Prachtvilla verlottert

Schandfleck von Vitznau kommt vor Bundesgericht

Von hinten sieht das alte Postgebäude wie eine Ruine aus – hier sollten einst Luxuswohnungen entstehen. (Bild: ber)

Die Alte Post von Vitznau war einst ein ehrwürdiges Gebäude. Heute ist das einstige Schmuckstück ein Schandfleck. Ein hoher Zaun soll die Touristen vor dem hässlichen Anblick schützen – doch vorher geht es noch vors Bundesgericht.

«Direkt am See der beliebten Gemeinde Vitznau im Kanton Luzern entsteht die Seeresidenz Alte Post mit fünf grosszügigen Wohneinheiten und traumhaften Blick auf den See.» Mit diesen Worten preist die Firma Stalder Immobilien ihr Projekt noch heute im Netz an. Dass aus dem Traumobjekt mit privater Liegewiese und Badeplatz längst ein Alptraum geworden ist, wird geflissentlich verschwiegen.

Seit zehn Jahren verfällt die Liegenschaft. Einzig mit dem Aushub für Tiefgaragen wurde begonnen – weshalb der Garten einer Kraterlandschaft gleicht. Ein Loch in der Fassade ist mit Brettern vernagelt. Das Dach ist undicht. Die Tür, die eigentlich in die Grünanlage führen sollte, steht bei einem Augenschein vor Ort offen. Jeder kann die Liegenschaft betreten – nur will das wohl nicht einmal mehr eine streunende Katze, so verwahrlost sieht die Alte Post in Vitznau aus.

Spätklassizistisches Wohnhaus und eines der ältesten Postgebäude Luzerns

Es ist eine Schande, was mit der einst so stolzen Alten Post und der angrenzenden Villa in Vitznau passiert ist. Beide sind wegen ihrer Besonderheiten im kantonalen Bauinventar als schützenswert verzeichnet. Jetzt sehen sie aus, als würden sie demnächst einstürzen.

Für den Gemeinderat ist klar: So kann es nicht weiter gehen. 2020 forderte er die Besitzerin auf, die seit 2012 bewilligten Bauarbeiten nun auch wirklich durchzuführen und abzuschliessen. Der Fall ging bis vor Bundesgericht. Dieses stärkte den Vorinstanzen den Rücken und setzte eine Frist für den Umbau der Gebäude. Und zwar bis am 30. September 2021. Passiert ist – mal wieder – nichts.

Die Immobilienfirma, der das Haus gehört, liess die Frist erst verstreichen und beantragte ein paar Tage darauf eine Fristerstreckung.

Wenn du nicht willst, so brauch ich Gewalt

Der Gemeinderat tat daraufhin, was er zuvor angedroht hatte: Er erklärte die Baubewilligung für nichtig. Gleichzeitig verlangte er von der Besitzerin, nun umgehend die Baugerüste zu entfernen, das Dach zu sichern und einen grossen Zaun rund um die Alte Post aufzustellen – damit künftig die Menschen von Vitznau von dem traurigen Anblick verschont bleiben.

Aus Sicht der Behörden ist jetzt «fertig lustig». Wenn die Besitzerin den Zaun nicht selber aufstellt, wird die Gemeinde jemanden damit beauftragen und ihr eine Rechnung schicken. Und eine Strafanzeige droht dann auch.

Die Besitzerin wehrte sich vor dem Kantonsgericht Luzern dagegen, das Dach zu sichern, die Gerüste zu entfernen und einen Zaun aufzustellen. Stattdessen verlangte sie, dass die Aufhebung der Baubewilligung rückgängig gemacht wird.

Ein Verlust auf ganzer Linie

Die Gemeinde argumentiert, das Baugrundstück befinde sich an der schönsten Stelle des Dorfes, im Zentrum unterhalb der Kirche. Es sei von zwei Seiten voll einsehbar und «alle Einwohner und Touristen» könnten der Verfall seit nunmehr zehn Jahren verfolgen. Es bestehe ein hohes öffentliches Interesse daran, dass die Baugerüste entfernt und die Dächer geschützt würden.

Die Bauherrin wandte sich nun an das Kantonsgericht – wo sie auf ganzer Linie verlor. Auch dieses ist der Meinung, dass die Baubewilligung nun erloschen ist und dass der Zaun und die Dachsicherung gemacht werden müssen. Es setzte eine Frist bis Ende diesen Monats, also bis zum 30. Juni.

Die Alte Post von Vitznau bleibt ein Schandfleck – vorerst

Dass die Geschichte dann zu Ende sein dürfte, ist aber eine Illusion. Die Firma, der die Alte Post und die Villa in Vitznau gehören, ist erneut vor Bundesgericht gezogen – womit sich das Verfahren um weitere Monate verzögern dürfte.

Theoretisch könnte die Gemeinde allenfalls die angeordneten Massnahmen jetzt schon durchführen lassen. Dies, weil ein Weiterzug ans Bundesgericht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat. Nur tragen die Behörden dann das Kostenrisiko, wenn das höchste Schweizer Gericht der Liegenschaftsbesitzerin wider Erwarten doch Recht geben sollte. Wahrscheinlich ist also, dass die Vitznauerinnen noch einige Zeit mit dem Schandfleck leben müssen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Erwin Rühle
    Erwin Rühle, 05.06.2022, 12:11 Uhr

    Sehr guter Artikel, ich gratuliere. Die Einwohnerschaft von Vitznau wünscht sich sehnlichst, seit nun 10 Jahren, dass endlich etwas passiert mit diesen im Herz Vitznau‘s geschützten ehemals schönen und dorfbildprägenden beiden Objekten.

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    • Profilfoto von Stöckli Ruedi
      Stöckli Ruedi, 07.06.2022, 15:35 Uhr

      Was ist denn das für eine eigenartige Besitzerin? Die Behörden haben völlig richtig reagiert, indem sie die Bewilligung entzogen haben.

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