Historisches Süssgebäck zur Herbstzeit

Luzerner Lebkuchen: Kulinarische Legende und Aphrodisiakum

Mit dem Herbst wird es auch wieder Zeit für Luzerner Lebkuchen. (Bild: cbu)

Ob an der Määs oder in der Auslage der Bäckereien: Lebkuchen sind derzeit in Luzern in aller Munde – buchstäblich. Doch woher kommt der Ur-Lozärner Lebkuchen eigentlich? Und warum war er dem damaligen Luzerner Rat ein Dorn im Auge – und teilweise gar verboten?

«Knusper, knusper knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?», säuselte die Hexe im weltbekannten Märchen von Hänsel und Gretel. Ihr «Häuschen» – ein aus architektonischer wie auch aus sicherheitstechnischer und hygienischer Sicht höchst fragwürdiges Konstrukt – besteht aus Zuckerguss, allerhand essbarer Dekoration und natürlich Lebkuchen.

Während besagte Hexe den Lebkuchen genutzt hat, um zwei Kinder in den Backofen zu locken, ist das süsse Gebäck heute positiver konnotiert. Ob gegenwärtig an der Määs oder in den Auslagen der Bäckereien und Detailhändler – Lebkuchen ist in Luzern derzeit überall zu finden.

Der lange Weg des Lebkuchens nach Luzern

Der Ursprung und die Geschichte des Lebkuchens reicht bis in die Antike und in den Orient, wo Brote mit Honig bestrichen und gebacken wurden. Im Mittelalter fasste der Lebkuchen auch in Europa Fuss und wurde vor allem in Klöstern hergestellt, die eng mit dem Gewürzhandel verbandelt waren.

Heute verbindet man das Gebäck in Europa vor allem mit dem Herbst und der Weihnachtszeit. Sei es in Form von Pfefferkuchenmännchen, Elisen oder eben Lebkuchenhäuschen. Ob gefüllt oder ungefüllt – die Variationen sind zahlreich. Weitherum gilt die deutsche Stadt Nürnburg als Lebkuchenhochburg, aber auch die Schweiz hat eine eigene Lebkuchentradition. Und der Kanton Luzern im Besonderen.

Lebkuchen als Aphrodisiakum? Der Luzerner Rat greift ein

Denn aus Luzern stammt eines der ältesten Lebkuchenrezepte überhaupt. Gemäss dem «Kulinarischen Erbe der Schweiz» stammt es aus dem Jahre 1583 und zeigt damit, wie lange die Tradition in unseren Gefilden zurückreicht. Veröffentlicht wurde das Rezept damals als Massnahme des Luzerner Rats. Denn dieser stellte scheinbar Unregelmässigkeiten in der Herstellung seitens der gewerblich organisierten Lebküchler fest. Der Rat forderte daraufhin ein Standardrezept, an das sich die Bäcker gefälligst zu halten hatten.

Wenige Jahre später beschäftigte sich der Luzerner Rat erneut mit dem süssen Gebäck. Während heute prollige Asi-Musik, Alkohol und eine Übersexualisierung als Ursachen für eine verrohte Jugend angesehen werden, erachtete man zu Beginn der Neuzeit einen übermässigen Konsum von Lebkuchen als schädlich. Darum verbot der Luzerner Rat 1591 den Verkauf von Lebkuchen vor dem Spital und anderen Orten in der Stadt. Weil ein zu hoher Konsum nicht nur schädlich sei, sondern auch, weil er angeblich das Blut in Wallung brachte und die Jugend aufs Höchste verderben könnte (zentralplus berichtete).

Den Reiz des Lebkuchens fing die Luzerner Fotografin Lisa Meyerlist in einer Fotoserie um 1965 auf der Chilbi «Unter der Egg» ein. (Bild: Lisa Meyerlist; Staatsarchiv Luzern FDC 102/3994.30)

Birnensaft und Rahm landen im Teig

Wie so vieles in Luzern hat sich auch der Lebkuchen im Laufe der Jahre geändert. Wurde er im 16. Jahrhundert noch relativ klassisch aus Honig, Mehl und Gewürzen wie Pfeffer, Ingwer und Nägeli zusammengemischt und für vier Schilling pro Pfund verkauft, ist der heutige Luzerner Lebkuchen in seiner Rezeptur ein Unikat. Statt Bienenhonig setzen Luzerner Bäckermeister nämlich auf Birnenhonig und fügen dem Teig ausserdem Rahm hinzu.

Diese beiden Zutaten, die den traditionellen «Lozärner Läbchueche» ausmachen, tauchten allerdings erst im frühen 20. Jahrhundert in den Rezeptbüchern auf – und zuerst in ländlichen Gegenden. «Der Ursprung des Lebkuchens ist auf den Birnenmost zurückzuführen», erklärt Juliane Bachmann von der Bäckerei Bachmann. Die Bauern im Hinterland hatten zu viel davon hergestellt und ihn deshalb zu Birnendicksaft eingekocht. «Die Bäuerinnen fingen an, diesen zu verbacken – bis daraus der Luzerner Lebkuchen entstanden ist.»

Bei der Bäckerei Bachmann, die ihren Ursprung im damals ländlichen Sursee hat, werden die Luzerner Lebkuchen seit 1936 nach einem eigenen Hausrezept hergestellt. Dieses werde gemäss Juliane Bachmann von Generation zu Generation weitergereicht.

Jede Backstube hat ein eigenes Rezept

Da es für den gegenwärtigen Luzerner Lebkuchen kein offizielles Rezept gibt – weil sich die heutige Luzerner Regierung wohl mit wichtigeren Themen beschäftigt –, setzen Betriebe alle auf eigene Rezepte und Gewürzmischungen. Darum stehen in Grossmutters urähnigem Kochbuch andere Zutaten- und Mengenangaben als etwa im neuzeitlichen Betty-Bossi-Rezept.

«Der Luzerner Lebkuchen hat einen sehr grossen Stellenwert in unserem Betrieb.»

Hans Heini, Konditorei Heini

Auch in seiner Optik hebt sich der «Lozärner Läbchueche» von restlichen Lebkuchen ab. Statt flach und eher hart, wie er beispielsweise in Deutschland bekannt ist, zeichnet sich das Luzerner Pendant durch seine runde Form und kuchenartige Konsistenz aus. Luzerner Bäckereien legen Wert darauf, dass ihre Lebkuchen weich und innen noch feucht sind.

Ein Lebkuchen zu jeder Jahreszeit

Warum sich genau diese Lebkuchenart in Luzern durchgesetzt hat, ist unklar. Fakt ist, dass er heute aus den örtlichen Bäckereien nicht mehr wegzudenken ist – und darum auch in vielen Betrieben das ganze Jahr über erhältlich ist. «Der Luzerner Lebkuchen hat einen sehr grossen Stellenwert in unserem Betrieb», schreibt etwa Hans Heini von der Konditorei Heini.

Auch bei der Confiserie Bachmann hat das Gebäck «einen Ehrenplatz behalten». In Sursee, beim Café Koller, kann man den Luzerner Lebkuchen ebenfalls das ganze Jahr über kaufen. Weil er ein traditionelles Produkt ist, das sich stark von anderen Lebkuchenarten unterscheidet, wie Geschäftsführer David Koller schreibt. Im Schnitt produziert der Familienbetrieb durchschnittlich um die 150 Lebkuchen pro Woche. «Im Frühling und Sommer eher weniger, dafür im Herbst und über die Chilbizeit deutlich mehr.»

In der Stadt Luzern ist die Nachfrage höher – und damit auch die Produktionsmenge. Die Heini Conditorei backt in der Saison von Oktober bis Ende Jahr an die 600 Lebkuchen pro Woche. In der restlichen Zeit von Januar bis September sind es mit rund 350 pro Woche immerhin noch mehr als die Hälfte dieser Menge – und genug, um selbst Hänsel und Gretel mit jämmerlichsten Magenschmerzen in die Knie zu zwingen. Die Confiserie Bachmann nennt zwar keine konkreten Zahlen, weist aber darauf hin, dass täglich Lebkuchen produziert werden und dass sie neben den Luzerner Birnenweggen zu den erfolgreichsten Gebäcken des Betriebs zählen.

Über den Ursprung des Namens «Lebkuchen» herrscht übrigens bis heute noch Uneinigkeit. Während einige Sprachwissenschaftler den Namen auf das lateinische Wort «libum» zurückführen, was so viel wie «Opferkuchen» bedeutet, vermuten andere den Ursprung vom Begriff «Laib», der schon früh für Backwaren verwendet wurde.

«Niidle», Butter oder gar nix?

Und nun zur Kardinalsfrage, an der sich so viele Geister scheiden: Wird der Luzerner Lebkuchen mit Butter oder Schlagrahm gegessen? Oder gar «lötig», ohne etwas? Genau so unterschiedlich wie die Meinungen der Bevölkerung ausfallen tönt es auch aus den Luzerner Konditorstuben.

Hans Heini von der Heini Conditorei hat eine klare Antwort. «Am Vormittag mit Butter, am Nachmittag mit Rahm. So mach ich es.» David Koller vom Café Koller in Sursee mag seinen Lebkuchen am liebsten «ohne nichts» oder aber mit geschlagenem Rahm. «Butter kenne ich nicht auf dem Lebkuchen.» Und Juliane Bachmann fragt: «Braucht es zu unserem feinen Lebkuchen überhaupt eine Beilage?»

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Juliane Bachmann, Geschäftsführung Bachmann
  • Artikel von «Kulinarisches Erbe der Schweiz»
  • Schriftlicher Austausch mit Hans Heini, Heini Conditorei
  • Lebkuchenrezept von Betty Bossi
  • Schriftlicher Austausch mit David Koller, Café Koller
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Margrit Wenger
    Margrit Wenger, 10.10.2023, 18:23 Uhr

    Mein Luzerner Lebkuchen ist mit Rahm und Natur Jogurt

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