Freude herrscht sogar bei den energiesparenden Vögeln.
    Nun fliegt uns ja möglicherweise in absehbarer Zeit der Vesuv um die Ohren, worauf wir uns weltweit wieder wärmer anziehen müssen, und die „Klimakatastrophe“ sich dorthin verlagert, wo sie immer schon hingehörte, nämlich zu den Kaltzeiten, die stets die grossen Menschheitskatastrophen mit sich brachten.
    Dann werden die Vögtlis alle ein Studium der Vulkanologie oder Seismik beginnen. Die Knuttlis können ihre Computermodelle auf Vulkaneruptionsprognosen umwidmen, und eine Metastudie, die gemäss dem neuen wissenschaftlichen Dogma von der demokratischen Meinungsbildung in den Wissenschaften einen Konsens von 97% für Gottlosigkeit als Hauptursache von Vulkanausbrüchen herausarbeitet, wird sich wohl auch zusammenstiefeln lassen.

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    • Profilfoto von Markus Rotzbeutel
      Markus Rotzbeutel, 10.10.2023, 16:40 Uhr

      Die Schwurbler haben also auch diesen Artikel gefunden.

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      • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
        Marie-Françoise Arouet, 10.10.2023, 17:23 Uhr

        Das Argument haut hin! Danke, ich fühle mich belehrt, umgewandelt, wie neu geboren.

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