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Luzern die Pfefferstadt

Den Reiz des Lebkuchens fing die Luzerner Fotografin Lisa Meyerlist in einer Fotoserie um 1965 auf der Chilbi «Unter der Egg» ein. (Bild: Lisa Meyerlist; Staatsarchiv Luzern FDC 102/3994.30)

Pfeffer – die Frucht einer unscheinbaren Kletterpflanze aus Südasien – bestückt heute jeden Gewürzschrank und verleiht Parfums eine herbe Note. Für Luzern ist das Gewürz in vielerlei Hinsicht von historischer Wichtigkeit und Bedeutung.

Pfeffer – die Frucht einer unscheinbaren Kletterpflanze aus Südasien – bestückt heute jeden Gewürzschrank. Parfums verleiht er eine herbe Note. Im mittelalterlichen Europa war Pfeffer noch ein Luxusprodukt erster Güte. Das scharfe Pulver eignete sich unter anderem gut, Geruch und Geschmack von abgestandenem Fleisch zu überdecken. Auch in der Geschichte Luzerns spielte das Korn eine besondere Rolle. 

Gefährlicher Pfeffer

Im 19. Jahrhundert erhielt Pfeffer in der Stadt Luzern eine politische Bedeutung. In der Zeit der Freischarenzüge von 1844 und 1845 lehnte sich eine Gruppe politisch engagierter Frauen aus liberalen Kreisen gegen die Regierung auf. Die Liberalen und die regierenden Katholisch-Konservativen standen sich schon seit einiger Zeit unversöhnlich gegenüber. Mit der Berufung der Jesuiten als Lehrer der Höheren Lehranstalt in Luzern im Jahr 1844 brach der Konflikt auf. Für die liberale Seite war dieser Schritt ein Zeichen für die Fortschrittsfeindlichkeit der Regierung. Im ersten und zweiten Freischarenzug erhoben sich radikale Liberale schliesslich gegen die katholisch-konservative Seite. Die Regierungstruppen schlugen beide Züge nieder.

Die «Pfefferfrauen»

«Pfefferfrauen» – so nannten konservative Kreise die Gruppe engagierter Frauen despektierlich. Die Katholische Staatszeitung schrieb der Name rühre daher, dass die Frauen im zweiten Freischarenzug den regierungstreuen Soldaten eine Mischung aus Salz, Pfeffer und Asche in die Augen gestreut hätten. Mit abfälligen Äusserungen versuchten die Widerstreiter, der Frauengruppe und deren Familien zu schaden. Die Heftigkeit einiger Artikel aus der katholisch-konservativen Presse dieser Zeit zeigt, dass die Aktivitäten der Frauen als bedrohlich wahrgenommen wurden. Nicht zuletzt da sie traditionelle Rollenbilder ins Wanken brachten.

Zwar lassen sich nicht alle «Pfefferfrauen» eindeutig identifizieren, doch zählten Patrizierinnen wichtiger Luzerner Geschlechter, Wirtinnen, Goldschmiedinnen und Schneiderinnen zu ihnen. In einer aufsehenerregenden Protestaktion schwangen sie am 3. Mai 1845 auf der Galerie des Zur Gilgen-Hauses schwarze Tücher und Fahnen Richtung Schiffsteg beim heutigen Schwanenplatz. An diesem Tag verabschiedete die Regierung feierlich Zentralschweizer Truppen, die beim zweiten Freischarenzug zu Hilfe eilten und nun mit dem Schiff Richtung Schwyz abrückten. Die liberal gesinnten Frauen agierten auch im Hintergrund. Sie informierten die abwesenden Ehemänner über die neusten Entwicklungen in Luzern. Sie setzten sich für in Gefangenschaft genommene Mitstreiter ein und halfen Gleichgesinnten bei der Flucht vor dem Zugriff der Regierung. Die liberale Seite münzte in der Folgezeit die ursprünglich beleidigende Bezeichnung «Pfefferfrauen» mehr und mehr ins Positive um und Legenden begannen sich um die Gruppierung zu ranken.

Unwiderstehlicher Geruch

In ganz anderer Art und Weise geniesst der Pfeffer zusammen mit anderen Ingredienzien in Luzern eine bis heute anhaltende Popularität. Gemischt mit Zimt, Nelken, Muskatnuss, Kardamom und Ingwer dient Pfeffer als Grundlage eines der bekanntesten Gebäcke Luzerns: dem Lebkuchen. Honig verlieh dem Teig die nötige Süsse. Birnenhonig und Rahm kamen erst später dazu. Der Duft des Gebäcks ist den meisten wohlbekannt. Bereits in der Welt der Märchen lockte die Hexe einst Hänsel und Gretel mit dem Geruch des Pfefferkuchens zu sich.                                  

1591 war es den Bewohnern Luzerns untersagt, Lebkuchen vor dem Spital zu verkaufen. Die Gewürze würden die Gemüter in Wallung bringen.                          

Heute sind Mischung und Rezeptur des flachen Kuchens ein wohlgehütetes Geheimnis jeder Luzerner Bäckerei. Im 16. Jahrhundert hingegen schrieb der Luzerner Rat das Rezept genau vor, um die Lebkuchenherstellung zu vereinheitlichen. Mit Pfefferkuchen glaubte man, sich bei Fieber und Magenbeschwerden Linderung zu verschaffen. Eine zu hohe Dosierung bestimmter Gewürze galt jedoch als schädlich. 1591 war es Bewohnerinnen und Bewohnern Luzerns untersagt, Lebkuchen vor dem Spital zu verkaufen. Die Gewürze würden die Gemüter in Wallung bringen. Ob gerade deshalb Lebkuchen in Herzform besonders beliebt dafür sind, Liebesbotschaften zu übermitteln? Der Luzerner Rat fürchtete jedenfalls 1591 insbesondere um die Jugend. Er erachtete den Verzehr des Kuchens in Kombination mit Alkohol als besonders gefährlich.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war auch das Spielen und Losen um das süsse Gebäck untersagt. Die Obrigkeit überwachte das öffentliche Spiel mit Argusaugen. Sie sah Sitte und Moral durch die Spiele gefährdet. Weder um Geld noch um Lebkuchen durfte man zocken, da das Gebäck als Luxusgut galt. Allerdings gehörte das Losen um Lebkuchen fest zum Brauch der sogenannten «Kilbenen» und dort werden sie noch heute feilgeboten. Die Lebkuchen-Spiele sind jedoch verschwunden. Ihren Höhepunkt erreichen die Verkäufe heute in der kühlen Weihnachtszeit.

Passend zum Thema lädt der Verein Frauenstadtrundgang Luzern auf den Touren «Mit Pfeffer und Pfiff» und «Der Nase nach» zu historischen Spaziergängen durch die Stadt ein. Sie geben Einblick in die bewegte politische Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts und lassen in die bekannte und weniger bekannte Geruchswelt der Stadt eintauchen. Alle Informationen zu öffentlichen oder privaten Rundgängen finden Sie hier.

Autorin: Angela Müller

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Ob Hintergründe zu alten Gebäuden, Geschichten zu Plätzen, stadtbekannte Personen, bedeutende Ereignisse oder der Wandel von Stadtteilen – im «Damals»-Blog werden historische Veränderungen und Gegebenheiten thematisiert.
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