Der Nachholbedarf ist gross

Preisgünstiges Wohnen: Machen Zuger Gemeinden genug?

Die Gemeinde Baar überlegt sich, ein gesetzliches Mindestmass an preisgünstigem Wohnraum zu definieren. Im Bild: Jost Arnold, im Hintergrund die geplante Spinni-Überbauung. (Bild: zvg)

Im Kanton Zug eine günstige Wohnung zu finden, ist über die offiziellen Kanäle fast unmöglich, derart begehrt sind die Angebote. Viele private Investoren haben jedoch wenig Interesse, preisgünstigen Wohnraum zu erstellen.

In Baar wird in den kommenden Jahren ein grosses Bauprojekt auf dem «Spinni-Areal» umgesetzt (zentralplus berichtete). Im neuen Quartier an der Lorze sollen neben Büros und einem Hotel auch 370 Wohnungen entstehen. Um das Grossprojekt umzusetzen, bedarf es einer Teilrevision des Zonenplans und eines Bebauungsplans. Aus diesem Grund stimmt die Bevölkerung im kommenden Jahr über das Projekt ab.

Gemäss den Plänen der Grundeigentümerin, der Patrimonium Asset Management AG, sollen gerade mal auf knapp 18 Prozent der Wohnfläche preisgünstige Wohnungen realisiert werden. Dass die private Bauherrschaft nicht sonderlich daran interessiert ist, günstige Mieten zu verrechnen, liegt auf der Hand. Umso mehr müsste die Gemeinde dafür sorgen, dass gerade bei Neubauten, genügend günstiger Wohnraum einberechnet wird.

In Inwil sind 30 Prozent günstige Wohnungen geplant

Auf Anfrage von zentralplus weist der Baarer Bauchef Jost Arnold darauf hin, dass derzeit in Baar andere Projekte in Planung seien, bei denen der Prozentsatz kostengünstiger Wohnungen höher liege. So etwa beim Ersatzprojekt der Scheibenhochhäuser in Inwil. Dort sind rund 30 Prozent preisgünstige Wohnungen geplant.

Im Unterfeld Süd, wo eine Wohnfläche von insgesamt 45'000 Quadratmetern geplant sei, umfasse der preisgünstige Wohnraum 10'000 Quadratmeter, so der Gemeinderat. Dies entspreche 22 Prozent der gesamten Wohnfläche.

«Die Gemeinde Baar prüft im Rahmen der aktuellen Ortsplanungsrevision die Einführung einer Bestimmung für den preisgünstigen Wohnraum.»

Jost Arnold, Baarer Bauchef

Auf kantonaler und kommunaler Stufe gibt es bis dato keine Gesetzgebung, welche der Anteil von preisgünstigem Wohnraum regelt, der bei Bebauungsplänen eingefordert werden darf.

Arnold dazu: «Die Gemeinde Baar prüft im Rahmen der aktuellen Ortsplanungsrevision die Einführung einer solchen Bestimmung.» Damit würde festgelegt werden, dass ein gewisser Prozentsatz der durch einen Bebauungsplan erzielten Mehrausnützung zwingend für preisgünstigen Wohnraum eingesetzt werden müsste.

Gemeinderat findet, Alterswohnungen seien ebenfalls nötig

Bei den nun laufenden Projekten wie Spinnerei, Unterfeld oder Ersatz Scheibenhochhäuser Inwil sei der Umfang an preisgünstigem Wohnraum zwischen der Gemeinde und den Eigentümerschaften verhandelt worden, wie Jost Arnold erklärt. «Hierzu gilt es zu sagen, dass die Gemeinde Baar neben dem preisgünstigen Wohnraum in der Spinnerei auch dringend benötigte Alterswohnungen im Bebauungsplan sichern konnte.»

Tatsächlich sind auf dem Spinni-Areal 6500 Quadratmeter für Alterswohnungen vorgesehen, also 1000 Quadratmeter mehr als für herkömmliche kostengünstige Wohnungen. Es stellt sich die Frage, ob ältere Menschen nicht auch günstigen Wohnraum bräuchten.

Beim Ersatzprojekt Scheibenhochhäuser Inwil sei der Anteil preisgünstiger Wohnungen höher, da sich die Eigentümerschaft bewusst sei, dass mit dem Abbruch der heutigen vier Gebäude viele günstige Wohnungen verloren gehen. «Das möchte die Eigentümerschaft mit einem hohen Anteil an preisgünstigem Wohnraum kompensieren», so der Bauchef.

Wenig eigene Liegenschaften werden günstig vermietet

Die Gemeinde Baar selbst verfügt nur über wenige eigene Liegenschaften, welche kostengünstig vermietet werden. Diese würden zum Teil als Notwohnungen benutzt. Hingegen gebe es mehrere gemeindeeigene Grundstücke, welche im Baurecht an Wohnbaugenossenschaften abgegeben wurden, um preisgünstigen Wohnraum zu realisieren. So etwa bei der Sagenbrugg an der Schutzengelstrasse, oder aber am Sonnenweg 17, wo heute 26 Alterswohnungen stehen.

In Zug existieren Zonen für preisgünstigen Wohnungsbau

Andere Gemeinden, andere Sitten. In der Stadt Zug wurden beispielsweise Ende der Nullerjahre Zonen für preisgünstigen Wohnungsbau ausgeschieden. Das betrifft demnach die Bebauungspläne Lüssi Göbli, «im Rank» sowie die Arealbebauung der Barmherzigen Brüder in Oberwil. Dort liegt der Mindestanteil an kostengünstigen Wohnungen bei 50 Prozent.

Der Zuger Stadtplaner Harald Klein dazu: «Bei Bebauungsplänen in den übrigen Zonen der Stadt Zug fordert der Stadtrat einen Anteil von 20 Prozent der Mehrausnutzung gegenüber der Regelbauweise für den preisgünstigen Wohnungsbau ein.»

Als Beispiel: Wenn mit der Regelbauweise 40 Wohnungen möglich sind, mit einem Bebauungsplan jedoch 50, dann müssen zwei der zusätzlichen zehn Wohnungen preisgünstig sein.

Zum Vergleich: Die Stadt Zürich will künftig private und öffentliche Bauherrschaften dazu verpflichten, 50 Prozent der entstehenden Ausnützungsmöglichkeiten dem preisgünstigen Wohnen zu widmen.

V-Zug-Projekt Pi wird vergleichsweise sozialverträglich

Es kommt vor, dass die Bauherrschaft freiwillig einen höheren Anteil an preisgünstigem Wohnraum realisiert. So etwa im Bebauungsplan Hertizentrum oder im Bebauungsplan Geviert GIBZ.

Beim letzteren werden im Hochhaus Pi, welches maximal 22'500 Quadratmeter anrechenbare Geschossfläche aufweisen wird, mindestens 9’950 Quadratmeter preisgünstige Wohnflächen angeboten. «Die Hälfte davon entspricht den 20 Prozent der Mehrausnutzung des Bebauungsplans, die andere Hälfte stammt aus dem Vertrag der Stadt Zug mit der V-Zug betreffend Bebauungsplan Technologiecluster», so Klein.

Für Cham ein «wichtiges Anliegen»

Ab nach Cham: Dem Chamer Gemeinderat sei der Ausbau von bezahlbarem Wohnraum ein wichtiges Anliegen, heisst es dort auf Anfrage. Entsprechend fliesse das Thema in verschiedenen Strategien und Leitdokumente ein.

Dennoch gibt es bislang keine fixe Regelung über einen Mindest-Prozentsatz an preisgünstigem Wohnraum bei Bebauungsplänen. Doch wie in Baar sei im Rahmen der Ortsplanungsrevision ein Pflichtanteil im Rahmen eines ordentlichen Bebauungsplans vorgesehen. Dieser ist in Cham schon konkret: Er soll bei mindestens 25 Prozent liegen, wie Bauchef Rolf Ineichen erläutert.

Weiter plant die Gemeinde einen Ausnützungsbonus von maximal 20 Prozent in einigen Wohn- und Arbeitszonen, sofern dort zusätzlicher preisgünstiger Wohnraum realisiert werde.

So sieht das Papieri-Areal ungefähr aus. (Bild: zvg)

Zehn Prozent günstiger Wohnraum in der Papieri

Im neuen Papieri-Areal, dessen erste Etappe bereits realisiert ist, werden gemäss städtebaulichem Rahmenvertrag 100 preisgünstige Wohnungen gefordert. Insgesamt sind auf dem Gelände 1000 Wohnungen geplant. Macht also gerade mal 10 Prozent preisgünstiger Wohnraum.

Rolf Ineichen relativiert: «Durch den Grundsatzentscheid des Gemeinderats, dass im Rahmen der Ortsplanungsrevision nur noch Land für preisgünstige Wohnungen eingezont wird, kann die Gemeinde Cham den Grundstein legen, dass in Zukunft auf weiteren Arealen eine namhafte Anzahl preisgünstiger Wohnungen entsteht.» Beispielsweise werde mit der Einzonung des Gebiets Spiess eine gut erschlossene und zentral gelegene Siedlungslücke geschlossen und die Entwicklung von preisgünstigen Wohnungen gefördert.

Günstiger Wohnraum ist und bleibt ein Problem in Zug

Trotz halb- und ganzherziger Bemühungen, preisgünstigen Wohnraum zu generieren, bleibt das Thema für den Kanton Zug ein kritisches. So ist es etwa löblich, dass die V-Zug künftig 30 Prozent preisgünstigen Wohnraum bei den Scheibenhäusern in Inwil plant. Nur: Die 216 Mietparteien, die heute dort wohnen, leben allesamt, zu 100 Prozent, in preisgünstigen Wohnungen. Zwar entstehen mehr Wohnungen als bisher, dennoch wird die Zahl der günstigen Wohnungen faktisch verringert. Auch andernorts muss preisgünstiger Wohnraum zuerst abgerissen werden, um neuen zu generieren.

Die Mieten im Kanton Zug sind und bleiben die höchsten im schweizweiten Vergleich. Es ist nicht ungewöhnlich, dass insbesondere Familien aus Zug wegziehen, weil sie sich die Kosten für eine gewöhnliche 5-Zimmer-Wohnung schlicht nicht leisten können. Und das gilt bei weitem nicht für finanziell schwache Familien.

SP-Volksinitiative in der Stadt Zug geplant

Diverse Vorstösse wurden von der Zuger Linken zum Thema bereits eingereicht. Eine «Gesetzesinitiative für bezahlbaren Wohnraum», welche langfristig 20 Prozent zahlbaren Wohnraum forderte, wurde im Jahr 2017 mit rund 70 Prozent abgelehnt. Aktuell liegt bei der Stadt Zug die Volksinitiative «2000 Wohnungen für den Zuger Mittelstand».

Konkrete Massnahmen, welche die SP fordern: 40 Prozent der neuerbauten Wohnflächen sollen preisgünstig werden. Grundsätzlich will die Partei erreichen, dass bis 2040 20 Prozent der Wohnungen in der Stadt Zug preisgünstig sind.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Walo
    Walo, 21.12.2022, 08:36 Uhr

    Preisgünstiges Wohnen setzt preisgünstiges Bauen voraus. Das ist schwierig und wird noch schwieriger werden. Zum einen werden die Materialien immer teurer, zum anderen werden immer mehr davon verbaut (Dämmung, Komfort, elektr. Installationen etc.). Der Kubikmeter in neuen Gebäuden ist doppelt so schwer als Ende 20. Jh.
    Hinzu kommt: Preisgünstig ist relativ. Sprechen wir von zwei Haushaltseinkommen, sind 3000-4000 Miete bezahlbar. Die Zuger Löhne sind ja auch viel höher als anderswo. Es gibt praktisch keine Familien mehr mit nur einem Einkommen, das ist ja auch politisch gewollt. Schwieriger wirds, wenn beide nur Teilzeit arbeiten und trotzdem schön wohnen wollen. Singles brauchen keine 2- oder gar 3-Zi-Wohnung. Früher mieteten sie ein Studio oder ein Zimmer in Untermiete, heute geht das offenbar nicht mehr. Prestigesache eben. Nicht nur die Mieten sind gestiegen, sondern auch die Ansprüche der Mieter.

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    • Profilfoto von Stefan Ernst
      Stefan Ernst, 21.12.2022, 11:44 Uhr

      Sehe das auch so. Viele wohnen heutzutage zu zweit oder sogar allein auf 3.5 oder 4.5 Zimmern. Fragt sich ob Wohnraum so wirklich zu teuer ist. Ausserdem verschwendet allein die Diskussion welcher Anteil und was günstiger Wohnraum ist, wertvolle Zeit bei der Erstellung dieser Wohnungen. Zug ist eben begehrt, wenn man nicht voran macht, wird das mit den Preisen nur noch schlimmer.

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