Genossenschaft mit «verrückter Idee»

«W’Alter» will neue Wohnformen nach Zug bringen

Die Wohngenossenschaft W'Alter liebäugelte mit dem Areal Steinlager nahe der Zuger Stadtgrenze. Doch daraus wird wohl nichts. (Bild: wia/zvg)

Die Wohnbaugenossenschaft W'Alter gibt es seit acht Jahren. Seither suchen die Verantwortlichen nach Land für neue Wohnformen. In Zug ein anscheinend unmögliches Unterfangen, obwohl die Erfolgschancen zeitweise vielversprechend aussahen.

1'800 Franken für eine steril anmutende 1,5-Zimmer-Wohnung, die nur wenig charmantere 32-Quadratmeter grosse Version in der Zuger Altstadt kostet 2'800 Franken. Solche Mietpreise sind in Zug längst üblich. Ein Alptraum, nicht nur für Wenigverdiener, sondern grundsätzlich für den Mittelstand. Politikerinnen haben sich zwar auf die Fahne geschrieben, erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Mit bislang mittelprächtigem Ergebnis.

«Es braucht neue Wohnformen, bezahlbar, ökologisch nachhaltig und gemeinschaftsfördernd.»

Susanne Giger, Präsidentin der Genossenschaft W'Alter

Es ist ein Thema, das die Zuger Buchhändlerin Susanne Giger schon Jahre umtreibt. Beim Gespräch in ihrer winzigen Oswaldsgasse-Buchhandlung erzählt sie: «Seit 40 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema ‹Bezahlbares Wohnen in Zug›. Anfangs wehrten wir uns mit Protestaktionen – später mit Volksinitiativen. Nur: Die Situation hat sich immer noch nicht massgeblich verbessert. Es braucht neue Wohnformen, bezahlbar, ökologisch nachhaltig und gemeinschaftsfördernd.»

Mit 62 Jahren will sie es noch einmal wissen

Mit 20 Jahren habe sie bereits versucht, dem Problem mit einer Genossenschaft entgegenzutreten. «Nun, mit 62 Jahren will ich es noch einmal wissen, ob so etwas in Zug umsetzbar ist», sagt Giger schmunzelnd. Sie blickt zu ihrer Linken, zu Andreas Brunnschweiler, der es ebenfalls noch einmal wissen will. Mit weiteren Interessierten haben sie vor einigen Jahren die Wohnbaugenossenschaft W'Alter gegründet.

Ihre Idee: Für ihre rund 40 Mitglieder dauerhaften Wohnraum zu finanziell tragbaren Bedingungen zu schaffen. Angedacht sind neben Kleinwohnungen mitunter Wohncluster: «Die einzelnen Bewohnerinnen verfügen über kleinere Zimmer und eventuell über eine eigene Nasszelle. Gewohnt, gekocht und gespielt wird jedoch in gemeinsamen Räumen», sagt Brunnschweiler.

Ausgleich zwischen den Mietern durch einen Solidaritätsfonds

Giger ergänzt: «Die Mieter sollen durchmischt sein. Nicht nur vom Alter, sondern auch vom Budget her. So sollen etwa Wohlhabende und finanziell Schwächere zusammen leben. Es wird auch erwartet, dass alle etwas zum gemeinschaftlichen Zusammenleben beitragen, sei es zum Beispiel durch die Mitwirkung an Aktivitäten, Botengängen oder Kinderbetreuung.» Ein Solidaritätsfonds, in den die Genossenschafterinnen, je nach Vermögen, einzahlen, soll für Ausgleich sorgen.

2014 wurde aus dieser Idee die Genossenschaft W'Alter. Damit trafen die Vorstandsmitglieder einen Nerv. «Wir hatten einen riesigen Zulauf», sagt Giger. Aber: «Wir können bis heute nichts bieten.» Ganz konkret fehlt es der Genossenschaft an erschwinglichem Boden, auf dem gebaut werden könnte.

«In Zug ist der politische Druck offensichtlich zu gering.»

Andreas Brunnschweiler, Vorstandsmitglied von W'Alter

Es käme für sie nicht infrage, ein bereits bestehendes Projekt oder Gebäude mit konventionellen Grundrissen zu übernehmen und dann die Bewohner zu suchen. «Wir möchten dass die zukünftige Hausgemeinschaft in die Projektentwicklung miteinbezogen wird, die Verwaltung und damit auch Verantwortung übernimmt», sagt sie. Dass diese Art des Wohnens sehr anspruchsvoll ist, viel Reibungsfläche birgt und Erfahrung bedingt, dessen sind sich die Mitglieder bewusst.

Dennoch sind sie sich sicher, dass dieses Modell funktionieren kann: «Solche Wohnkonzepte gibt es in verschiedenen Schweizer Städten bereits. Sei es in der Kalkbreite in Zürich oder in Bern», betont der pensionierte Architekt Brunnschweiler, der sich um die baulichen Themen kümmert. «Nur ist hier in Zug der politische Druck offensichtlich zu gering.»

Vielversprechende Versuche gingen in die Binsen

Ungefähr 40'000 Franken würden die Genossenschafter je selber ins Projekt einzahlen. Dieses Eigenkapital soll reichen, um zusätzlich eine Hypothek aufzunehmen. Brunnschweiler glaubt nicht, dass die Finanzierung ein Problem darstellen werde, gerade wenn man nach den Kriterien des Wohnbaufördergesetzes baue, mit dem der Kanton Zug und der Bund den Zugang zu Wohneigentum vereinfachen wollen.

Tatsächlich war W'Alter schon sehr nah daran, im Gebiet Steinlager Land im Baurecht zu übernehmen. Das 3'600 Quadratmeter grosse Grundstück gehört der Stadt Zug, 2019 erhielt W'Alter den Zuschlag als Mitinvestorin. Leider hat sich die Ausgangslage, auch aufgrund der Covid-19-Krise, in der Entwicklungsphase geändert.

«Die Stadt hat die Planung des Areals deshalb in einem grösseren Zusammenhang neu aufgenommen. Wie Erfahrungen zeigen, ist kaum mit einem Bezug vor 2035 zu rechnen», erklärt Brunnschweiler. Auch mit bestehenden Räumlichkeiten in der Chamer Papieri habe die Organisation geliebäugelt. «Doch preisgünstiges Wohnen lässt sich in bestehenden denkmalgeschützten Gewerbebauten kaum umsetzen. Die Randbedingungen sind zu komplex.»

W'Alter-Genossenschafterinnen werden ungeduldig

Die Mitglieder von W'Alter können und wollen nicht zehn oder mehr Jahre auf geeignetes Land warten, zumal viele der Mitglieder bereits im Rentenalter sind. Erste Genossenschafterinnen hätten bereits ihre Genossenschaftsbeiträge zurückgefordert.

Die beiden Vorstandsmitglieder wirken resigniert: «Zehn Jahre mache ich das nicht mehr mit», sagt Andreas Brunnschweiler. Auch wenn die beiden die Sache mit Humor nehmen. «Da stehen wir jetzt mit unserer verrückten Idee», seufzt der Architekt.

Giger schmunzelt, wird aber sogleich wieder ernst: «Bezüglich preisgünstigem Wohnraum verspricht die Stadt Zug sehr viel. Effektiv passiert jedoch wenig.» Allerdings stehen einzelne Areale noch immer zur Diskussion. W’Alter hofft, dass diese baldmöglichst konkret werden.

Der Anreiz für private Landbesitzer ist klein

Was wäre das Beste, was W'Alter passieren könnte? «Dass sich ein privater Grundstückbesitzer findet, der sein Land zu einem erschwinglichen Preis abgibt, respektive eine solche Gemeinschaft unterstützen möchte», so der 75-Jährige. Im preisgünstigen Wohnungsbau wird eine obere Grenze für den Grundstückanteil vorausgesetzt, die Bodenpreise im Zuger Immobilienmarkt liegen um ein Mehrfaches darüber. In diesem Umfeld besteht für Private wenig Motivation, auf diesen Mehrwert zu verzichten.

«Man sagt uns heute noch nach, wir seien die jungen Wilden.»

Andreas Brunnschweiler, 75-jährig

W'Alter: Der Name klingt, als würde die Genossenschaft primär ältere Personen ansprechen. Dem sei jedoch nicht so, beteuert Giger: «Klar geht es mitunter darum, eine Alternative zu den Alterszentren zu bieten, die durchorganisiert sein müssen und oftmals sehr steril daherkommen. Wir hingegen wollen uns selber organisieren.»

Doch sei es sehr wohl erwünscht, dass mehrere Generationen miteinander in einer Hausgemeinschaft lebten, sei es in Clusterwohnungen oder in konventionellen Kleinwohnungen. Ähnlich wie bei einem Projekt in Steinhausen, das allerdings ins Straucheln geriet (zentralplus berichtete).

«Im Prinzip soll das wie eine Dorfgemeinschaft funktionieren, in der alle Platz haben», sagt er und ergänzt lachend: «Abgesehen davon sagt man uns heute noch nach, wir seien die jungen Wilden.»

Verwendete Quellen
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