«Alte Post» in Vitznau

Geld gesammelt für Luxusprojekt – aber nie gebaut

Die «Alte Post» in Vitznau wurde jahrelang vernachlässigt. (Bild: ber)

Die Stalder-Gruppe versprach Kleinanlegern hohe Renditen für ein Luxusprojekt in Vitznau, doch nach dem Verkauf des Gebäudes folgten leere Worte. Bei anderen Stalder-Projekten läuft es ähnlich.

Direkt am See in Vitznau entsteht die «Seeresidenz Alte Post» mit fünf Wohnungen. Vier davon sind bereits verbindlich reserviert. «Stellen Sie diesem Projekt Kapital in Form eines Nachrangdarlehens zur Verfügung. Bis 29. September 2023 erhalten Sie Ihre Investition inklusive Zinsen aus dem Verkaufserlös der Wohnungen zurück.»

Diese Informationen sind auf der Crowdinvesting-Plattform «Dagobert Invest» noch immer aufgeschaltet. Dabei hat die ehemalige Besitzerin der «Alten Post» von Vitznau das Gebäude längst verkauft – und die angekündigten Luxuswohnungen nie gebaut. Das Geld der Anleger blieb nach dem Verkauf über ein Jahr auf den Konten der Firma.

Mehrfach vertröstete die Firma die Kleinanleger mit leeren Worten und versprach baldige Auszahlungen. Als zentralplus den Chef der Plattform «Dagobert Invest» im April konfrontiert, äussert er sein Entsetzen über das Vorgehen. Ausserdem nennt er weitere Versäumnisse der Luzerner Baufirma. Auch ein Anleger meldet sich anonym: Er habe der Firma vor über zwei Jahren Geld überwiesen – und warte immer noch auf Rückzahlung.

Streit um «Alte Post» ging bis vor Bundesgericht

Doch zurück zum Anfang: Vormalige Besitzerin der «Alten Post» war die Seeresidenz Alte Post AG von Verwaltungsrat Daniel Stalder. Der Immobilien-Unternehmer ist Chef der Stalder-Gruppe, einem Konsortium von Luzerner Firmen, die Immobilien bauen, vermarkten und verwalten. In Vitznau wollte Stalder mit der Gesellschaft fünf Luxuswohnungen bauen.

Im Jahr 2012 erteilte die Gemeinde der damaligen Besitzerin die Baubewilligung, das denkmalgeschützte und verfallende Gebäude im Dorfzentrum umzubauen. Die aber liess die Liegenschaft anschliessend jahrelang verfallen. Also machte der Gemeinderat Druck und verlangte den Baustart (zentralplus berichtete).

Das Gebäude, wie es im Jahr 2022 aussah. (Bild: ber)

Die Besitzerin wehrte sich und zog den Fall bis vor Bundesgericht. In Lausanne setzten die Richter eine Frist zum Umbau an, die von der Besitzerin ignoriert wurde. Im Jahr 2022 entzog der Gemeinderat der Immobilienfirma die Baubewilligung für ihr Um- und Neubauprojekt (zentralplus berichtete).

Wenige Monate später, Anfang 2023, verkaufte die Seeresidenz Alte Post AG die «Alte Post» an den in Vitznau wohnhaften Holländer Tom van Rijn – die Gemeinde Vitznau war erleichtert. Über den Kaufpreis behielten die Parteien Stillschweigen. Nun aber zeigt sich: Bereits vor dem Verkauf floss Geld in das geplante Bauprojekt.

Geld für Luxuswohnungen gesammelt

Auf der Crowdinvesting-Plattform «Dagobert Invest» warb die Stalder-Gruppe im Jahr 2021 um private Investoren für den Bau von Luxuswohnungen in Vitznau. Auf der Plattform können Kleinanleger unkompliziert in Bauprojekte investieren. Noch im gleichen Herbst erreichte Stalder das Fundinglimit von einer Million Franken. Hunderte Kleinanleger hatten Geld eingezahlt.

Im Aufruf versprach das Unternehmen: «Für dieses Projekt ist eine Baubewilligung vorhanden. In Abhängigkeit mit der Finanzierung kann innert kurzer Frist mit den Bauarbeiten begonnen werden.» Doch dann passierte nichts: kein Bau, keine Wohnungen. Die Baubewilligung erlosch, die Gesellschaft verkaufte die «Alte Post».

Von hinten sah das alte Postgebäude im Jahr 2022 so aus. (Bild: ber)

Im Oktober 2023 lief die Darlehensfrist ab. Sprich: Zu diesem Zeitpunkt hätten die Anleger ihr Geld zurückerhalten sollen. Stattdessen gab es ein Schreiben von Daniel Stalder als Geschäftsinhaber der Gesellschaft. Er kündigte an, das Geld frühstens im Dezember auszahlen zu können.

Nachrangdarlehen – ein bekanntes Problem

Verzögerte Auszahlungen bei Projekten auf Crowdinvesting-Plattformen wie «Dagobert Invest» kommen häufiger vor. Diesen Februar berichtete «Der Standard», Investoren müssten «warten und hoffen». Ein Grund für solche Probleme seien Nachrangdarlehen. Mit ihnen würden Anleger auf viele Rechte verzichten, in der Hoffnung auf hohe Rendite.

Auch beim Stalder-Projekt in Vitznau willigten die Anleger in ein Nachrangdarlehen ein. Im Kleingedruckten stand: «Der Anleger kann Forderungen auf Rückzahlung des Darlehens zur Fälligkeit nur geltend machen, sofern diese Zahlungen keinen Insolvenzgrund auslösen.» Dafür wurde ihnen ein hoher Zins von 8,15 Prozent versprochen.

Verzüge um Verzüge, bis die Frist vorbei ist

Im Januar 2024 erhielten die Anleger einen zweiten Brief von Daniel Stalder: «Leider konnten wir dieses Datum [Dezember] nicht einhalten, da unsere momentane finanzielle Situation sehr angespannt ist.» Er kündigte eine Rückzahlung bis Februar an. Im Februar folgte ein dritter Brief: Wegen «internationaler Auflagen bei Finanztransaktionen» komme das Geld erst Ende April.

Damit überschritt die Firma die vereinbarte Darlehensfrist bis Oktober – und die sechsmonatige Verlängerungsoption. Sprich: Spätestens Ende März hätten die Investoren ihr Geld zurückerhalten müssen – in jedem Fall. Die Briefe, mit denen Stalder die Investoren vertröstete, liegen zentralplus vor. Ausserdem haben sie Anleger in einem Online-Forum veröffentlicht.

«Dagobert Invest» entrüstet über Vorgehen der Firma

Ende April kontaktiert zentralplus Andreas Zederbauer. Er ist Geschäftsführer und Co-Gründer der Plattform «Dagobert Invest» in Wien, auf der die Stalder-Gruppe für das Vitznauer Bauprojekt und zwei weitere Bauvorhaben in Luzern und im Aargau um Geld geworben hat. Er bestätigt die Unregelmässigkeiten rund um die «Alte Post» in Vitznau.

In einer E-Mail schreibt Zederbauer: «Ich teile mit Ihnen und den Anlegern die Entrüstung, dass es weder vertraglich gedeckt war, noch moralisch, dass das Projekt verkauft, der Erlös aber offenkundig nicht zur Abdeckung der Anlegerforderungen verwendet wurde.» Die anderen Stalder-Projekte in Eigenthal und in Aarburg seien ebenfalls verzögert. «Leider wurden alle Projekte bisher nicht pünktlich bezahlt.»

Daher habe «Dagobert Invest» einen Investor des Projekts in Vitznau unterstützt, eine Musterklage gegen Stalder zu erheben. Eine Musterklage bezeichnet einen klärenden Einzelprozess, der für eine Vielzahl möglicher Prozesse geführt wird. Sprich: Für alle Anleger, die mit dem Vorgehen von Stalder in Vitznau unzufrieden sind. Wenig später meldet sich Zederbauer erneut: Die Klage sei gescheitert, der Anleger sei ausbezahlt worden.

Auch Daniel Stalder antwortet auf Anfrage von zentralplus Anfang Mai – allerdings ausweichend. Es seien Einsprachen bei der «Alten Post» in Vitznau eingegangen, weshalb man anders «disponiert» habe. Über «Dagobert Invest» seien mittlerweile alle Investoren ausgezahlt worden, die das wünschten. Einige würden ihr Geld aber lieber auf Stalders Konten lassen, schliesslich gäbe es einen Verzugszins.

Anleger für Projekte in Eigenthal und Aarburg meldet sich

zentralplus hat mehrere Monate versucht, Anleger von Stalder-Projekten zu einer Stellungnahme zu bewegen – ohne Erfolg. Doch im Mai meldet sich ein deutscher Kleinanleger*, der über ein Online-Forum auf die zentralplus Recherche aufmerksam geworden ist. Mit Dokumenten belegt er, im Jahr 2021 via «Dagobert Invest» 8000 Euro in die beiden Stalder-Projekte in Eigenthal und in Aarburg investiert zu haben.

Er sagt, er habe Stalder mehrmals gemahnt, aber weder eine Antwort noch eine Rückzahlung erhalten. Auch «Dagobert Invest» habe er darüber informiert. «Die Aussage, dass die Anleger ihr Geld zurückerhalten haben, ist zumindest in meinem Fall nicht zutreffend.» Er habe das Geld bereits «abgeschrieben».

Ist er ein Einzelfall? Auf Anfrage ignoriert Daniel Stalder die Frage, wie es um den Projektabschluss in Eigenthal und Burghalde steht und wie viele Anleger auf ihr Geld warten. Auch die Frage, warum der Verkaufserlös der «Alten Post» nicht direkt an die Anleger zurückerstattet wurde, bleibt unbeantwortet.

* Name der Redaktion bekannt.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Daniel Stalder
  • Diverse Hintergrundgespräche
  • Projektbeschriebe auf «Dagobert Invest»
  • Schriftlicher Austausch mit Andreas Zederbauer, CEO «Dagobert Invest»
  • Diverse Firmeneinträge im Luzerner Handelsregister
  • Website von «Dagobert Invest»
  • Telefonat mit einem anonymen Investor
  • Diverse Einträge in einem Forum für Investoren
  • zentralplus-Medienarchiv
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